CSU:Ein bisschen "näher am Menschen"

Markus Söder 100 Tage im Amt des CSU-Chefs

Gemeinsam mit seinem Generalsekretär Markus Blume (rechts) präsentiert am Montag der CSU-Vorsitzende Markus Söder einen Slogan, mit dem die Christsozialen schon einmal für sich geworben haben.

(Foto: Lino Mirgeler/dpa)
  • Markus Söder ist seit 100 Tagen Vorsitzender der CSU. Deshalb zieht er eine erste Bilanz.
  • Die Abteilungen der Parteizentrale will Söder in vier Bereiche bündeln: Parteiarbeit, Kampagne, zentrale Dienste und Kommunikation.
  • An seiner Doppelfunktion als Ministerpräsident und Parteichef empfindet Söder in Berlin zunehmend Freude. Parteifreunde berichten, dass er jede Gesetzesvorlage sehen wolle, ehe sie ins Kabinett gehe.

Von Wolfgang Wittl

Wer immer auf die Idee gekommen ist, Politiker hundert Tage nach ihrem Amtsantritt zu bewerten, hat sich damit nicht nur Freunde gemacht. Warum nicht 200 Tage? Warum nicht ein Jahr? Gestandene Minister beklagen sich mehr oder weniger offen, eine Bilanz nach hundert Tagen komme viel zu früh - und schnaufen erleichtert durch, wenn sie erst später beurteilt werden. Markus Söder vertritt dezidiert eine andere Ansicht. Er weiß, dass Alphatiere im politischen Betrieb keine Schonfrist zu erwarten haben. Ohnehin rückt er sein Handeln samt wohlgefälliger Interpretation traditionell lieber selbst ins Licht, ehe andere es tun.

Also bittet Söder am Montag selbst zu seinem ersten Fazit als CSU-Chef. Er habe sich nicht nach dem Amt gedrängt, sagt er. Aber jetzt mache es "viel mehr Spaß als gedacht". Am 19. Januar wurde er gewählt, hinter ihm liegt eine Basistournee durch alle Bezirke: neun Stationen, 30 Stunden Gespräch, 400 Wortmeldungen, 3000 Mitglieder. Zuhören, nach vorne gehen, die Partei wieder stärker in der Bevölkerung verankern, das habe er sich vorgenommen. Ein erstes sichtbares Ergebnis dieses Ziels ist bereits zu begutachten. "Näher am Menschen" prangt nun wie früher wieder als Slogan unter dem Parteilogo, ein Wunsch der Basis. Allein mit dem Motto "Zurück in die Zukunft" wäre Söders Auftritt aber unzureichend beschrieben.

Schlagkräftiger soll die Parteizentrale werden, deshalb wird Söder sie umkrempeln. Die bisherigen Abteilungen werden in vier Bereichen gebündelt: Parteiarbeit, Kampagne, zentrale Dienste - und Kommunikation mit den wohl größten Umwälzungen. Söder kündigt an, "das AfD-Monopol" im Internet brechen zu wollen. CSU-Mitglieder sollen künftig in Echtzeit informiert und online befragt werden.

Auch an alte Zöpfe wagt Söder sich heran, obschon er den Schnitt noch nicht vollzieht. Die Zukunft des defizitären Parteimagazins Bayernkurier lässt er ausdrücklich offen. "Eher gering" sei der publizistische Mehrwert, man werde sich daher "sehr genau überlegen" ob und in welcher Form es mit dem Bayernkurier weitergehen solle. Die Redaktion geht einstweilen in der neuen Kommunikationsabteilung auf, über einen Newsroom sollen die Botschaften einheitlich auf allen Kanälen ausgespielt werden. Verantworten wird den Bereich der bisherige Sprecher der Landtagsfraktion, Franz Stangl.

Eine Parteizentrale 4.0 verspricht Generalsekretär Markus Blume, sie soll die modernste in Deutschland werden und wieder besser das Lebensgefühl der Menschen erfassen, wie es etwa beim Wunsch nach der Bewahrung der Schöpfung zum Ausdruck kam. Natürlich wäre es "uns lieber gewesen, wir hätten es schon vor drei Jahren zu unserem Thema gemacht", räumt Blume mit Blick auf das Volksbegehren Artenvielfalt ein. Fortan will die CSU die Debatten wieder mit eigenen Konzepten prägen, anstatt von anderen Gruppen getrieben zu werden.

Ein zentraler Schauplatz von Söders Arbeitsfeld liegt jetzt in Berlin. Er fährt zwar immer noch ungern in die Bundeshauptstadt, aber er empfindet zunehmend Freude an seiner Doppelfunktion als Ministerpräsident und Parteichef. Je nach Bedarf schmiedet er Allianzen mit seinen Kollegen auf Länderebene oder legt sein Veto im Koalitionsausschuss ein. Als Söder im vorigen Juni seine ersten hundert Tage als Ministerpräsident bilanzierte, stand die Union im Flüchtlingsstreit vor dem Bruch der Fraktionsgemeinschaft. Nun sitzt er fast selbst in der Regierung und lebt sein Faible für maximale Kontrolle auch im Bund aus.

Parteifreunde berichten, dass Söder jede Gesetzesvorlage sehen wolle, ehe sie ins Kabinett gehe. Streit suche er aber nicht mehr, um sich persönlich zu profilieren, sondern nur noch der Sache wegen. Ein bevorzugter Sparringspartner ist Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Sollte Söder ihm im Streit über die Grundsteuer eine Öffnungsklausel für Bayern abringen, wäre dies ein erster großer Erfolg.

Respekt der Mitglieder

Die Erfahrung aus dem Flüchtlingsstreit hat auch Söders Verhältnis zur Schwesterpartei neu justiert. Sogar frühere Kritiker zeigen sich positiv überrascht, wie konsequent Söder die Partnerschaft mit der neuen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer pflegt. Auch zu seinem früheren Rivalen Manfred Weber zeigt er sich bislang loyal. Die "ideale Klammer" sei der CSU-Vize Weber als gemeinsamer Spitzenkandidat im EU-Wahlkampf, lobte Söder am Montag.

Manch einer in der Partei hätte es gerne gesehen, dass auch Söder auf Europa-Plakaten sein Gesicht zeigen würde. Aber dafür sei er wohl zu vorsichtig, falls das Ergebnis dürftig ausfalle. Erst dann werde sich auch zeigen, wie stabil das Bündnis mit Weber wirklich sei. Echte Begeisterung für Söder könne er in der Partei noch nicht bemerken, sagt einer, der bei den Basistreffen dabei war. Der Respekt der Mitglieder für seine Arbeit sei ihm aber gewiss.

Seinen Einfluss will Söder nach und nach ausdehnen. "Neuen Schwung" brauche die große Koalition in Berlin, das ist durchaus als Kritik an Angela Merkel zu verstehen. Verteidigung, Wirtschaft, Steuern, Energie - nach der Europawahl wolle die CSU inhaltlich in die Offensive gehen. In der Digitalisierung werde Deutschland "zunehmend abgehängt", man denke zu sehr in alten Konzepten. Seine Partei werde dazu bald einige Papiere vorlegen, kündigt Söder an. Aber klar sei auch: Der Erfolg der CSU definiere sich bei den nächsten Wahlen im Bund und in Bayern. Und nicht nach hundert Tagen des Parteichefs.

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