CSU: Manfred Weber:"Der Ministerpräsident muss führen"

Wie konservativ ist die CSU? Manfred Weber, der Vorsitzende der Grundsatzkommission über das Leitbild der Partei, das Bedienen von Einzelinteressen und die Anforderungen an Parteichef Seehofer.

Annette Ramelsberger

In der Union ist die Debatte über den richtigen Kurs aufgeflammt. Die Konservativen in der CDU fühlen sich an den Rand gedrängt, in der CSU weiß ohnehin keiner so genau, wo es langgeht. Manfred Weber, der Vorsitzende der CSU-Grundsatzkommission, sieht zumindest zwei Markenkerne der Partei: den Einsatz gegen Einzelinteressen und den Erhalt des ausgeglichenen Haushalts. Mit Weber sprach Annette Ramelsberger.

Manfred Weber

Auch sein Fraktionskollegen Manfred Weber ist in Brüssel wer, in Bayern ist er abgemeldet.

(Foto: dpa)

SZ: Früher stand die CSU für den starken Staat, die Bundeswehr, ein konservatives Familienbild. Und natürlich für sichere Finanzen. Das alles gilt nicht mehr. Was bleibt von der CSU übrig?

Manfred Weber: Die CSU ist auf der Suche, unbestritten. Aber wir haben uns immer erneuert, immer Strömungen in der Gesellschaft aufgenommen. Konservativ sein heißt Gutes bewahren und erneuert weitertragen, also Evolution statt Revolution.

SZ: Aber was bleibt vor lauter Evolution noch vom Kernbestand?

Weber: Es bleibt genug vom Bestand übrig. Konservativ sein ist eine Philosophie. Wir müssen das nur in die heutige Realität übersetzen, beim Haushalt, bei der Familienpolitik, bei der Zuwanderung. Aber nicht beliebig erneuern, sondern auf Grundlage unserer Werte.

SZ: Was rechtfertigt denn bei der CSU noch den Zusatz Volkspartei? Sie bedient doch nur Einzelinteressen wie die von Hoteliers, Hausärzten oder Atomlobby.

Weber: Wir dürfen nicht Einzelinteressen hinterherlaufen, dann verlieren wir den Anspruch, Volkspartei zu sein. Wir brauchen ein klares Bild, wie Bayern in 20 Jahren aussehen soll - angesichts von demographischem Wandel, Globalisierung, Energieknappheit. Und wir brauchen den Mut und die Freude am Gestalten.

SZ: Diese Freude spürt man nicht. Bisher hat sich die CSU doch vor allem als Störenfried in Berlin profiliert.

Weber: Bayern und Deutschland sind gut durch die Krise gekommen, und das hat viel mit der Regierungsarbeit zu tun. Bei der Gesundheitspolitik jedoch hatten viele das Gefühl, dass die CSU nur dagegen ist, ohne eigene Vorschläge zu haben. Das darf uns nicht wieder passieren. Wir müssen seriöse, kreative Vorschläge bieten. Und wir dürfen nicht nur aus dem Alltagsgeschäft heraus handeln, sondern aus Überzeugung.

SZ: Aber das ist doch die Krux der CSU, die Überzeugungen wechseln ständig. Gerade noch hat Horst Seehofer erklärt, die Wehrpflicht sei Markenkern der CSU. Jetzt gilt das nicht mehr.

Weber: Der Markenkern ist nicht die Wehrpflicht, sondern die starke Bundeswehr. Die Wehrpflicht war eine Grundposition, ist aber von der Realität überholt. Deswegen ist es legitim, diese Position zu verändern.

SZ: Die Realität hat doch auch die Standardaussage der CSU überholt, dass Deutschland kein Einwanderungsland ist. Wollen Sie sich da auch ändern?

Weber: Nein. Bei der Integration müssen wir den Zuwanderern zwar Angebote machen, aber die spannende Frage ist: Was tun wir mit denen, die sich der Integration verweigern? Da ist die CSU ganz klar für Härte. Es muss bestraft werden, wer sich verweigert.

Beim Betreuungsgeld "die einzige liberale Partei"

SZ: Der nächste Punkt: 1999 noch fuhr die CSU durchs Land und predigte, dass es Krippen nur in der DDR gibt. Jetzt baut sie selbst die Krippen aus. Auch da hat sich die CSU diametral geändert.

Weber: Weil die Gesellschaft anders geworden ist. Aber Familienpolitik ist ein bürgerlicher Kernpunkt. Und nur das Thema Betreuungsgeld ist dafür zu wenig. Wir werden über die Erhöhung des Kindergeldes reden müssen, über die Anrechnung von Kindern bei der Rente und über das Familienwahlrecht.

SZ: Was ist am Betreuungsgeld sozial, wenn es viele Kinder gibt, die davon nicht profitieren werden?

Weber: Da ist die CSU offenbar die einzige liberale Partei, die es noch gibt. Wir glauben, dass die Eltern selbst entscheiden können, wie sie das Geld für ihre Kinder sinnvoll einsetzen. Nur weil eine Minderheit bei der Erziehung versagt, können wir nicht die Mehrheit bevormunden.

SZ: Nehmen wir die Finanzen. Auch da ist nichts mehr, wie es war. Die bayerische Regierung verabschiedet sich gerade vom ausgeglichenen Haushalt.

Weber: Der ausgeglichene Haushalt gehört eindeutig zum Markenkern der CSU. Franz Josef Strauß hat das erste Sparpaket auf Bundesebene geschnürt, Theo Waigel die Drei-Prozent-Verschuldungsgrenze in der EU eingeführt, Edmund Stoiber den ersten ausgeglichenen Haushalt durchgesetzt. Wir müssen alles tun, um den ausgeglichenen Haushalt zu erhalten. Das ist keine Schönwetteraufgabe.

SZ: Das sehen die FDP und auch viele in der CSU anders.

Weber: Gerade weil die FDP skrupellos neue Schulden machen will, ist es für uns eine große Chance, die CSU als Zukunftskraft zu profilieren. Hinter dem ausgeglichenen Haushalt steckt ja nicht Zahlenarithmetik, sondern die moralische Verantwortung für die nächste Generation. Der müssen wir einen funktionsfähigen Staat übergeben.

SZ: Dem Ministerpräsident scheint das kein Herzensanliegen zu sein.

Weber: Wir dürfen nicht in einen Politikstil zurückfallen, mit dem wir uns Ruhe im Land erkaufen wollen. Das funktioniert nicht. Ich habe bei manchen Ministern den Eindruck, dass sie sich ihrer Verantwortung nicht stellen. Es gibt genug Stellschrauben, um zu sparen und den ausgeglichenen Haushalt zu sichern. Die CSU muss die FDP notfalls zum Sparen zwingen.

SZ: Was erwarten Sie sich von Seehofer?

Weber: Der Ministerpräsident muss führen, deswegen hat er diesen Job. Ich vertraue auf ihn.

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