Süddeutsche Zeitung

CSU-Landesgruppe in Kreuth:Wo Horst haust

Die Zeit der Schmutzeleien ist vorerst vorbei und Horst Seehofer schnurrt. Es steht die Winterklausur der CSU-Landesgruppe in Kreuth bevor - und der Parteichef bastelt am Drehbuch. Es soll eine Demonstration der Harmonie werden, dabei hat der CSU-Chef seine Bundestagsabgeordneten längst entmachtet.

Von Robert Roßmann und Mike Szymanski

CSU-Chef Horst Seehofer hat über die Feiertage in den Schmusekatzen-Modus geschaltet. Er schnurrt: "Ich bin mit dem Auftreten der CSU in Berlin sehr zufrieden" - und verteilt Lob. An Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt schätze er "ihren ruhigen Stil", sagt der große Vorsitzende. Sogar die CSU-Bundesminister erhalten ein Kompliment. Sie würden den "Takt der Bundesregierung" bestimmen.

Wenn Seehofer derart freundlich über seine Berliner Parteifreunde redet, dann steht in der Regel die Winterklausur der Landesgruppe in Kreuth bevor - und der Parteichef bastelt am Drehbuch.

Die CSU-Bundestagsabgeordneten kommen von Montag an vor schöner Bergkulisse zusammen. Dann soll die Zeit der Schmutzeleien vorerst vorbei sein - und sich Harmonie im Tegernseer Tal breitmachen. Beim Treffen mit der Landesgruppe unter deren Chefin Gerda Hasselfeldt geht es immer vergleichsweise familiär zu. Die Bundestagsabgeordneten verstehen sich als verlängerter Arm der CSU in Berlin, nur zu melden haben sie unter Seehofer immer weniger. Das ist das Problem.

In der Enge des Tals geht es wenige Monate vor den Land- und Bundestagswahlen auch darum, den eigenen Frust zu unterdrücken. Um des lieben Friedens Willen. Auch das ist Kreuth: eine große und leicht abgenudelte Show.

Schwieriges Verhältnis

Seehofers Verhältnis zur Landesgruppe gilt als schwierig. Die Bundestagsabgeordneten fühlen sich von Seehofer oft links liegen gelassen. Im vergangenen Jahr ist er nur ein einziges Mal zu einem Treffen der Landesgruppe nach Berlin gekommen. Auch an der traditionellen Sommerreise der Bundestagsabgeordneten nahm er nicht teil. Dabei wäre das Programm angesichts der Schuldenkrise interessant gewesen.

Die Abgeordneten trafen bei ihrem Ausflug nach Lissabon die großen Drei Portugals: den Präsidenten, den Regierungschef und den Parlamentspräsidenten. Wenn Seehofer sich einschaltet, dann gerne von München aus und nicht selten weitgehend an seiner Landesgruppe vorbei. "Er tritt auf wie der Befehlshaber aus München. Die Politik macht er mit Merkel, am Telefon oder per SMS", sagt einer aus dem Parteivorstand.

Für die CSU ist die Macht in Bayern überlebensnotwendig - im Bund mitzuregieren ist dagegen eher eine schöne Dreingabe. Das lässt Seehofer seine Berliner Abgeordneten regelmäßig spüren. Im Bundestag sitzen 44 Christsoziale, im Landtag in München sind es trotz des Wahldesasters von 2008 noch immer 92. Das wichtigste Amt ist für die CSU der Ministerpräsident - und der wird von der Landtagsfraktion gewählt. Das erklärt die wahren Machtverhältnisse in der CSU.

Die Landesgruppe, früher immer ein recht aufmüpfiger Haufen, ist regelrecht zahm geworden. Das liegt vor allem an Gerda Hasselfeldt, die Seehofer 2011 an deren Spitze installiert hatte. Der Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg hatte die Regierung zu Personalrochaden gezwungen. Der Guttenberg-Vertraute und Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich wurde Innenminister. Und die als Bundestagsvizepräsidentin eher neben dem Politikbetrieb agierende Hasselfeldt wurde Landesgruppenchefin.

Auf Gerda Hasselfeldt lässt Seehofer wenig kommen. Sie steht ihm nicht im Weg. Sie beschwert sich auch nicht öffentlich. Bei der Praxisgebühr kämpfte sie auftragsgemäß bis zum Schluss für die Beibehaltung - bis Seehofer sie im Kuhhandel mit der FDP hergab.

"Seehofer kennt Hasselfeldt als nicht widerspenstig", sagt einer aus der Parteispitze, der sowohl die Abläufe in Berlin und München kennt. Für den Berliner Politikbetrieb ist sie trotzdem wichtig geworden. Hasselfeldt mache "Politik ohne Pulverdampf und Schneegestöber", sagt jemand aus dem Kanzleramt. Sie kittet, wo Seehofer Scherben hinterlässt, etwa in der Europa-Politik.

"Es liegt in der Natur der Sache, dass es in einer lebendigen Partei unterschiedliche Charaktere und manchmal unterschiedliche Auffassungen gibt", beschreibt Hasselfeldt das Verhältnis zum Parteichef. Die beiden kenn sich ja auch schon seit Jahrzehnten. Seehofer war Nachfolger Hasselfeldts als Bundesgesundheitsminister im Kabinett von Helmut Kohl.

Eine bequeme Lösung

Der CSU-Chef hat Hasselfeldt die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl übertragen. Das ist eine bequeme Lösung für ihn, auch weil ihm die Alternativen fehlen: Unter seinem Berliner Spitzenpersonal hat er kaum noch Unterstützer. Den Verkehrsminister Peter Ramsauer hatte Seehofer auf der CSU-Weihnachtsfeier als "Zar Peter" verhöhnt. Die beiden verbindet schon lange eine innige Feindschaft.

Bundesinnenminister Friedrich ist aus Seehofers Sicht ein viel zu großer Bedenkenträger, der oft nicht wisse, was er wolle: etwa bei der Festlegung des Bundestagswahltermins oder beim NPD-Verbot. Nach einer Vorstandssitzung sagte Seehofer, was das NPD-Verbot angehe, höre er statt auf Friedrich lieber auf den Rat seines bayerischen Innenministers, der wolle das Verbot. Friedrich hatte einst mit Guttenberg in Berlin ein Machtzentrum gegen Seehofer aufgebaut. Auch solche Manöver vergisst der CSU-Chef nicht.

Zu Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat Seehofer momentan ein intaktes Arbeitsverhältnis - aber das kann sich schnell wieder ändern. Aigner gibt auf Seehofers Wunsch hin ihre Berliner Laufbahn auf, um in die Landespolitik zurückzukehren. Seehofer braucht sie in Bayern nötiger als im Bund. Im Rennen um seine Nachfolge hat sie die beste Ausgangssituation. Seehofer weiß aus der Erfahrung mit Guttenberg, wie schnell Parteifreunden solche Aussichten zu Kopf steigen. Deshalb stößt er ihnen gerne vor den Kopf. Auch Ilse Aigner wisse, "dass man zuallererst durch Leistung überzeugen muss", ließ er ihr per Interview noch vor Kreuth mitteilen.

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SZ vom 04.01.2013/afis
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