Süddeutsche Zeitung

CSU-Landesgruppe:Dobrindt übernimmt wieder die Rolle des Scharfmachers

In Provokation hat er bereits Übung: Der CSU-Landesgruppenchef setzt zur Klausur in Kloster Seeon auf scharfe Töne. Auch, weil andere sich zurückhalten müssen.

Von Lisa Schnell, Seeon

Was für Schuhe hat sie diesmal an? Das war oft die spannendste Frage, wenn Gerda Hasselfeldt als Landesgruppen-Chefin die Winterklausur der CSU eröffnete. Scharfe Worte hörte man von ihr kaum. Die Schuhe aber versprachen - mal lila, mal gepunktet - einen gewissen Unterhaltungswert. Für die Schuhe ihres Nachfolgers Alexander Dobrindt dagegen interessieren sich nur Liebhaber. Sie haben zwei Lederschnallen und eine scharfe Spitze, geraten aber nur dann ins Blickfeld von Journalisten, wenn diese den nächsten markigen Dobrindt-Spruch in ihre Blöcke kritzeln.

Dobrindt eröffnet die Klausur der CSU in Kloster Seeon anders als seine Vorgängerin mit Schärfe und Provokation und gibt sich damit als der klassische Landesgruppenchef. Während Hasselfeldt als enge Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel galt, konnte Dobrindt selbst dann nicht mit Kritik an der Kanzlerin zurückhalten, als schon offiziell die Friedenspflicht in der Union ausgerufen war.

Zu Beginn der Klausur wiederholt er unermüdlich seine Mahnung an die SPD, nicht in der "sozialistischen Mottenkiste" zu wühlen. So oft, dass er wohl selbst das Bedürfnis nach Abwechslung verspürt und einmal als inhaltliche Variante die "sozialistische Klamottenkiste" anbietet. In einem manifestartigen Gastbeitrag in der Welt ruft er die "konservative Revolution" aus, will die Republik aus der "linken Meinungsvorherrschaft" befreien, es "deutschen Patrioten" endlich wieder ermöglichen, die Deutschlandfahne zu schwenken, ohne von den Jüngern der Achtundsechziger als das Böse an sich identifiziert zu werden. So schreibt er es in seinem Essay, fragt man ihn allerdings, wie genau links-grüne Ideologien zu einem schleichenden Freiheitsverlust geführt haben, weicht er aus.

Auch seine Aussage von der Revolution muss er relativieren. Er will sie nicht als Aufbruch und radikalen Wandel verstanden wissen wie er im ZDF sagt, sondern nur dem konservativen Wähler eine Stimme geben. Und so finden sich auf Twitter die einen, von denen Dobrindt wohl vermuten würde, dass sie Grün wählen und am Berliner Prenzlauer Berg wohnen. Sie freuen sich, wie der "politische Vollidiot" bei einer ZDF-Schalte "gegrillt" wurde. Und dann gibt es die anderen aus der rechten Ecke, die Dobrindts Vorstoß als Kampf gegen "den unmenschlichen, politischen Korrektheitsterror" feiern.

Jetzt, wo sich Markus Söder als designierter Ministerpräsident zurückhält und CSU-Chef Horst Seehofer in Berlin für gute Stimmung sorgen muss, übernimmt Dobrindt die Rolle des Scharfmachers in der CSU. Schon bei den Verhandlungen zu Jamaika gab er den "Grünen-Fresser", als der er schon vor Jahren berüchtigt war. Es ist eine Rolle, die er als Generalsekretär schon einmal hatte. Damals bezeichnete er den Grünen Volker Beck als "Vorsitzenden einer Pädophilen-AG" und Homosexuelle als "schrille Minderheit". Diesen Faden wieder aufzunehmen, scheint ihm nicht schwer zu fallen. Seinem Amt als Verkehrsminister, in dem er zuletzt wegen des Diesel-Skandals unter Beschuss stand, wird er wohl nicht nachweinen.

Einige in der Landesgruppe schrecken vor den scharfen Tönen zurück. Mit einem Rechtsruck verliere man liberale Wähler etwa in den Städten. Viele aber begrüßen auch den Generationenwechsel an der Spitze. Selten habe man so viele positive Zuschriften bekommen wie auf den Grundsatzaufsatz von Dobrindt. Ein CSU-Mitglied sagt: "Zu lange war die Landesgruppe ein Vorposten von Berlin in Bayern, jetzt ist es endlich wieder andersherum." Dobrindt schließe jetzt in Berlin die rechtskonservative Lücke, die sich dort aufgetan habe.

Bis jetzt war sein Aufstieg in der Partei stark mit seinem Förderer und Mentor Horst Seehofer verbunden, der ihn 2009 zum Generalsekretär machte. Jetzt hat Seehofer nach der Machtteilung in der CSU Einfluss eingebüßt. Dobrindt muss sich aus seinem Schatten lösen. Er versuchte es als Revolutionär der Konservativen. Ein rundum geglückter Auftritt war es noch nicht, eine Debatte aber hat er angestoßen. Damit ist man in der CSU zufrieden.

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