Von einem „Knallhart-Plan“ für die Migration spricht Alexander Dobrindt, der CSU-Spitzenkandidat – und nichts anderes ist das, was der Vorstand seiner Partei am Montag als „Bayern-Agenda“ für die Bundestagswahl beschlossen hat. Es ist ja nicht unüblich, dass die Partei von Ministerpräsident Markus Söder in Wahlkämpfen eins drauf setzt auf die Linie der gesamten Union – für Fragen, die den Freistaat besonders betreffen, für CSU-Kernthemen, die man im gemeinsamen Wahlprogramm der Union nicht verankern konnte. Tatsächlich gehen die CSU-Forderungen zur Zuwanderung nun teils deutlich über das bundesweite Programm hinaus. Der Ton ist allemal schärfer.
In dem Text, 15 Seiten, wird das so begründet: Deutschland sei durch „die unkontrollierte Zuwanderung überfordert“ – nicht nur mit Blick auf Schulen oder Wohnraum, sondern auch kulturell und bei der Kriminalität. „In vielen deutschen Städten fühlen sich die Menschen teilweise nicht mehr zu Hause und sorgen sich um ihre Sicherheit.“ Und: „Die Wahrheit ist: Es ist uns über den Kopf gewachsen, der Zuzug ist zu viel und nicht mehr stemmbar.“
Beispiel Asylrecht: Während das Programm der Union vor allem auf eine europäische Lösung abzielt, etwa Verfahren in sicheren Drittstaaten, will die CSU den individuellen Klage-Anspruch auf Asyl streichen. Der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte sowie alle freiwilligen Aufnahmeprogramme, etwa aus Afghanistan, müssten weg. Ohnehin soll der subsidiäre Schutzstatus „abgeschafft“ werden. Die CSU fordert einen „faktischen Einreisestopp von illegalen Migranten“ durch Grenzkontrollen und konsequente Zurückweisungen; die Möglichkeiten der Polizei müssten dazu rechtlich und technisch gestärkt werden.
Mehr Abschiebungen soll es geben – mit „null Toleranz gegenüber Straftätern und Gefährdern“, schon nach der ersten Straftat solle die Rückführung erfolgen. Und: Bei Kriminellen, die eine Freiheitsstrafe verbüßen, müsse die Abschiebung aus der Haft heraus erfolgen. Wer nicht sofort abgeschoben werden kann, solle in „unbefristete Abschiebehaft“ genommen werden. Das würde wohl allein schon deutlich mehr Haftanstalten erfordern. Für Syrer brauche es einen „klaren Fahrplan“: Straftäter sofort abschieben, freiwillige Rückkehr unterstützen, Maßnahmen für Rückkehr-Verweigerer vorbereiten; auf der anderen Seite „Bleibeperspektiven“ für Syrer schaffen, die ihren Lebensunterhalt dauerhaft selbst verdienen. Für Ausreisepflichtige solle der Grundsatz „Bett, Brot und Seife“ bei Sozialleistungen gelten. Wie das mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für ein menschenwürdiges Existenzminimum in Einklang zu bringen ist, ist fraglich. Neu ankommende ukrainische Kriegsflüchtlinge sollen kein Bürgergeld mehr erhalten, sondern Leistungen wie Asylbewerber.
Das von der Ampel reformierte Staatsbürgerrecht soll wieder geändert werden. Der deutsche Pass solle regulär erst nach acht Jahren und nur bei gelungener Integration, Straffreiheit und selbständig gesichertem Lebensunterhalt vergeben werden. Bei Menschen, die antisemitische Straftaten begehen oder ein Kalifat in Deutschland fordern, soll bei einem Doppelpass die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden.
Das Heizungsgesetz der Ampel soll abgeschafft werden
CSU-Generalsekretär Martin Huber reklamierte für CDU und CSU „volle Glaubwürdigkeit, wir schaffen die Migrationswende“. Was die CSU in ihrem Knallhart-Kurs antreiben dürfte: die AfD. Söder hatte den Zulauf für die Rechtsaußen-Partei kürzlich bei der CSU-Landtagsklausur im Kloster Banz damit erklärt, dass die Politik von 2015 und Folgejahren ein Grund sei, wieso viele Menschen der Union bei dem Thema „eine gewisse Skepsis“ entgegenbrächten – ob sie es ernst meine mit einer Begrenzung der Zuwanderung. Dobrindt sagte am Montag, ein Richtungswechsel eben auch bei der Migration sei zwingend notwendig, um „die Systemgegner zu stoppen“. Damit meinte er die AfD, die Deutschland aus der Freiheit des Westens herauslösen und „in die Unfreiheit Putins“ führen wolle. „Wer diesen Weg gehen will, der hat mit Patriotismus überhaupt nichts am Hut, sondern der begeht Vaterlandsverrat.“
Tatsächlich hatte die AfD in Bayern jüngst erst geprahlt, dass die CSU bei der Migration nur „rechts blinken“ würde. Es drohten in einer neuen Regierung zudem „faule Kompromisse“. Mit der These dürfte die AfD im Freistaat bis zum 23. Februar die CSU weiter unter Druck setzen. Die Grünen warnen derweil davor, dass die CSU „Parolen und Zerrbilder der extremen Rechten“ übernehme und damit „die Fundamente des Rechtsstaates in Deutschland und Europa zersetzt“. So formulierte es am Montag nach Lektüre der Agenda Gülseren Demirel, Sprecherin für Integration der Fraktion im Landtag. „Die CSU will – im Gegensatz zur CDU – sogar das individuell einklagbare Recht auf Asyl abschaffen. Dabei sind es doch gerade die individuellen Gründe, die durch das Recht auf Asyl geschützt werden müssen. Asyl funktioniert nicht mit der Gießkanne.“
In der Wirtschaft wünscht die CSU „einen neuen Aufschwung für mehr Wettbewerbsfähigkeit mit niedrigeren Steuern und weniger Bürokratie für unsere Unternehmen“. Besonders im Blick ist die Automobilindustrie. Das Bürgergeld solle einer neuen Grundsicherung weichen, die „streng dem Prinzip von Fördern und Fordern folgt“. Die Besteuerung von Agrardiesel – Auslöser der großen Bauernproteste Anfang 2024 – soll wieder völlig auf den früheren Stand zurück. Die Pendlerpauschale soll nach dem Willen der CSU schon vom ersten Kilometer an bei 38 Cent liegen. Das Unionsprogramm führt nur das Vorhaben auf, keine Summe.
Das Heizungsgesetz der Ampel soll abgeschafft werden, ein Ende des „Hinein-Regierens in den Heizungskeller“, heißt es. Energetische Sanierung könne aber gut stattfinden, wenn eine Immobilie auf die nächste Generation übergeht, erklärte Dobrindt. Dann solle man die Kosten zu 100 Prozent von der Erbschaftssteuer abziehen dürfen. Dies sei „gelebter Klimaschutz mit den Bürgern, und nicht gegen die Bürger“. Ohnehin Erben: Die CSU will die Erbschaftsteuer regionalisieren, Freibeträge erhöhen. Durch die hohen Immobilienpreise in Bayern würden hiesige Bürger benachteiligt.
Klassiker der CSU im Programm sind der Länderfinanzausgleich und die Mütter-Rente. Die Bund-Länder-Finanzen müssten „grundlegend auf neue Füße gestellt werden“. Söder hatte zuletzt von Bayern als „Melkkuh der Nation“ gesprochen. Im Unions-Programm konnte Söder das nicht durchboxen – dem Vernehmen nach wegen des Einspruchs anderer CDU-Ministerpräsidenten. Bei der Mütter-Rente geht es um Rentenpunkte für auch vor 1992 geborene Kinder. Wer dagegen ist, „zeigt, dass er kein Herz hat“, sagte Söder bereits vergangene Woche im Kloster Banz. Die vier Milliarden Euro im Jahr, die das Projekt koste, seien wenig im Vergleich zur Migration mit 50 Milliarden Euro. Es dürfe nicht sein, dass das Land für „unsere Mütter“ weniger übrig habe als „für Menschen, die noch nie im Land waren“.