Im Sommer hat Klaus Holetschek seine Leute zum Laufen geschickt. Die Zielmarke: 360 Kilometer, alle CSU-Abgeordneten zusammengerechnet, also gut vier Kilometer für jeden und jede der 85 Männer und Frauen. Die Aktion sollte die Menschen in Bayern zum Sport motivieren, aber es kann schon sein, dass Holetschek seiner Fraktion auch ein bisschen Beine machen wollte. Vor bald einem Jahr ist Holetschek ja als neuer CSU-Fraktionschef angetreten, um den Arbeitspuls seiner Leute wieder etwas in die Höhe zu treiben.
Die gute Nachricht: Die 360-Kilometer-Marke hat die CSU-Fraktion nach eigenen Angaben übertroffen. Die nicht so gute: Eher wenige haben das mitbekommen, trotz umfassender Social-Media-Kampagne. Die Zahl der Instagram-Likes bewegte sich konstant im zweistelligen bis niedrigen dreistelligen Bereich. Das jüngste Schaschlik-mit-Pommes-Foto des Parteichefs Markus Söder, das die Menschen in Bayern eher nicht zum Sport motiviert, kam auf fast 21 000 Likes. Womit das Aufmerksamkeitsdefizit der CSU-Landtagsfraktion gut beschrieben ist.
In der kommenden Woche startet die Fraktion einen neuen Versuch, dieses Defizit loszuwerden. Laufen muss diesmal niemand, in Bad Staffelstein kehren die CSU-Abgeordneten zurück aus der Sommerpause und zurück in ihre gewohnte Sitzhaltung. Am Montag beginnt die viertägige Herbstklausur der Fraktion im früheren Kloster Banz. Doch das größte Interesse wird auch diesmal dem Aufmerksamkeitsmagneten Söder gehören, wahrscheinlich noch mehr als sonst.
Das hat, natürlich, mit der sich zuspitzenden K-Frage zu tun. Das Jahr ist im Spätsommer angekommen und im Spätsommer wollten CSU-Chef Söder und CDU-Chef Friedrich Merz gemeinsam entscheiden, wer die Union als Kanzlerkandidat in den Bundestagswahlkampf 2025 führt. Nach den Ostwahlen, hieß es immer, und die letzte dieser drei Wahlen findet am 22. September in Brandenburg statt. Dass Fraktionschef Holetschek die CDU-Spitzenkandidaten Michael Kretschmer (Sachsen) und Mario Voigt (Thüringen) für Dienstag nach Banz geladen hat, dürfte seiner Klausur noch mehr Interesse über Bayern hinaus bescheren. Die Frage ist, wie viel Interesse dann übrig bleibt für die Botschaften der CSU-Landtagsfraktion.
Zumal am darauffolgenden Mittwoch die Grundsatzrede von Ministerpräsident Söder auf dem Klausurprogramm steht. Traditionell nutzt er die Fraktionsbühne recht raumfüllend, um seine neuesten Ideen vorzustellen. Bei der Klausur 2018 war es ein milliardenschwerer Zehn-Punkte-Plan für Bayern, im Herbst 2019 seine Hightech-Offensive, auch so ein Milliardenprojekt. Zuletzt, 2023, teaserte Söder seine Entbürokratisierungspläne an. Und diesmal?
So ganz genau weiß das niemand. Mit seiner Grundsatzrede stellt Söder für gewöhnlich selbst die CSU-Fraktion vor vollendete Tatsachen. Auch das erzählt etwas über die Machtverhältnisse in der CSU, die Söder ungeniert „Mitmachpartei“ nennt. In der Fraktion verweist man nicht ganz zu Unrecht darauf, dass die Impulse für Söders Ideen ganz wesentlich aus den Reihen der Abgeordneten kämen, zum Beispiel die Sache mit der Entbürokratisierung. Bislang zahlen diese Impulse aber vor allem auf Söders Aufmerksamkeitskonto ein.
In CSU-Kreisen rechnet man damit, dass der Ministerpräsident die Klausur diesmal nutzen wird, um das soziale Profil der CSU zu schärfen. Nachholbedarf besteht dort etwa bei der Ganztagsbetreuung und vor allem bei der Krankenhausplanung. Noch immer fehlt es in Bayern ja an einem Konzept, wie die Kliniklandschaft in Zukunft aussehen soll – und immer mehr Häuser sind in Finanznot. Allerdings: Die Kosten der Söder-Pläne müssten sich diesmal in Grenzen halten, darüber ist man sich in der CSU-Fraktion einig. In Krisenzeiten sitzt auch in Bayern das Geld nicht mehr locker.
Um Pflege, Start-ups und den politischen Islam soll es gehen
Die Fraktion selbst legt ihren sozialen Klausurschwerpunkt auf die Pflege – ein Herzensthema von Klaus Holetschek, dem früheren Gesundheitsminister. Über die „Zukunft der Pflege“ werden die Abgeordneten am Donnerstag unter anderem mit Verena Bentele sprechen, Präsidentin des Sozialverbandes VdK. Außerdem wird es um Außenpolitik gehen. Neben dem ukrainischen Botschafter Oleksii Makeiev und Israels Botschafter Ron Prosor wird der neue US-Generalkonsul James Miller bei der CSU-Fraktionsklausur zu Gast sein.
Einen Akzent möchte die CSU-Fraktion bei der Förderung von Unternehmensgründungen setzen. Eine Resolution, deren Entwurf der SZ vorliegt, klagt darüber, dass immer mehr Start-ups abwanderten, „weil sie anderswo ein vielversprechenderes Umfeld finden“. Dafür verantwortlich macht die CSU natürlich die Bundesregierung, der sie einen „wirtschaftspolitischen Irrweg“ bescheinigt. Wer möchte, kann diesen Vorwurf aber auch auf den bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) münzen. Mit Blick auf zwei Flugtaxi-Start-ups hatte die CSU zuletzt kritisiert, dass Aiwanger nicht genug dafür getan habe, diese Unternehmen in Bayern zu halten beziehungsweise nach Bayern zu locken. FW-Fraktionschef Florian Streibl spricht von „Schmutzeleien“ seitens der CSU.
In ihrer Resolution bündelt die CSU nun Vorschläge, um Forschung und Start-ups noch besser zu vernetzen, das Gründertum auf dem Land stärker zu fördern und Frauen bei Unternehmensgründungen mehr zu unterstützen. Darüber hinaus möchte die Fraktion bürokratische Hürden für Start-ups abbauen und unternehmerisches Denken in Lehrplänen von Schulen und Hochschulen verankern.
Und dann ist da noch das derzeit alles dominierende Thema Migration. Im Gespräch mit Susanne Schröter, Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam, möchte sich die CSU-Fraktion über den politischen Islam informieren. Schröter hat außerdem ein Buch geschrieben mit dem Titel: „Der neue Kulturkampf. Wie eine woke Linke Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft bedroht.“ Nach dem Gespräch wird sich die CSU vermutlich schwer bestätigt fühlen.