CSU: Karl-Theodor zu Guttenberg:Reden wie Guttenberg

Bei Wahlveranstaltungen jubeln sie Karl-Theodor zu Guttenberg zu: Acht Regeln, um die Herzen der Massen zu ergreifen - und in aller Demut wenig zu sagen.

Kassian Stroh

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Sie sitzen im heißen Bierzelt und warten - auf ihn. Sie stehen auf, als er kommt, um nichts von dem zu verpassen, was er tut: nicht, wie er geht, nicht, wie er lächelt, nicht, wie er spricht!

Karl-Theodor zu Guttenberg hat in diesem Sommer einen Feldzug durch die Bierzelte Bayerns angetreten und erobert die Herzen der Zuhörer. Wie er das schafft?

Die SZ hat den Bundeswirtschaftsminister begleitet und herausgefunden: Guttenberg hält sich an acht goldene Regeln.

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Erstens: Geben Sie sich als Bayer!

"Ich freue mich, wieder festen bayerischen (wahlweise: niederbayerischen, oberbayerischen, etc.) Boden unter den Füßen zu haben." So beginnt Guttenberg jede Rede und schimpft dann gerne auf Berlin. Ein gemeinsamer Feind im Äußeren stärkt den Zusammenhalt im Inneren, zumindest im Inneren des Bierzelts. Im Gegensatz zu Bayern sei die Hauptstadt Berlin auf märkischen Sand gebaut, sagt Guttenberg dann gerne, es sei wohl "märkischer Treibsand".

Oder er verdammt den "Berliner Zirkus", die "Berliner Schnittchen", wogegen sich Schnaps und Brotzeit hierzulande wohltuend abhöben.

Freilich lässt Guttenberg seine Zugehörigkeit zum Politikbetrieb ebenso unerwähnt wie die Tatsache, dass er längst seinen Lebensmittelpunkt nach Berlin verlagert hat. Ungemein volksnah kommt zudem, dass er sich beim Ordern eines "gscheiten Bieres", beim Wort "Wurschtsolod" oder bei der SPD ("auf die Pratzn haun") um Dialekt bemüht. So geschliffen seine ansonsten hochdeutsche Rede ist, so oft und gerne flucht Guttenberg: "Verdammt noch mal!" Oder: "Herrgottnochmal!"

Im Zelt heißt es bewundernd: "Er kommt schon nah ran an den Franz Josef Strauß."

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Zweitens: Seien Sie die Stimme des einfachen Mannes!

Die einleitende Begrüßung nutzt Guttenberg, um die örtlichen Honoratioren mit mildem Spott zu überziehen. Sei es der lokale Bundestagsabgeordnete, dessen rauchiger, "sexy" Stimme man montags in Berlin das hinter ihm liegende Festwochenende anhöre. Sei es der Landrat, den der adlige Guttenberg als einen der "letzten Feudalherren dieser Erde" bezeichnet.

Oder sei es der gastgebende Sportvereinsvorsitzende, dem er ob seiner abenteuerlichen Kombination aus rotem Sakko und roter Krawatte echten Wagemut attestiert.

Großes Gelächter ist dem Redner hier sicher.

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Drittens: Spielen Sie den Anti-Politiker!

Niemals darf zu Beginn einer Guttenberg-Rede der Satz fehlen, natürlich könne er jetzt auch ein 50- oder 60-seitiges Manuskript verlesen, das ihm in seinem Ministerium zusammengeschrieben worden sei - das aber wolle er nicht. "Mir kommt's darauf an, mein Herz sprechen zu lassen."

Das Herz! Stets großer Beifall im Zelt. Nachfolgend hält Guttenberg seine Standardrede voller Allgemeinplätze, die er längst auswendig kann.

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Viertens: Geben Sie sich demütig!

Mag die Junge Union im Saal auch Aufkleber mit Guttenbergs Konterfei verteilen, den sich jüngere wie ältere Damen auf die Bluse kleben - der Star versucht, den Kult zu ignorieren: "Es ist wichtig, Bodenhaftung zu bewahren, und ein gerüttelt Maß an Demut gegenüber dem Amt", ist einer jener stets wiederkehrenden Sätze. Jegliche Ambitionen politischer Natur verneint er: Er denke über den 27. September, den Tag der Bundestagswahl, nicht hinaus. Schließlich könne da die "Wucht der Willkür voll zuschlagen".

Dass das komisch klingen mag aus dem Munde eines jungen Aufsteigers, sagt Guttenberg selbst - was zur Folge hat, dass es niemandem im Saal mehr komisch vorkommt.

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Fünftens: Sprechen Sie in Bildern!

Manche Bilder und Wortspiele sind so schön, dass sie Guttenberg in jeder Rede unterbringt. Die vier besten: SPD-Altkanzler Schröder ist der "Gazprom-Diplomat". Zur Krise sagt Guttenberg: "Wenn man weiß, dass einem das Wasser bis zum Halse steht, ist es außerordentlich unklug, den Kopf hängen zu lassen."

Diesbezüglich fällt auch immer der Satz: "Kassandra kann sich derzeit ihrer Liebhaber kaum erwehren; aber wer mit Kassandra abends ins Bett geht, der muss sich nicht wundern, wenn ihm am nächsten Tag Mundgeruch entgegenschlägt." (Hier hat eine gewisse Wandlung des Motivs stattgefunden, im Mai/Juni geißelte Guttenberg noch den ,,geröchelten Wettbewerb der Kassandra-Rufe''.)

Schließlich erwähnt Guttenberg, um die Dimension der staatlichen Hilfsprogramme zu verdeutlichen, wie ihm ein Banker ins Ohr geflüstert habe: "Guttenberg, die Milliarde ist volksnah geworden."

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Sechstens: Preisen Sie die Verdienste der Alten!

Dankbarkeit für die wirtschaftlichen Aufbauleistungen nach dem Krieg zu zeigen, "da bricht einem Jüngeren auch kein Zacken aus der manchmal wohlpolierten Krone", sagt der 37-Jährige. Das kommt gut an im Bierzelt, wo - abgesehen von den Jung-Unionisten in ihren schwarzen "Team Deutschland"-Shirts - fast alle älter sind als der Wirtschaftsminister.

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Siebtens: Demonstrieren Sie jugendliche Dynamik!

Wann immer Guttenberg eine Bühne betritt, erspringt sie, zwei Stufen auf einmal nehmend. Da das nicht dem gängigen Verhaltensmuster ehrwürdiger Staatsrepräsentanten entspricht, entlockt schon allein das dem Publikum manch "Oh!" und "Eahm schaug o!"

Noch größer ist die Bewunderung, wenn Guttenberg wie im Mai in Zolling beim Hinausgehen auf eine Bierbank springt und auf dieser entlangläuft. Das macht optisch umso mehr Eindruck, da hinter dem Minister natürlich - pflichtbewusst, wie sie sind - mindestens drei Personenschützer des Bundeskriminalamts auf die Bierbank springen. Szenenapplaus.

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Achtens: Halten Sie eine Verteidigungsrede!

Es müsse in der Politik doch möglich sein, eine eigene Meinung zu haben. Er wolle sich das Maul nicht verbieten lassen. Man müsse doch seine Überzeugung vertreten und dabei auch bleiben, dürfe sich das Rückgrat nicht verbiegen lassen. Sich gegen derlei imaginäre Vorwürfe zu verteidigen, ist das Leitmotiv jeder Rede Guttenbergs. Es spricht einer der beliebtesten Politiker des Landes, doch es klingt wie die Verteidigungsrede eines Angeklagten.

Ein Kunstgriff: So kann sich der Minister in Demut üben und sich dennoch selber loben. Und am Schluss jubeln sie ihm alle zu.

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