Süddeutsche Zeitung

CSU-Kandidat mit rechtsextremer Vergangenheit:"Es gibt nichts schönzureden"

Der fränkische CSU-Landtagskandidat Jürgen Baumgärtner hat eine heikle Vergangenheit: Als Jugendlicher war er Rechtsextremist. Im Interview erzählt er, was ihn an der Szene faszinierte, warum er Spaß am Provozieren hatte - und wie er den Ausstieg geschafft hat.

Von Olaf Przybilla

Jürgen Baumgärtner, CSU-Kreisvorsitzender im Stimmkreis Kronach/Lichtenfels, kandidiert für den Landtag. Der 40-Jährige hat eine heikle Vergangenheit: Als Jugendlicher war er Rechtsextremist.

SZ: Sie waren vor 25 Jahren rechtsextrem, wie erklären Sie sich das?

Baumgärtner: Ich stamme aus einem SPD-nahen Elternhaus, gut behütet. Als 15-Jähriger habe ich alles abgelehnt, was etabliert war, das System, alles. Als ich von der Hauptschule in die Stadt wechselte, nach Kronach, habe ich einen neuen Freundeskreis kennengelernt: Rechtsextremisten.

Gab es eine starke rechtsextreme Szene in Kronach damals, kurz vor der Wende?

Eine sehr starke, übrigens auch ein starke linksextremistische. Man hatte als Jugendlicher den Eindruck: Du musst dich für eine Clique entscheiden. Die reiferen Köpfe unter den Rechtsextremen waren für mich damals Leader, die auf mich offenbar den Eindruck gemacht haben: Die machen was.

War das der einzige Reiz?

Nein. Diese Clique, die war ja nicht 24 Stunden lang rechtsextrem. Wir gingen auf Feste, haben Fußball gespielt, Musik gehört. Der politische Teil war nur eine Facette.

Den gesellschaftlichen Widerstand, dem Sie sich sicher ausgesetzt gesehen haben damals: Haben Sie den genossen?

Spannende Frage. Das ist 25 Jahre her. Ich habe es wohl genossen. Nein: ganz sicher.

Haben Sie genossen zu provozieren?

Das habe ich unwahrscheinlich genossen. Mein Lehrer war CSU-Fraktionschef im Kreistag: War für mich ein Ansporn, ihn bis zum Anschlag zu provozieren. Er hat es mit sich machen lassen. Eine Lehrerin, die bei den Grünen war, hat das besser gemacht, viel cooler. Die eher linken Lehrer hatten ein Händchen für schwierige Jugendliche.

Beschreiben Sie sich: Waren Sie klassischer Neonazi? Wie sah Ihr Zimmer aus?

Im Zimmer sah man nichts, das war keine klassische Neonazihöhle. Glatze hatte ich keine, trug auch keine Hakenkreuze. Abzeichen der Wiking-Jugend, das schon.

Ihre Eltern wussten Bescheid?

Ja, als die Polizei ins Haus kam und gesagt hat: Das ist doch kein Umgang. Vorbestraft bin ich übrigens nicht. Meine Eltern haben gesagt: Junge, was machst du denn? Es hat mir so leid getan, meine Eltern leiden zu sehen. Hört sich alles widersprüchlich an, ich weiß. Ich war aber widersprüchlich.

Sie sind auch in Wunsiedel marschiert.

Wir sind zu den sogenannten Heß-Gedenkmärschen mit der ganzen Mannschaft hingefahren. Man erlebt das nicht als Individuum. Man erlebt das als Teil der Gruppe.

Waren Sie später nochmals dort?

Nein, ich wollte das nicht, auch wenn das natürlich Teil meines Lebens ist, leider. Ich habe aber mehrfach für meine alte Lehrerin Vorträge gehalten über meine Zeit als Neonazi. Es gibt nichts schönzureden.

Sie waren in der "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene". Die ist extrem rechtsextrem.

Schlimmer geht es kaum, richtig. Es hieß damals: Wer sich als Rechter nicht organisiert, darf in der Gruppe nicht mehr mitmachen. So wird man unter Druck gesetzt.

Wie kam es zum Ausstieg aus der Szene?

Ich hatte eine Freundin, die sagte: Ich will nicht mit Idioten weg. Es war eine schleichende Entwicklung in die Szene und genauso wieder heraus. Mit 18 bin ich in die katholische Jugend, wurde im Dorf Vorsitzender. Da können Sie kein Neonazi sein. Als die Junge Union mit 20 angefragt hat, hab' ich gesagt: Ihr müsst da was wissen.

Das ging wohl nicht anders.

Doch das ginge schon. Ich beschönige gar nichts, aber eines ist auch klar: Es gibt viele heute sehr angesehene Leute, die waren in so einer Clique. Von denen weiß das keiner. Ich finde das gut so, aber in der Politik geht das eben nicht. Meine Vergangenheit wurde erstmals richtig zum Thema, als ich 2001 für den Bundestag kandidierte. Damals ist es über mich hereingebrochen. Lanciert haben das Parteifreunde. Eine Erfahrung fürs Leben, tut heute noch weh.

Sollte die NPD verboten werden?

Natürlich. So eine Partei darf man nicht mit Staatsgeld finanzieren. Das Geld könnte man viel besser in Projekte gegen Rechtsextremismus investieren.

Haben Sie mit Horst Seehofer über Ihre Vergangenheit gesprochen?

Nein, ich bin ein kleines Licht in der CSU. Sollte ich in den Landtag kommen, werde ich das tun. Ich würde ihm dasselbe sagen wie Ihnen. Aber erstmal muss ich das schaffen: Ich biete eine Angriffsfläche, die ist so breit wie von Kronach nach München.

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SZ vom 12.09.2013/infu
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