CSU in der Kritik:Comeback der bayerischen Selbstgerechtigkeit

CSU in der Kritik: Georg Schmid beugte sich dem Druck von Horst Seehofer und der CSU und trat als Fraktionsvorsitzender zurück.

Georg Schmid beugte sich dem Druck von Horst Seehofer und der CSU und trat als Fraktionsvorsitzender zurück.

(Foto: Imago Stock&People)

Der Rücktritt von Georg Schmid ist der vorläufige Höhepunkt: Wenige Monate vor der Wahl kämpft die CSU an vielen Fronten. Zu wenige Steuerprüfer, ein Fraktionschef, der seine Frau mit öffentlichen Geldern üppig bezahlt, zwei Minister, die sich einen Orden zuschanzen wollen. Die Partei fühlt sich so sicher, dass das Gespür dafür, was politisch und moralisch in Ordnung ist, schwindet.

Eine Analyse von Sebastian Gierke

Das alte Bayern, das Franz-Josef-Strauß-Bayern, das Bayern der Amigos und der Spezlwirtschaft, in dem ein Fall wie der von Uli Hoeneß mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht in die Öffentlichkeit gelangt wäre - dieses Bayern feiert gerade ein Comeback. Ein Comeback im Kleinen, zugegeben, so wie früher, so wird's nie wieder werden. Dafür kommt es aber für die CSU zu einem ziemlich ungünstigen Zeitpunkt.

Gut vier Monate vor der Wahl wird in Bayern über den CSU-nahen Steuersünder Uli Hoeneß und die Debatte über Anstellungsverträge für Angehörige von Abgeordneten diskutiert. Selbstüberschätzung und Überheblichkeit, Doppelmoral und offensichtliches Scheitern an den eigenen Ansprüchen: Für Viele sind das Symptome, die sie einer Krankheit zuschreiben. Einer Krankheit, an der vor allem die Großkopferten in Bayern leiden, die Eliten. Allerdings ohne, dass sie das selbst bemerken - bis es zu spät ist.

Hohe moralische Überlegenheit, die in Bayern oft mit Selbstbewusstsein verwechselt wird, und die viele glauben, qua Amt oder Funktion erworben zu haben, verstellt ihnen den Blick auf die Realität. Wie anders kann man erklären, dass die CSU-Fraktion im Landtag versucht, das auch in der Öffentlichkeit so kontrovers und heftig diskutierte Thema der Familienhilfen für Verwandte von Abgeordneten einfach abzuräumen? Diese Selbstgerechtigkeit ist eine Krankheit, die Fraktionschef Schmid jetzt seinen Job gekostet hat.

Im Landtag haben 17 CSU-Abgeordnete seit Jahren zum Beispiel Gattinen und Kinder beschäftigt und mit Steuergeld bezahlt. Das war legal. Wie mit dem Thema umgegangen wurde, war aber sowohl politisch als auch moralisch äußerst fragwürdig.

Einen Tag vor Schmids Rücktritt haben sie es sogar im Eilverfahren versucht. Kurz vor der gestrigen Plenarsitzung brachte die CSU-Fraktion einen Änderungsantrag zum Bildungsfinanzierungs-Gesetz ein, der zur Folge gehabt hätte, dass mit diesem Gesetz neue, strengere Beschäftigungsregeln gleich mit verabschiedet worden wären. Ohne parlamentarische Debatte.

So schnell wie möglich weg mit dem Thema? Ein solcher Plan kann in der aktuellen Situation gar nicht aufgehen. Und tatsächlich kam es, wie es kommen musste: Tumult im Plenum, gegenseitige Anwürfe. Nach einer Sondersitzung des Ältestenrates war die Blamage für die CSU dann nicht mehr abzuwenden. Unter großem Druck legt die Fraktion eine Kehrtwende hin, Horst Seehofer schäumte: "So kann man das nicht machen."

Tumult im Plenum, gegenseitige Anwürfe

Kaum etwas kann der CSU-Chef so wenig leiden, wie schlechtes Krisenmanagement. Fraktionschef Georg Schmid hat das jetzt zu spüren bekommen. Er hat dem Druck nach- und sein Amt aufgegeben. Finanzminister Markus Söder hatte sich zuvor schon als Nachfolger in Stellung gebracht, hielt in einer Krisensitzung der Fraktion offenbar so etwas wie eine Bewerbungsrede.

Darin hat er, so berichten Teilnehmer, alle Probleme, mit denen sich die CSU in diesen Tagen konfrontiert sieht, thematisiert und analysiert. Auch um den Vorwurf, Bayern beschäftige zu wenig Steuerprüfer ist es wohl gegangen. Noch so ein Thema, mit dem sich die CSU rumschlagen muss. Noch so ein Thema, das ihr den Vorwurf einbringt, bei den Eliten nicht immer so ganz genau hinzuschauen. SPD-Chef Sigmar Gabriel donnerte bereits, die laxe Steuerpraxis sei eine bayerische Form der Wirtschaftsförderung.

Tatsächlich hatte bereits im vorigen Jahr der Oberste Bayerische Rechnungshof bemängelt, dass es in Bayern zu wenig Steuerprüfer gebe, es werde "an der falschen Stelle gespart". Gerhard Wipijewski von der Bayerischen Finanzgewerkschaft sagte im Tagesspiegel, dass von den 17.000 bewilligten Stellen in Bayern gegenwärtig nur 15.000 besetzt seien. 20.000 seien notwendig. Ignorieren geht da nicht mehr. Söder musste ankündigen, 200 Stellen neu zu besetzen und 600 Anwärter einzustellen.

Und die Anzeichen verdichten sich, dass auch Horst Seehofer glaubt, die aktuellen Diskussionen könnten ihm gefährlich werden. Die CSU agiert kaum noch, sie reagiert. Wenn sich in der Öffentlichkeit der Eindruck verfestigt, dass das Gespür dafür, was politisch und moralisch in Ordnung ist, immer weiter schwindet, dann könnte das die CSU im September entscheidende Prozentpunkte kosten.

Seehofer unterbindet Ordens-Verleihung

Dass die Partei nervös ist und immer nervöser wird zeigt auch folgende Episode: Markus Söder und Kultusminister Ludwig Spaenle sollten offenbar das "Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik" erhalten. Laut Münchner Merkur haben sich die beiden CSU-Minister, die gut miteinander befreundet sind, gegenseitig für den Orden vorgeschlagen. Doch der Regierungschef höchstpersönlich intervenierte und unterband die Verleihung. Zwei Kabinettsmitglieder, die sich gegenseitig einen Orden zuschanzen? Das hätte dem gerade entstehenden Bild der Abkassierer- und Eliten-CSU tatsächlich noch eine neue Facette verpasst.

Die CSU regiert seit 1957 in Bayern. Trotz vieler Skandale. Das Selbstbewusstsein ist in den vergangenen Monaten gestiegen. Manche glauben sogar schon wieder, unverwundbar zu sein, Horst Seehofer hat in letzter Zeit vermehrt an Übervater Franz Josef Strauß erinnert. Die Partei fühlt sich sicher. Zu sicher? Die Vergangenheit zeigt: Wenn es der CSU zu gut geht, besteht die Gefahr, dass sie sich vor lauter Übermut und Größenwahn selbst zerlegt. Bajuwarisch-politisches Selbstbewusstsein verwandelt sich dann schnell in Selbstgerechtigkeit.

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