Süddeutsche Zeitung

CSU:Guttenberg startet Wahlkampftour - und bekommt mehr Aufmerksamkeit als Merkel

  • Der erste Wahlkampfauftritt von Karl-Theodor zu Guttenberg für die CSU erhält mehr Aufmerksamkeit als einer von Kanzlerin Merkel und Spitzenkandidat Herrmann.
  • Jahre nach der Plagiatsaffäre steht eine Rückkehr des Ex-Ministers in die Politik im Raum, Guttenberg selbst hat das bislang abgelehnt.

Von Wolfgang Wittl

So hat man sich das vorzustellen, wenn jemand wie die Kanzlerin zu Besuch kommt. Alle großen Fernsehsender werden am Mittwoch Kamerateams nach Franken entsenden, alle wichtigen Zeitungen und Magazine schicken Reporter, sogar aus dem Ausland haben sich Berichterstatter angemeldet. Mehr als fünf Dutzend Journalisten sind akkreditiert. In der CSU-Zentrale schwärmen sie schon von "Aschermittwoch-Dimensionen"; "gigantisch" sei die Rückmeldung, frohlockt ein Sprecher. Zusammen mit Innenminister Joachim Herrmann wird Angela Merkel in dessen Heimatstadt Erlangen eine Rede halten. Nur, das mediale Interesse zu dieser Stunde in Franken zieht nicht Merkel, sondern ein anderer Wahlkämpfer auf sich: Karl-Theodor zu Guttenberg, hundert Kilometer nordöstlich in Kulmbach.

Man kann derlei mit gutem Recht für verrückt halten: Hier sprechen die Kanzlerin und der CSU-Spitzenkandidat für Berlin, dort tritt ein Mann auf, der im Moment selbst weit davon entfernt ist, sich als aktiven Politiker zu bezeichnen - und trotzdem alle Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Doch nach normalen Maßstäben war Karl-Theodor zu Guttenberg, 45, noch nie zu bewerten. Am Mittwochabend absolviert der frühere Bundesminister seinen ersten von neun Wahlkampfterminen für die CSU, nebenbei degradiert er das Spitzenpersonal der Union zu Randfiguren.

Alle sieben Regierungsbezirke wird Guttenberg in den nächsten gut zwei Wochen besuchen. Ihm sei wichtig gewesen, dass der erste Auftritt in seiner Heimat Oberfranken über die Bühne geht, sagt der Kulmbacher CSU-Chef Henry Schramm. Hier ist die Familie zu Hause, hier war er Bundestagsabgeordneter, hier kehrte er zu Besuchen zurück, nachdem er vor sechseinhalb Jahren wegen einer abgeschriebenen Doktorarbeit von seinen politischen Ämtern zurückgetreten und mit Frau und Kindern in die USA gezogen war. Niemand zweifelt daran, dass Guttenberg herzlich willkommen geheißen wird: 1100 Menschen passen in die Stadthalle, die Polizei rechnet mit Hunderten mehr. Wer drinnen keinen Platz findet, kann draußen einer Übertragung folgen. "Der ,Superstar' hat magnetische Kraft", titelte die Frankenpost bereits mit freundlichem Lokalstolz.

Parteifreunde - gerade in der Landtagsfraktion - äußern sich reservierter über eine mögliche Rückkehr des Barons in die Politik. Sie finden, die CSU sei in den vergangenen Jahren auch ohne ihn zurechtgekommen. Ja, die CSU sei gut drauf, sagt Parteichef Horst Seehofer. Gleichwohl forciert er Guttenbergs Rückkehr. Er hat ihm schon vor zwei Jahren die Tür geöffnet, als er ihn als außenpolitischen Berater in sein Strategieteam berief.

Seit Wochen nehmen die Avancen zu. "Wir können ihn sehr gut brauchen", sagte Seehofer am Montag. Ein Amt hat er ihm nicht versprochen. Er wünsche sich, dass Guttenberg sich "Stück für Stück wieder einfädelt in die CSU". Die Wahlkampfauftritte gelten als Test, wie Guttenberg bei den Menschen ankommt. Die Ausgangslage könnte schlechter sein: Vor einem Monat wünschten sich fast zwei Drittel der Unionswähler sein bundespolitisches Comeback, ein Fünftel war dagegen. Auch parteiübergreifend sprachen sich mehr Menschen für Guttenbergs Rückkehr aus, anstatt sie zu verurteilen.

Was aber will Guttenberg? Er werde der CSU im Wahlkampf gerne helfen, sagte er zuletzt: "Das isses aber." Unterstützer sehen in dieser Zurückhaltung den einzig richtigen Weg. Der "KT" dürfe sich nicht aufdrängen, er müsse Demut zeigen und gerufen werden. Die Kontakte zur Partei werden jedenfalls intensiver. Am Samstag war Guttenberg beim 60. Geburtstag von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zu Gast. Seehofer, der ihn dort knapp verpasste, hätte schon eine Begrüßungsformel parat gehabt: "Schön, dass du da bist. Das befördert meine Hoffnung."

Vielleicht wird das Treffen ja am 4. September im Bierzelt nachgeholt, wenn Guttenberg am Gillamoos-Volksfest im Rededuell gegen SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz antritt. Seehofer überlegt nach eigenem Bekunden ernsthaft, Guttenbergs Auftritt im Publikum zu verfolgen. Die Kanzlerin trägt Guttenberg derweil nichts nach, wie sie der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte: Sie freue sich, dass er im Wahlkampf mitmache und stehe mit ihm in einem "guten Kontakt".

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SZ vom 29.08.2017/axi
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