CSU-Generalsekretär:Der Makler

Klausurtagung CSU-Vorstand

Noch-Parteichef Horst Seehofer hat ihn berufen, Bald-Parteichef Markus Söder will ihn behalten: Generalsekretär Markus Blume (links) hat den Spagat zwischen den Antipoden seiner CSU so gut hinbekommen, dass ihn beide nahezu wortgleich loben.

(Foto: Andreas Gebert)
  • Als Generalsekretär der CSU gibt der 43-jährige Markus Blume seit einem Dreivierteljahr den Ton in der Münchner Parteizentrale vor.
  • Die Opposition im Landtag wundert sich, wie hart der früher als bedächtig geltende Münchner auf einmal austeilen kann.
  • Wird Bayerns Ministerpräsident Markus Söder wie erwartet neuer Parteichef, will er den von Vorgänger Horst Seehofer berufenen Generalsekretär im Amt belassen.
  • Blume kündigt bereits an, er wolle die CSU verändern - sie solle jünger, weiblicher und offener werden,

Von Wolfgang Wittl

Markus Blume muss keine Sekunde lang überlegen, wenn er nach dem Satz gefragt wird, der sein Image auf einen Schlag zertrümmert hat. Er zitiert immer noch wortgetreu, ohne Stocken. Acht Monate ist es her, dass dieser Satz den braven Herrn Blume in einen Politiker verwandelt hat, der dem Klischee des bösen CSU-Generalsekretärs entspricht.

Monate, in denen die CSU Menschen gegen sich aufgebracht hat, die sie hinter sich wähnte. Andererseits hat Blume sich mit diesem Satz wohl endgültig den Respekt von Markus Söder erworben. Es war nach dem umstrittenem Kreuzerlass, als Blume sich an Söders Seite stellt und zeigt, dass er da auch bleibt, wenn es stürmt. Ende April ruft er Söders Kritikern den Satz zu, man habe es "mit einer unheiligen Allianz von Religionsfeinden und Selbstverleugnern zu tun". Danach war nichts mehr wie vorher. Nicht für die wahlkämpfende CSU. Nicht für ihren Generalsekretär Blume.

Selbst die Älteren in der Partei können sich nicht erinnern, wann die CSU schon einmal so ein Höllenjahr hinter sich gebracht hat: brachialer Wechsel im Amt des Ministerpräsidenten, selbstzerstörerischer Streit mit der CDU bis zum Beinahe-Bruch der Unionsgemeinschaft, desaströser Absturz bei der Landtagswahl mit dem Verlust der absoluten Mehrheit. Manche Generalsekretäre erleben in ihrer gesamten Amtszeit nicht halb so viel. Blume gibt gerade erst ein Dreivierteljahr den Ton in der Parteizentrale vor, er ist der Mann mittendrin. Zwischen bitteren Wahlschlappen und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Zwischen alten Wegen und neuem Aufbruch. Und vor allem: zwischen Horst Seehofer und Markus Söder.

Markus Blume war in seiner Jugend erfolgreicher Eistänzer, er nahm an Juniorenweltmeisterschaften teil, die Geschmeidigkeit des Sportlers hat er in seinen jetzigen Beruf mitgenommen. Doch einen Spagat wie in diesem Jahr musste er nie bewältigen. Blume bewegt sich zwischen den größtmöglichen Antipoden seiner Partei. Auf der einen Seite CSU-Chef Seehofer, sein Förderer, dem er zu Loyalität verpflichtet ist; auf der anderen Ministerpräsident Söder, dessen Wahlkampf er organisierte. Wenn Seehofer und Söder über Blume sprechen, loben sie ihn fast wortgleich: kluger Kopf, schnelle Auffassungsgabe, hoch belastbar und ein guter Analytiker mit der Fähigkeit, Dinge auf den Punkt zu bringen. Bei der internen Weihnachtsfeier dankt Seehofer ihm mit den Worten, er sei im besten Wortsinne ein ehrlicher Makler. Auch auf dem glatten Parkett der Politik gelingt dem Eisläufer Blume ein Kunststück. Er macht es beiden recht, Seehofer und Söder. Wie das geht? "Er war zu jedem von uns loyal, ohne die Loyalität zum jeweils anderen zu verletzen", sagt Söder.

Als Blume Anfang März zum Nachfolger von Andreas Scheuer berufen wird, eilt ihm ein Ruf voraus. Ein intellektueller Kopf und nachdenklich sei dieser 43-jährige Münchner, ein netter Kerl und eines der größten Talente der Partei. Doch gleichzeitig klingt da die Sorge mit: Passt das zum neuen Jobprofil? Kann Blume auch verbal auf Gegner einprügeln, wie man es von einem CSU-Generalsekretär erwartet?

Die Opposition im Landtag wundert sich, wie hart der bedächtige Herr Blume auf einmal austeilen kann. Will da einer sein sanftes Image korrigieren? Bricht der Beschützerinstinkt in ihm durch? Es ist wohl etwas von beidem. "Du musst als Generalsekretär schon zeigen, dass du gewillt bist, deine Familie zu verteidigen", sagt Blume. Es ist die Phase, in der sich in der CSU das Gefühl ausbreitet, die ganze Welt habe sich gegen sie verschworen. Zehntausende gehen in München auf die Straße, ein breites Bündnis von gut hundert Organisationen beteiligt sich an der "Ausgehetzt"-Demonstration, unter ihnen bekannte Künstler und kirchliche Gruppen. Blume keilt zurück, wirft den Demonstranten seinerseits Hetze vor, startet eine Gegenkampagne. Nicht jeder in der CSU ist darüber glücklich, der Streit eskaliert noch mehr. Es ist der zweite große Konflikt nach dem Kreuzerlass, den Blume verschärft. Würde er alles wieder so machen?

"Wer nicht draufhaut, wird als schwächer empfunden"

Blicken führende CSU-Politiker auf das Jahr zurück, so sagen sie, die Partei sei in eine Situation geraten, in die sie nie mehr kommen dürfe. Als gestrig sei man wahrgenommen worden, als arrogant und kalt. Markus Blume sagt, eine Volkspartei dürfe nie auf Spaltung setzen. Lag er also daneben? "Du triffst Entscheidungen unter maximalem Druck." Das mediale Gewitter, die Zerrissenheit der Gesellschaft, der Ärger auf den Straßen - "du hast keine Zeit, groß nachzudenken". Eines hat Blume besonders gelernt: "Wenn du etwas als Generalsekretär sagst, ist die Wirkung noch einmal eine ganz andere."

Kaum ein Posten in der deutschen Politik ist so negativ besetzt wie der des CSU-Generalsekretärs. "Wer nicht draufhaut, wird als schwächer empfunden", sagt der frühere Parteichef Erwin Huber. Er spricht aus Erfahrung. Huber war selbst Generalsekretär, wie auch Edmund Stoiber und Söder. Er sagt: "Die Rolle hängt einem jahrzehntelang nach." Söder macht gerne den Witz, seine Zeit als Europaminister habe vorwiegend seiner Resozialisierung nach dem Amt als Generalsekretär gedient. Manche halten sie bis heute noch nicht für abgeschlossen. Die Regionalpartei CSU musste sich schon immer aufmandeln, wollte sie bundesweit auffallen. Auf den Generalsekretär kommt es an. Er muss hinlangen, wenn der Parteichef sich zurückhalten muss. Der Preis: Der Ruf ist für Jahre ramponiert. Der Lohn: Meistens folgt die Beförderung in ein Ministeramt.

Blume hat bewiesen, dass er austeilen kann. Die Wettkampfhärte, die der Job erfordert, müsse für seinen weiteren Weg nicht schaden, finden Freunde. Andere befürchten, die Aufgabe werde seinen Fähigkeiten nicht gerecht. Kaum ein CSU-Politiker sei so kreativ und denke so weit in die Zukunft voraus. Aber sind solche Qualitäten nicht auch bei einem Generalsekretär gefragt? Markus Söder hat sich festgelegt. Wenn er am 19. Januar zum neuen Parteichef gewählt wird, soll Blume im Amt bleiben. Der Wahlkampf hat beide zusammengeschweißt. Wenn sie darüber erzählen, klingen sie wie zwei Veteranen im Schützengraben. Hauptsache irgendwie überlebt, das verbindet. Nebenbei überholte Blume zwei andere Münchner, die Söder beim Griff nach der Macht noch dienlich waren. Bezirkschef Ludwig Spaenle und sein Vize Georg Eisenreich sind in Söders Gunst zurückgefallen, zum engsten Zirkel gehört jetzt Blume.

Horst Seehofer fühlt sich dadurch nur bestätigt. Blume war seine letzte wichtige Personalentscheidung als Parteichef, er hält ihn geeignet für höchste Aufgaben. Blume habe die Statur, scharfe Kritik auszuhalten. Er verliere nicht die Nerven, verarbeite alles rational. Nun müsse der nächste Schritt folgen. "Die Frage der Einmaligkeit der CSU entscheidet sich in Berlin", sagt Seehofer. Markus Blume weiß das natürlich. Da der Parteichef wohl bald wieder in München sitzt, wird der Generalsekretär bundespolitisch mehr Präsenz zeigen müssen.

Ein schwarzer Dezember-Abend legt sich über München, das alte Jahr geht zu Ende, im neuen soll vieles anders werden. Eine Reformkommission wird Blume leiten, die CSU werde sich verändern - jünger, weiblicher, offener, "aber im Markenkern unerschütterlich". Er sei dankbar, dass er nicht nur im Ausnahmezustand Wahlkampf Generalsekretär sein durfte, sondern auch jetzt bei der Neuaufstellung. Nachdenkliches einstreuen, integrativ wirken, Grundsatzdebatten führen, so definiert Blume seine Aufgabe. Er sagt: "Ich möchte die Rolle noch mal neu annehmen und die Erwartungen erfüllen, die mit meiner Berufung verbunden waren." Es klingt so, als solle sich das Amt diesmal der Person anpassen. Und nicht umgekehrt.

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