München:"Meine Damen, das muss sich ändern!"

München: Pink ist die neue Farbe der Frauen-Union, die künftig auch mehr Knalleffekte in der CSU und in der bayerischen Politik setzen will.

Pink ist die neue Farbe der Frauen-Union, die künftig auch mehr Knalleffekte in der CSU und in der bayerischen Politik setzen will.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die Frauen-Union Bayern bestätigt Ulrike Scharf als Chefin, ihr großes Ziel bleibt die verpflichtende Frauenquote in der CSU. Landtagspräsidentin Ilse Aigner fordert mehr Kolleginnen an der Macht.

Von Andreas Glas, München

Pink ist die Farbe des Sommers. Na ja, zumindest an diesem Sonntag, im Festsaal am Nockherberg. Ulrike Scharf trägt ein Kleid, das genauso knallpink ist wie das neue Logo der Frauen-Union Bayern, deren Chefin sie seit bald drei Jahren ist. Und deren Chefin sie bleibt, das steht um 12.54 Uhr fest. Da legt Scharf beide Hände auf ihre Brust, lächelt, steht auf, dreht sich um, winkt in den tosenden Saal. 96,1 Prozent, mit diesem Ergebnis haben die Delegierten ihre Frontfrau gerade bestätigt. Dafür gibt es jetzt Blumen, rote Blumen, rosa Blumen, und natürlich: pinke Blumen.

Wer findet, dass es auf solche Oberflächlichkeiten nicht ankommt, dem sei erzählt, dass Scharf selbst den Blick auf "unsere neue Farbe" lenkt. "Frisch" findet sie das Pink. Frisch? Blau für Buben, Pink für Mädchen, so war das, als die Frauen-Union Bayern (FU) gegründet wurde, die Frauenorganisation der CSU. Und so darf es in der CSU heute noch sein, 75 Jahre später, denn "wir in der CSU wissen, dass Frauen Frauen sind" und "keine Menschen mit Gebärmutter", sagt Wolfgang Stefinger, der als Münchner Bundestagsabgeordneter ein Grußwort sprechen darf. Quasi als Quotenmann in einem Saal voller Frauen.

75 Jahre FU. Eigentlich gehört das gefeiert. Aber gibt es dafür wirklich einen Anlass, abseits dieser nackten Zahl: 75? Es gibt ja auch Zahlen, die den Frauen in der CSU ganz und gar nicht gefallen, vor allem diese hier: Die Hälfte der Menschen in Bayern ist weiblich, in der CSU sind es nur 22 Prozent. "Wir sind gute Schritte vorangekommen", findet die alte und neue FU-Chefin Scharf. Sie sagt aber auch, "dass es noch nicht reicht".

Was die rund 240 Delegierten im Saal frustriert, spricht Ilse Aigner besonders gnadenlos an, die Landtagspräsidentin und "im Moment die einzige Vorsitzende eines CSU-Bezirksverbands", konkret in Oberbayern. Überhaupt gab es in der Parteihistorie nur zwei Frauen in der langen Reihe der mächtigen Regionalfürsten im CSU-Land, das betont Aigner in ihrem Grußwort. "Meine Damen, das muss sich ändern!", ruft sie ins Publikum. Auch im Landtag sieht Aigner "Luft nach oben", zu Beginn der Legislaturperiode betrug dort der Frauenanteil in der CSU-Fraktion 21,2 Prozent. Im Bundestag sieht es kaum besser aus, die Quote in der Landesgruppe der Christsozialen liegt bei 22 Prozent.

Mehr Sichtbarkeit, das wünschen sich die Frauen in der CSU, die immer noch eine Männerpartei ist. Vielleicht ja deshalb diese Farbe, Knallpink. Und deshalb diese Frontfrau, Ulrike Scharf? "Eine Glücksbesetzung", findet Aigner, "du traust dich auch was zu sagen". Kürzlich hat Scharf ja einen Satz gesagt, den sie so ähnlich schon mal gesagt hat: "Bayern ist reif für eine Ministerpräsidentin." Für alle, die es nicht mitgekriegt haben: Der aktuelle Ministerpräsident ist CSU-Mitglied, heißt Markus Söder und ist der Vorgesetzte von Scharf, die seit kurzem zurück im Kabinett ist, als Sozialministerin. Den eigenen Chef anzählen, das muss man sich wirklich trauen.

Anzählen? So will Scharf ihren Satz natürlich nicht verstanden wissen, das hat sie klargestellt, kurz vor der FU-Landesversammlung am Nockherberg. Sicher ist sicher, Söder ist als Redner geladen. Ja, "eine Frau kann auch in Bayern an der Spitze stehen", sagte sie der Augsburger Allgemeinen. Aber, nein, "jetzt ist das noch zu früh", mit Söder gebe es ja einen "Ministerpräsidenten, der die Frauen in der CSU und der Frauen-Union immer unterstützt." Eine Klarstellung, die Ulrike Scharf nicht davon abhält, mal Probe zu sitzen auf dem Platz in der ersten Saalreihe, der für Söder reserviert ist. Bevor der CSU-Chef am Nockherberg eintrifft, rutscht Scharf rüber auf dessen Stuhl, um besser mit Ilse Aigner schwätzen zu können.

Wer Scharf, 54, am Sonntag so zuschaut, sieht eine Frau, die umzingelt ist wie ein Popstar. Küsschen, Umarmungen, Selfies. Nach ihrem Comeback als Ministerin taugt Scharf als role model für alle Frauen in der CSU, die sich nicht unterkriegen lassen von den Männern in ihrer Partei. Als Umweltministerin, ihrer ersten Episode im Kabinett, hatte sie Kante gezeigt für den Naturschutz, auch gegen Strömungen in der CSU-Landtagsfraktion. Zu rebellisch, fanden einige, allen voran Fraktionschef Thomas Kreuzer, der im Frühjahr 2018 den damals neuen Ministerpräsidenten Söder gedrängt haben soll, Scharf als Ministerin abzusetzen. Statt zu schmollen, hat sie sich neu profiliert, als Interessenvertreterin der CSU-Frauen. Söder hat das imponiert, auch deshalb hat er sie zurückgeholt. Scharfs "Stehvermögen" huldigen auch die Grußwortrednerinnen am Nockherberg.

Aber, was hat Scharf wirklich erreicht für die CSU-Frauen? Immer noch zu wenig, sagt sie ja selbst. Sie werde weiterkämpfen, "mit ganzer Kraft, mit ganzer Überzeugung", verspricht Scharf den Delegierten. Ihr großes Ziel bleibt die verpflichtende Frauenquote, die beim Parteitag 2019 scheiterte, teils auch am Widerstand der jungen CSU-Frauen. Inzwischen hat Scharf angekündigt, einen neuen Versuch zu starten, um die Quote endlich durchzusetzen. Wann? Das lässt sie offen. So ein Vorhaben müsse gut vorbereitet sein, sagt Scharf.

Am Sonntagnachmittag marschiert dann Söder in den Festsaal. Der CSU-Chef ist seiner Partei ja voraus bei der Frauenförderung, bis vor kurzem war die CSU-Riege seines Kabinetts paritätisch besetzt. Auf der FU-Bühne verweist er auf "mehr Weiblichkeit" auch in der CSU-Parteizentrale, die vorher eher ein "boys club" gewesen sei. Was Söder meint: Mit Tanja Schorer-Dremel ist nun eine Frau die Stellvertreterin des CSU-Generalsekretärs, der seit kurzem Martin Huber heißt. Dass Söder Schorer-Dremel als "Mutter der Kompanie" bezeichnet hatte, fanden allerdings nicht alle CSU-Frauen schmeichelhaft. Und noch etwas ist fast ironisch: Dass Söders jüngste Kabinettsumbildung zwar FU-Chefin Scharf befördert hat, aber das Geschlechterverhältnis insgesamt wieder aus der Balance brachte - zugunsten der CSU-Männer.

Mit ihm als Parteichef habe die Frauen-Union "von den Männern bestimmt den stärksten Unterstützer" in der CSU, sagt Markus Söder am Ende seiner Rede. Der Beifall der Frauen im Festsaal fällt freundlich aus.

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