CSU-Fraktionschef Georg Schmid:Kein Du, kein Sie, nur ein Sch

CSU-Fraktionschef Georg Schmid

Begehrter Posten: Fraktionsvorsitzende Schmid bei der CSU-Klausur in Kreuth.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

CSU-Fraktionschef Georg Schmid hat weder große Pläne noch politische Visionen. Mit seiner leutseligen Art hat er sich dennoch beliebt gemacht in der Partei. Doch plötzlich stehen die Nachfolger in der CSU für seinen Posten Schlange.

Von Frank Müller, Wildbad Kreuth

Und wieder fliegt ein Schneeball. Spielerisch auf Fotografen zielen, das mag Georg Schmid. Das gibt schöne Bilder von Schneegestöber im Gegenlicht, es wirkt ausgelassen, jungenhaft, leger und gelassen. "Ein echter Volltreffer", lacht der CSU-Fraktionschef, als er vor dem berühmten Gemäuer von Wildbad Kreuth im blütenweißen frischen Schnee herumalbert. Allerdings: Ein Teil des Schneeballs landet auf der eigenen linken Schulter.

Wie gut, dass um Schmid herum dienstbare Fraktionsgeister sind. Sie machen ihn darauf aufmerksam, Schmid wischt sich den Schnee vom dunklen Mantel. Schließlich wartet schon das nächste Kamerateam und will Schmid befragen zur letzten Tagung in Kreuth vor der Wahl.

Noch sind es nur Schneebälle, mit denen die CSU wirft. Ob es bald schon Pfeile sind, vergiftete womöglich, die Schmid selbst auf sich zieht? Oder einfach Dreck?

Mit Schmutz - mit Schmutzeleien - ist schon geworfen worden in der CSU, das spielt für Schmids Zukunft eine wichtige Rolle. Denn seitdem klar ist, dass das Verhältnis zwischen Ministerpräsident Horst Seehofer und seinem Finanzminister Markus Söder wohl auf Dauer zerstört bleiben wird, ist Schmids Posten nochmals begehrter geworden. In der CSU wird viel darüber geredet, ob Söders immergroßes Ego es mit der eigenen Selbstachtung noch vereinbaren kann, auch künftig einem Kabinett Seehofer anzugehören.

Dieselben Bezüge, der gleiche dicke Wagen

Der Posten des Fraktionschefs könnte für Söder ein natürlicher Ausweg aus dieser Situation sein. Denn Fraktionschef zu sein, das ist in der CSU so viel wert wie ein Ministerposten. Dieselben Bezüge, der gleiche dicke Wagen, reservierte Plätze in denselben wichtigen Runden. Es ist ein Job, bei dem man weit genug von Seehofer weg ist und dennoch alle Ambitionen auf seine Nachfolge wahren kann.

Nur: Der Job ist besetzt. Von Georg Schmid. Und der erweckt nicht den Eindruck, ihn sich ohne weiteres nehmen lassen zu wollen. "Ich hab' noch ganz viel vor", sagt Schmid, als er sich kurz aus dem Kreuther Getümmel ins Obergeschoss zurückzieht. Schmid macht eine kurze Pause und fügt dann an: "auf diesem Posten". Kurz zuvor hat er draußen den Journalisten, bevor überhaupt einer danach gefragt hat, schon erzählt, Personalfragen würden "nach der Wahl diskutiert und nicht vorher".

Inzwischen könnte die CSU gut und gerne drei Fraktionschefs haben, so viel Bedeutung nimmt dieser Posten gerade an. Denn es ist nicht nur Söder. Auch Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, die aus Berlin nach München zurückkehrt, werden Ambitionen auf die Schmid-Nachfolge nachgesagt. Auch für sie geht es darum, sich in Stellung zu bringen für die irgendwann fällige Seehofer-Nachfolge. Auch sie schweigt dazu - und genießt derweil Situationen wie die beim Neujahrsempfang, als Seehofer ihr im Spaß seinen Platz anbot.

Was hat Seehofer Aigner anzubieten?

Was hat Seehofer Aigner demnächst anzubieten? Schmids Job? Und was hat er dann mit Schmid im Sinn? Einen Ministerposten, etwa den für Justiz? Dass der Jurist Schmid gerne einmal Innenminister geworden wäre, ist bekannt. Im Kabinett hatte er vor seinem Wechsel an die Fraktionsspitze nur Staatssekretärs-Posten. Und dass sich Schmid im Grunde als für alles geeignet betrachtet, weiß man, seitdem er 2008 sogar Ministerpräsident werden wollte, als Nachfolger des gescheiterten Günther Beckstein. Damals galt er nur als Fraktionschef wider Willen.

Inzwischen denkt Schmid anders über seinen Posten. Neuerdings betont er auffällig oft, wie gut ihm doch das breite Tätigkeitsfeld gefalle: kein Spezialist zu sein für ein mehr oder minder großes Teilspektrum. Sondern Generalist, zuständig für alles. Schmid sitzt dann breitbeinig da, manchmal lässt er ein Bein über eine Stuhllehne baumeln. "Weisch", sagt der Donauwörther dann breit, was "Wissen Sie" bedeutet, "weisch, ich mach' das richtig gern".

In Schmids Sprachwelt gibt es kein Du und kein Sie, sondern ein "Sch", so spricht er mit allen, ob Wähler oder Ministerpräsident. Über Schmids Form der direkten Ansprache ist schon viel geschrieben worden. Seinem auch für Politikerverhältnisse großen Hang zum Händeschütteln verdankt er seinen Spitznamen "Schüttel-Schorsch", im Landtag nennen ihn viele nur "den Schüttel". Schmid hasst das ungefähr so sehr, wie es sein Amtskollege Hubert Aiwanger von den Freien Wählern verabscheut, wenn er ob seines Idioms "Opfesoft" genannt wird.

Dabei ist Schmid bislang nicht schlecht damit gefahren, unterschätzt zu werden. In der Fraktion gibt es keinen, der ihn als intellektuellen Nachfahren des Übervaters Alois Glück betrachten würde. Für den, Antipode zum damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, war die Bezeichnung "Vordenker" zum zweiten Vornamen geworden. Nach Alois "Vordenker" Glück kam Joachim "Übergang" Herrmann. Jetzt amtiert Georg "Pragmatiker" Schmid.

Seine Tür ist offen

Von ihm ist keine Vision und kein spektakulärer Plan bekannt geworden. Dafür kann er etwas anderes: Schmid nimmt sich auch für diejenigen Zeit, die in der Fraktionshierarchie unten stehen. Seine Tür ist offen, zu ihm kann man einfach hingehen. Er sei eine Art Bundeswehr-Spieß, charakterisiert ihn einer, der seinen Führungsstil kennt. Ein Spieß jedoch ist etwas anderes als der Befehlshaber.

Dass sich als solcher Seehofer selbst betrachtet, hat der Ministerpräsident zur Genüge klar gemacht. Schmid ist damit beschäftigt, Seehofers Wenden in der Fraktion so nachzubereiten, dass sie aussehen wie eine Strategie. Neuerdings hat Seehofer Schmid wiederholt gelobt. Das hat Schmid selbst überrascht, womöglich sollte er das als Warnung betrachten. Übermäßiges Lob ist bei Seehofer häufig die Vorstufe zur Vernichtung.

In Kreuth führt der bald 60-jährige Schmid nun seinen eigenen Wahlkampf. Strittige Sachthemen wie der Donau-Ausbau sollen erst später in München diskutiert werden. Schmid steht im großen Saal vor den Abgeordneten, wirft Prozentzahlen in den Raum, die Erfolg belegen sollen, und spricht die Menschen im Publikum beim Vornamen an. Neben ihm auf dem Podium sitzt Seehofer, weit hinten sitzt Markus Söder. Ilse Aigner ist gar nicht da. Schließlich ist sie noch gar nicht Mitglied der Landtagsfraktion. Schmid lädt sie dennoch seit sechs Jahren als örtliche Bundestagsabgeordnete stets ein. Aber "die Ilse" wird kommen. "Der Markus" ist schon da. Und der Georg auch.

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