Süddeutsche Zeitung

CSU:Ein harmloses Wort bedroht Söders Zukunftspläne

  • Seit Tagen tobt in der CSU ein Kampf: Wer soll die Partei künftig in Berlin vertreten?
  • Bislang will keiner der infrage kommenden prominenten Parteivertreter die Aufgabe übernehmen und München, das Machtzentrum der CSU, verlassen.
  • Mit dem Verweis auf Söders Verantwortung könnte es Horst Seehofer nun gelingen, seinen ungeliebten Parteikollegen loszuwerden.

Von Wolfgang Wittl, Schwarzenfeld

Alexander Dobrindt ist bekannt als der treue Diener seines Herrn, der keine noch so unangenehme Aufgabe scheut. Als CSU-Generalsekretär hat er für Horst Seehofer auf politische Gegner eingeprügelt, mehr als es seinem Wesen entspricht. Als Bundesverkehrsminister versucht er so tapfer wie bislang erfolglos, die CSU-Pläne für eine Pkw-Maut durchzusetzen. Diesmal aber ringt sich Dobrindt ein Maß an Selbstverleugnung ab, das selbst für seine Verhältnisse außergewöhnlich ist. Er fordert, sein Intimfeind Markus Söder müsse nach Berlin wechseln, und damit sogar unmittelbar in Dobrindts Nähe. Vor allem aber: weit weg von Seehofer.

Es ist eine für Söder unerfreuliche Diskussion. Seit Tagen tobt in der CSU ein perfider Kampf, in dem die Stärksten sich gegenseitig nach Berlin zu loben versuchen: hinfort aus dem Machtzentrum München, hin an Angela Merkels ungeliebten Kabinettstisch, an dem es nicht viel zu gewinnen gibt für CSU-Leute.

Offiziell fällt Söders Name bei der CSU-Vorstandsklausur in Schwarzenfeld kein einziges Mal, doch auch so weiß jeder, um wen es geht. Verantwortung lautet das vermeintlich harmlose Wort, das die Zukunftspläne des ehrgeizigen bayerischen Finanzministers torpedieren soll. Seit der Vorstandsklausur eskaliert dieser Kampf.

Inhalte vor Personal - diese Parole hatte Seehofer vor dem Wochenende ausgegeben. Doch ist er derjenige, der die personellen Spekulationen befeuert wie kein anderer. Er sagt, die CSU müsse "mit der bestmöglichen Formation antreten, die wir zur Verfügung haben für die Bundespolitik". Gemeint ist die Bundestagswahl 2017. Wer gedanklich immer noch nicht bei Söder gelandet ist, dem hilft Seehofer auf die Sprünge.

Der Spitzenkandidat müsse auch in Talkshows bestehen können, in denen bekanntlich kein CSU-Gesicht häufiger zu sehen ist als Söders. Dann sagt Seehofer sinngemäß: Wer sich der Verantwortung zu einem für die Partei wichtigen Zeitpunkt entziehe, werde sie auch später nicht bekommen. Auch er sei nach München gewechselt, obwohl er andere Pläne gehabt habe.

Beistand erhält der CSU-Chef von jenen, die Söder an der Spitze der Partei und der bayerischen Staatsregierung verhindern wollen. Davon gibt es einige. Dobrindt sagt, über das Personal entscheide immer noch der Parteichef, jeder müsse sich in die Verantwortung nehmen lassen. Auch Ilse Aigner, die 2013 auf Seehofers Wunsch aus Berlin nach Bayern zurückkehrte, assistiert: Sie habe ihr Verantwortungsgefühl ja bereits unter Beweis gestellt, "so erwarte ich das von jedem in der Partei". Selten wurde in der CSU ein Machtkampf scheinbar freundlicher geführt, selten hinterfotziger.

Dann sagte der Finanzminister einen Satz, der ihm nun zum Verhängnis werden könnte

Vor ein paar Tagen war es noch Seehofer, der als künftiger Superminister Merkels unter Applaus nach Berlin geschickt werden sollte. Dann hat Söder einen womöglich verhängnisvollen Fehler begangen. Er schloss kategorisch aus, dass er für ein Amt in Berlin zur Verfügung stehe. Seine Zukunft liege allein in Bayern. Das sagt er zwar seit zehn Jahren, nun allerdings könnte sich dieser Satz zu der Falle entwickeln, die so mancher von Seehofer erwartet hat. Söder erklärt am Samstag nur, er habe dazu bereits alles gesagt.

Söders Gründe, warum er in Bayern bleiben will, sind bekannt: die Familie, die Tatsache, dass in Berlin niemand auf ihn warte, und natürlich das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten. Nur Seehofer könne es auf Augenhöhe mit Merkel aufnehmen, so sieht er das. Dass Seehofer für eine Kandidatur im Bund sogar den Parteivorsitz 2017 in Aussicht stellt, lockt Söder nicht aus der Reserve. Er weiß: Sollte die Bundestagswahl schiefgehen, wäre er erledigt.

Noch kann Söder sich dem Druck entziehen. Gelingt es Seehofer aber, dass die Partei sich diesem Wunsch anschließt, wird es ernst für ihn. Innenminister Joachim Herrmann, ebenfalls ein Kandidat für Berlin, hat einen Wechsel vor Jahren bereits abgelehnt. Auch er verwies auf die Familie. So eine Absage, das hat Seehofer inzwischen klargestellt, würde er nicht noch einmal durchgehen lassen.

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SZ vom 12.09.2016/infu
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