CSU-Duell um die Macht:So funktioniert die bayerische Erbteilung

Kabinettssitzung in München

Söder und Herrmann? Die CSU-Fraktion im Landtag will am Montag über die Seehofer-Nachfolge abstimmen.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Am kommenden Montag will sich die CSU-Landtagsfraktion auf die Spitzenkandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten festlegen.
  • Dabei wird es wohl auf eine Kampfabstimmung zwischen Joachim Herrmann und Markus Söder hinauslaufen.
  • Doch bindend ist das Ergebnis nicht: Die finale Entscheidung trifft erst ein CSU-Parteitag am 15. und 16. Dezember in Nürnberg.

Von Roman Deininger und Wolfgang Wittl

Eine Viertelstunde läuft die Fraktionssitzung schon, Joachim Herrmann hat es eilig. Zwei Fragen begleiten ihn auf seinem Weg nach drinnen. Ob er denn etwas sagen wolle? Und ob er jetzt seinen Hut in den Ring werfe im Kampf um das Amt des Ministerpräsidenten? "Ungern", sagt der bayerische Innenminister und läuft weiter. Beide Fragen wurden fast gleichzeitig gestellt. Deshalb sollte man festhalten: Herrmanns Antwort galt eindeutig der ersten Frage.

Hinter verschlossenen Türen beschäftigt sich die CSU-Landtagsfraktion - nach Wochen der Selbstbespiegelung sogar für Sitzungsteilnehmer überraschend - vor allem mit Sachthemen: Straßenbaukosten, Polizeirecht, solche Sachen. Der heikelste Punkt wird früh abgeräumt. Der Abgeordnete Ernst Weidenbusch zieht seinen Antrag zurück, wonach die Fraktion bereits an diesem Mittwoch über den Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2018 abstimmen sollte. Auch die Anhänger von Markus Söder halten sich also daran, was am Abend zuvor der Fraktionsvorstand und die Sprecher der CSU-Bezirke beschlossen hatten: Erst in der Sondersitzung am Montag sollen die Abgeordneten ihren Favoriten für die Staatskanzlei benennen.

Zwei Stunden hatte das Treffen am frühen Dienstagabend gedauert, es war eine Reaktion auf das Grummeln und Motzen, das die Abgeordneten seit Tagen aufwühlte. Erst hatte ihnen Parteichef Horst Seehofer am vergangenen Donnerstag ein Bild der Harmonie gepinselt, später im Parteivorstand dann aber die erwartete Ankündigung, er werde 2018 nicht mehr als Regierungschef antreten, weggewischt. Seehofer war damit dem Wunsch seines Führungsstabs gefolgt, der die Sorge hatte, eine vorzeitige Bekanntgabe könnte Chaos auslösen in der Partei. Die Seehofer schon länger nicht mehr gewogene Landtagsfraktion fühlte sich jedoch kräftig veräppelt.

Auch deshalb wollte Fraktionschef Thomas Kreuzer nun Struktur in den weiteren Ablauf bringen - und gleichzeitig die Bedeutung der Fraktion betonen, die sich im Vergleich zu anderen CSU-Gruppierungen ja als Sumoringer unter lauter Leichtgewichten versteht. Das ist Kreuzer am Dienstag gelungen: Die Fraktion stimmt demnach am Montagmorgen über ihren Favoriten ab, noch ehe sich der Parteivorstand getroffen haben wird. Aber auch das war Kreuzer wichtig: Die Fraktion werde sich nur auf die Spitzenkandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten festlegen, nicht auf einen Parteichef. Und dass es sich lediglich um einen Vorschlag handele, die finale Entscheidung treffe der CSU-Parteitag am 15. und 16. Dezember in Nürnberg.

Die Wahl in der Fraktion setzt voraus, dass Seehofer vorher seinen Verzicht auf die Spitzenkandidatur 2018 bekannt gibt. Daran zweifelt keiner mehr in der CSU. Bereits am Donnerstag sei Seehofer dazu bereit gewesen, ehe er sich von Vertrauten umstimmen ließ. Nun erklärte sich der Ministerpräsident sogar bereit, dass die Fraktion die Wahl unter Vorbehalt auf die Tagesordnung für Montag nehmen könne. Zwei Stunden saß der erweiterte Fraktionsvorstand am Dienstag zusammen, erklärtes Ziel: Eine weitere Eskalation müsse verhindert werden, berichten Teilnehmer. Fraktionschef Kreuzer bekräftigt, die Entscheidung über das weitere Vorgehen sei einvernehmlich mit Seehofer getroffen worden.

Viele möchten, dass Seehofer als Parteichef weitermacht. Festgelegt hat der sich aber nicht

Auch die derzeitigen Granden melden sich zu Wort: Markus Söder, der ehrgeizigste von allen, sagt sinngemäß das, was er am Mittwoch vor der Fraktionssitzung wiederholt. Stil und Anstand brauche es nun, Geduld, Klugheit und ja, auch das, ein offenes Herz. Auch Ilse Aigner und Joachim Herrmann, die intern als Kandidaten genannt werden, mahnen Geschlossenheit an. Kaum einer kann sich in diesem Moment vorstellen, dass am Montag ein anderer als Söder seine Ansprüche formuliert. "Er ist der Favorit", sagt einer: "Aber im Moment ist so viel Dynamik drin, das kann auch schnell wieder anders aussehen."

Am Mittwoch sagt Söder auf die Frage, ob er kandidiere: Man müsse erst die Entscheidung Horst Seehofers abwarten, das gebiete der Respekt. Und überhaupt, die CSU habe "tolle Persönlichkeiten: Ilse Aigner, Joachim Herrmann, das ganze Kabinett". Das ganze Kabinett wird sich gegen Söder nicht zur Wahl stellen, auch Aigner wohl nicht. Bei Herrmann, das sagen viele in der CSU, sähe es anders aus - schon wegen der besten Chancen. Interessantes Detail: Die Abstimmung wird geheim erfolgen. Damit könne der Einfluss Söders auf einzelne Abgeordnete sinken. Vorstellungsreden soll es jedenfalls nicht geben, sagt der parlamentarische Geschäftsführer Josef Zellmeier. "Man kennt ja jeden."

Eine einzige Bedingung hat Kreuzer gestellt: Wer als Abgeordneter die Absicht habe, am Parteitag als Spitzenkandidat anzutreten, könne sich jetzt nicht der Abstimmung in der Fraktion entziehen. Umgekehrt heißt das: Der Unterlegene kann sich trotzdem am Parteitag bewerben. Auch 2007 beim Sturz Edmund Stoibers hat die Fraktion eine wichtige Rolle eingenommen. Doch auch da galt: Über die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl "entscheidet der neu zu wählende CSU-Parteitag". Eine ehrenvolle Niederlage in der Fraktion ist demnach nicht bindend, sondern könnte erst recht ein Votum der Parteitagsdelegierten nötig machen.

Und Seehofer? Er wird am Wochenende weitere Gespräche führen: mit den wichtigen Bezirksvorsitzenden, mit CSU-Gremien, mit der Parteiführung. Am Montag will er seinen Entschluss bekannt geben. Viele in der CSU, auch Kritiker, wünschen sich, Seehofer solle als Parteichef weitermachen, am besten als einflussreicher Bundesminister in Berlin. Festgelegt hat er sich noch nicht. Bleibt er bis zum letzten Tag Ministerpräsident? Räumt er vorzeitig die Staatskanzlei? Welchen Einfluss hat die Wahl des Spitzenkandidaten? In kleiner Runde sagte Seehofer, alles sei möglich: Vielleicht trete er noch einmal als Parteichef an, vielleicht heiße es aber auch nur: "Ende, Schluss, Aus - das war's."

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