Plagiatsverdacht:Die nächste CSU-Affäre

Plagiatsverdacht: Da war die Welt von Martin Huber noch in Ordnung: Der Landtagsabgeordnete bei seiner Ernennung zum CSU-Generalsekretär durch Parteichef Markus Söder

Da war die Welt von Martin Huber noch in Ordnung: Der Landtagsabgeordnete bei seiner Ernennung zum CSU-Generalsekretär durch Parteichef Markus Söder

(Foto: Frank Hoermann/Sven Simon/imago)

Erst am Freitag hat Parteichef Markus Söder Martin Huber als neuen Generalsekretär präsentiert. Zwei Tage später muss sich der Abgeordnete gegen Plagiatsvorwürfe wehren. Huber will jetzt seine Doktorarbeit unabhängig prüfen lassen.

Von Roman Deininger, Andreas Glas, Roland Preuß und Viktoria Spinrad

Am Samstag war Martin Huber zu Gast beim CSU-Nachwuchs, der Jungen Union (JU), in Abensberg. Auf den Fotos sitzt Huber ganz vorne im Saal, dort ist nun ja sein Platz in der CSU: erste Reihe. Man sieht einen Mann, der das Lächeln nicht mehr aus dem Gesicht kriegt, seit ihn Parteichef Markus Söder am Freitag als neuen CSU-Generalsekretär präsentiert hat. Von der JU-Konferenz ist auch dieses Huber-Zitat überliefert: Die CSU könne nur Volkspartei bleiben, "wenn wir ein Spiegelbild der Gesellschaft sind".

Ein Vorsatz, der mit Blick auf seine eigene Person schon am späten Samstagabend eine komische Note bekommt. Da macht nämlich eine Nachricht der Bild die Runde, die eine abenteuerliche CSU-Woche endgültig ins Groteske kippt: Plagiatsverdacht gegen Huber, der neue General soll bei seiner Doktorarbeit getrickst haben. Das will ihm der Journalist und Plagiatsforscher Jochen Zenthöfer nachgewiesen haben. "Es sieht nicht nach handwerklichen Fehlern aus. Da zeichnet sich schon eine gewisse Systematik ab", sagte er der SZ am Sonntag.

Martin Huber hat da bereits mitgeteilt, dass er seine Dissertation "aus Gründen der Transparenz" erneut von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) prüfen lassen werde. Er beteuert allerdings, die Arbeit "nach bestem Wissen und Gewissen" verfasst zu haben. Sie stammt aus dem Jahr 2007, Titel: "Der Einfluss der CSU auf die Westpolitik der Bundesrepublik Deutschland von 1954 bis 1969 im Hinblick auf die Beziehungen zu Frankreich und den USA". Laut Zenthöfer gibt es mehrere Passagen, in denen Huber übernommene Textpassagen anderer Autoren nicht oder nicht sauber als solche kennzeichnet. Wer eine Doktorarbeit schreibe, müsse sich an wissenschaftliche Standards halten, findet Zenthöfer. Bei Huber sei das "nicht durchgehend der Fall. Von einzelnen Fehlern oder einem Versehen kann man nicht mehr sprechen." Letztendlich komme es aber nicht so sehr auf die Zahl der Plagiatsstellen an, sondern darauf, welche Geisteshaltung sich dahinter ausdrückt", so Zenthöfer.

Der Ernst der Causa Huber wird in der CSU nicht geleugnet. Nicht nach dem bizarren Skandal um Stephan Mayer, der gerade erst als CSU-General zurückgetreten war. Vorausgegangen war ein Streit mit einem Redakteur der Illustrierten Bunte , dem Mayer nach Berichten über sein Privatleben gedroht haben soll, ihn zu "vernichten". Dass nun direkt auch dessen Nachfolger im Feuer steht, sorgt in der CSU für Frust. Mit Argwohn wird indes registriert, mit welchem Affenzahn die Plagiatsanklage gegen Huber nach dessen Ernennung vorgelegt wurde. Sympathisch, heißt es, sei solcher Belastungseifer nicht.

Jochen Zenthöfer erklärt sein Tempo so: Schon bei der Recherche seines Buches über Plagiate in der Wissenschaft sei er auf Ungereimtheiten in Hubers Arbeit gestoßen. Er habe den Landtagsabgeordneten aber als zu unbedeutend empfunden, um ihn ins Buch aufzunehmen. Erst mit dessen Ernennung zum CSU-Generalsekretär habe er sich entschieden, seine Entdeckungen öffentlich zu machen. Die LMU müsse die Arbeit nun prüfen, das steht für Zenthöfer fest, auch wenn seine eigene Prüfung noch nicht abgeschlossen ist. Nach den ersten auffälligen Stellen finden sich oft weitere unsaubere Passagen, noch sei aber nicht das Stadium erreicht, in dem man sagen müsse: "Da ist der Doktorgrad auf jeden Fall weg."

Mit Karl-Theodor zu Guttenberg explodierte 2011 die Supernova der deutschen Politik

Sollte es soweit kommen, ist es nicht zwangsläufig, dass Huber sein Amt verliert. Zumal es sich im Fall des CSU-Generals um ein Partei- und nicht um ein Staatsamt handelt. Ob ein titelloser Huber bleiben könnte, wäre eine rein politische Entscheidung. Und zumindest in der CSU selbst dürfte die Bereitschaft groß sein, etwaige akademische Verfehlungen milde zu beurteilen. Auch andere Parteien haben inzwischen ihre Erfahrungen mit Plagiatsvorwürfen gemacht, doch den bis heute spektakulärsten Fall kann zähneknirschend immer noch die CSU für sich beanspruchen: Mit Karl-Theodor zu Guttenberg musste 2011 nicht einfach ein Bundesverteidigungsminister zurücktreten - es explodierte damals die Supernova der deutschen Politik. Die Universität Bayreuth hatte Guttenberg wegen schwerer Plagiate seinen Doktor der Rechte entzogen. Inzwischen ist Guttenberg wieder Doktor, an der britischen Universität Southampton hat er - nicht heimlich, aber still und leise - den Titel "Ph.D." erworben.

Vor seiner Ministerzeit war Guttenberg auch kurz Generalsekretär der CSU gewesen, in der ein "Dr." auf dem Wahlplakat lange als ganz besonders schick galt. Andreas Scheuer verzichtete 2014 im Amt des Generalsekretärs unter großem Druck auf die Nutzung seines Doktortitels, den er sich zehn Jahre zuvor an der Prager Karls-Universität auf sehr kurzem Weg erschrieben hatte. Da sein Titel nicht deutschen Standards entsprach, durfte er ihn in weiten Teilen Deutschlands ohnehin gar nicht führen - nur für Bayern und Berlin war ihm das durch regionale Sonderregelungen möglich. Wer Scheuers passagenweise konfuse Arbeit ("Die politische Kommunikation der CSU") heute liest, wird jedenfalls das Gefühl nicht los, dass die 294 Seiten nicht ausschließlich von brennendem wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse getragen sind.

"Die Zahl der Fußnoten ist irrelevant", sagt der Plagiatsexperte

Laut Plagiatsexperte Zenthöfer ist Hubers Doktorarbeit deutlich weniger gravierend als die von Guttenberg. Hubers Verweis darauf, dass mehr als 20 Seiten Literaturverzeichnis und mehr als 600 Fußnoten die Quellenarbeit belegten, mag er aber nicht durchgehen lassen. Eine "völlig unwissenschaftliche Denke" sei das, so Zenthöfer. "Die Zahl der Fußnoten ist irrelevant." Die Frage sei vielmehr: Wie viele fremde Gedanken sind im Text - und hinter wie vielen findet sich auch ein Beleg. Er nennt da zum Beispiel die Passage, in der Huber drei Ansätze außenpolitischer Entscheidungsprozesse auflistet. Die zugehörige Fußnote mit der Quelle, ein Kapitel eines Buchs des Politikwissenschaftlers Reimund Seidelmann, findet sich aber erst eine Dreiviertelseite weiter unten. "So tut Huber, als kämen die drei Ansätze von ihm", sagt Zenthöfer. Das könnte vielleicht noch als wissenschaftliche Schlampigkeit durchgehen, aber es finden sich auch Beispiele, wo Belege komplett fehlen oder Huber die Sätze anderer Autoren wohl nur etwas umstellt, ohne sie mit Quellen zu versehen.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Martin Hagen forderte Huber auf, seinen Doktortitel ruhen zu lassen, solange die Arbeit von der Uni geprüft werde. Kritik gibt es auch aus den eigenen Reihen. Holm Putzke, Ex-Kreischef der CSU Passau, wirft Huber einen Interessenkonflikt vor, da dieser von 2004 bis 2007 in der Öffentlichkeitsabteilung der CSU-Landesleitung tätig war. "Wenn jemand weniger vom wissenschaftlichen Interesse motiviert ist als eher von einem erhofften Vorteil in der eigenen Politikerkarriere, dann ist das selten ein guter Antrieb und geht oft auch schief", sagt Putzke. Auch Jochen Zenthöfer findet: Man könne nicht wissenschaftlich unabhängig über eine Partei schreiben, in der man seinen politischen Aufstieg plane.

Und was sagt der CSU-Chef? Am Freitag hatte Söder noch zu Huber gesagt: "Ich vertraue dir zu 100 Prozent." Am Sonntag war zunächst nichts von Söder zu hören.

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