CSU: Die Folgen des Rücktritts:Seehofer allein zu Haus

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Schock in Bayern: Karl-Theodor zu Guttenberg tritt zurück - nicht nur von seinen politischen Ämtern, sondern auch als Hoffnungsträger der CSU. Für die Partei ist das ein herber Schlag.

Birgit Kruse

Am Schluss stand ihm das Wasser bis zum Hals. Die Affäre um die Plagiate in seiner Doktorarbeit, die heftigen Reaktionen aus Politik und Wissenschaft waren offenbar zu viel. Karl-Theodor zu Guttenberg tritt zurück, als Verteidigungsminister, als CSU-Bezirkschef von Oberfranken. Und als Hoffnungsträger der CSU. Der Rücktritt von Guttenberg trifft die Partei ins Mark. Denn mit dem Erscheinen von Guttenberg auf der großen politischen Bühne schien für die CSU das Ende einer tiefen Krise in Reichweite.

Karl-Theodor zu Guttenberg (re.) tritt von seinen politischen Ämtern zurück - CSU-Chef Seehofer wirkt erschüttert, als er in München vor die Presse tritt. (Foto: Archivbild dpa)

Doch seit diesem Morgen scheint alles anders. Wie anders, das steht CSU-Chef Horst Seehofer ins Gesicht geschrieben, als er um 13 Uhr in der Münchner Staatskanzlei vor die Presse tritt. Guttenbergs Entscheidung bezeichnet er als "sehr schmerzlichen Schritt für die CSU". Denn der neue Erfolg der CSU ist eng mit der Person Guttenberg verknüpft.

2008 holt Seehofer den Oberfranken als Generalsekretär in die Parteizentrale nach München. Und das Wahlvolk ist begeistert. Mit dem smarten "Adeligen" taucht ein neuer Politikertypus auf - einer, nach dem sich die politikverdrossene Republik offenbar gesehnt hat.

Guttenberg trägt Designeranzüge, sieht blendend aus, kann sich gewählt ausdrücken - das ist neu in der sonst so eintönigen Welt der Politik. Und: Er erweckte immer den Anschein, letzte Instanz für Würde und Anstand im sonst oftmals so unanständigen Politikbetrieb zu sein.

Und noch etwas unterscheidet Guttenberg von vielen Mandatsträgern. Er ist finanziell unabhängig, ist nicht angewiesen auf eine Karriere im Polit-Zirkus. Das macht er immer wieder deutlich - etwa in der Debatte um Staatshilfen für Opel, als er in einer Machtprobe mit der Kanzlerin seinen Rücktritt als damals noch Wirtschaftsminister androht. Das macht ihn bei den Wählern so beliebt. Und in der Partei so unverzichtbar.

Denn 2008 steckt die CSU in einer tiefen Krise. Nach dem erzwungenen Rücktritt von Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber 2007, nach dem Verlust der Zweidrittelmehrheit im bayerischen Parlament gelingt es der CSU nicht mehr, sich aus dem Umfragetief zu retten. Nach dem unglückseligen Jahr unter dem Tandem Günther Beckstein (Ministerpräsident) und Erwin Huber (Parteichef) wählen sie den in der Führungsriege der CSU unbeliebten Horst Seehofer an ihre Spitze. Er gilt vielen als populistischer Einzelkämpfer, als unberechenbar. Dennoch soll er retten, was nicht mehr zu retten scheint.

Denn nicht nur der Bedeutungsverlust im Freistaat droht, sondern auch der auf Bundes- und Europaebene. Dann gelingt Seehofer ein Coup, indem er den smarten Bundestagsabgeordneten aus Oberfranken ins Rampenlicht der Partei holt. Die Umfragewerte steigen stetig an - die Laune von Seehofer indes sinkt. Denn nun ist Guttenberg der Liebling und Retter der Partei - und schon bald interner Konkurrent von Seehofer um das Amt des Parteichefs.

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Doch Seehofer zieht nur hinter den Kulissen die Fäden. Nach außen hin demonstriert er Unterstützung für Guttenberg - auch in der Krise um die Plagiatsvorwürfe. Denn eines will Seehofer auf keinen Fall: auf den neuen Hoffnungsträger Guttenberg ganz verzichten und damit den beginnenden Höhenflug der Partei gefährden.

Guttenbergs Rücktritt - ein Jahr danach
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Plagiatsaffäre, Rücktritt von allen Ämtern, Umzug in die USA, wenige Monate später dann der Comeback-Versuch: Vor genau einem Jahr fand Karl-Theodor zu Guttenbergs rasante Karriere ein jähes Ende. Von der Enthüllung durch die "Süddeutsche Zeitung" bis hin zur Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens - ein Rückblick auf den Fall Guttenberg.

Genau das könnte jetzt passieren. Denn neben Guttenberg gibt es kaum jemanden in der CSU mit dieser Magnetwirkung auf die Parteibasis - und auf die eigenen Anhänger. Nicht einmal mehr Seehofer selbst, der einst ähnlich populär an der Basis war wie Guttenberg heute.

Und damit muss sich die CSU zahlreichen unangenehmen Fragen stellen, auf die sie so rasch keine Antworten finden wird: Wer soll die Lücke füllen, die Guttenberg nun hinterlässt? Sicher, in der Bevölkerung werden die Sympathien nicht von heute auf morgen verschwinden. Profitieren kann die CSU davon jedoch nicht mehr.

Welcher CSU-Mann wird die Nachfolge in Berlin antreten? Im Koalitionsvertrag ist geregelt, dass die Christsozialen den Minister im Verteidigungsressort stellen. Einige Namen sind schon im Gespräch. Doch egal wer es werden wird - die Aufgaben, die vor ihm liegen, sind gigantisch. Und der Erfolg oder Misserfolg der Bundeswehrreform wird auch wieder der CSU zugeschrieben werden.

Und noch eine Frage steht im Raum: Wie lange wird Horst Seehofer nun Parteichef bleiben? Guttenberg wurde schon als Nachfolger gehandelt - wenn auch nicht bei der Wahl des Parteivorsitzenden im Herbst, so doch in naher Zukunft. Doch auch diese Personalie ist nun in Frage gestellt. Der CSU wird Seehofer wohl noch lange erhalten bleiben - zum Leidwesen seiner zahlreichen Kritiker.

Nur gut, dass in Bayern erst wieder 2013 gewählt wird.

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