Süddeutsche Zeitung

CSU:Der Kampf um die Bundesministerien

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Von Wolfgang Wittl, München

Gesten sagen manchmal mehr als Worte, und Szenen wie diese sprechen für sich. Es war vor der letzten CSU-Vorstandssitzung, als Dorothee Bär ihrem unterfränkischen Landsmann Winfried Bausback in die Arme lief. Kurze Umarmung, ein paar nette Worte und ein Gesicht des bayerischen Justizministers, das zu sagen schien: Na, darf man gratulieren? Bärs Antwort bestand in einem kurzen Kopfschütteln und ausgiebigen Schulterzucken.

Fast drei Wochen ist das nun her, doch an der Ratlosigkeit in der CSU hat sich seitdem nichts geändert. Wer wird als Bundesminister in das vierte Kabinett von Angela Merkel einziehen, sollte die SPD einer großen Koalition zustimmen? Sicher ist nur, welche Ministerien die CSU bekommen soll - und dass Parteichef Horst Seehofer mit dem Innenministerium das größte von ihnen beanspruchen wird, erweitert um die Ressorts Bau und Heimat. Auch wenn er am Montag sagte, sein Wechsel sei hoch wahrscheinlich, aber "noch nicht endgültig". Schließlich sei der genaue Zuschnitt des Ressorts noch nicht im Detail besprochen. Aber wer erhält den Zuschlag für Digitales und Verkehr, wer für Entwicklung?

Das Problem: Es gibt mehr Kandidaten als offene Stellen. Wer jemals beim Kindergeburtstag die "Reise nach Jerusalem" gespielt hat, ahnt, worum es geht. Eine Anzahl von Bewerbern läuft um ein paar Stühle herum und darf sich erst setzen, wenn die Musik zu spielen aufgehört hat. Dumm ist nur, dass immer ein Stuhl weniger vorhanden ist als Teilnehmer. Wer keinen Platz findet, hat verloren.

In der CSU kreisen seit Wochen drei Namen um die beiden noch offenen Ministerien. Einer gehört Bär, die beiden anderen Generalsekretär Andreas Scheuer und Entwicklungsminister Gerd Müller. Jeder von ihnen führt Argumente und Unterstützer ins Feld, weshalb ausgerechnet er (oder sie) auf einem der Stühle sitzen sollte, wenn am kommenden Montag die Musik zu spielen aufhört. Dann will Seehofer im Parteivorstand mitteilen, für wen er sich entschieden hat, sollte sich die SPD tags zuvor zu einer gemeinsamen Regierung durchgerungen haben.

Als nach den Koalitionsverhandlungen eine Liste mit Ministernamen kolportiert wurde, sah es so aus, als sollte Scheuer Verkehrsminister werden und Bär Entwicklungsministerin. Das war insofern überraschend, weil Müller in der abgelaufenen Legislatur die besten Kritiken aller CSU-Minister erhalten hatte: unaufgeregt, sachkundig, innovativ - solche Komplimente hätten Verkehrsminister Alexander Dobrindt und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt wohl auch gerne gelesen.

Indiskretionen zeigten allerdings, dass Müller innerhalb der CSU kritischer gesehen wird oder Gegner hat, die sehr entschlossen sind: Unkonzentriert sei der Minister in Koalitionsgesprächen aufgetreten, er habe nichts erklären können und sich nicht ausgekannt, raunten Parteifreunde hinter vorgehaltener Hand. Müller blieb ruhig, ließ durchblicken, dass er seine Arbeit gerne fortsetzen würde - vor allem ließ er andere für sich sprechen.

Schwäbische Parteifreunde mit dem immer noch einflussreichen CSU-Ehrenvorsitzenden Theo Waigel an der Spitze intervenierten bei Seehofer, sie werben bis heute für ihren Landsmann Müller. Tenor: Es könne nicht angehen, einen angesehenen Minister abzusägen. Gleichzeitig schwingt die notorische Sorge der Schwaben mit, im CSU-Machtgefüge zwischen Franken und Altbayern zerrieben zu werden.

Ginge es nach regionalem Proporz, sähe es für Scheuer düster aus. Franken (Bär), Schwaben (Müller) und Altbayern (Seehofer) - für einen Niederbayern bliebe da kein Platz mehr. Andererseits hat Scheuer in vier Jahren als Generalsekretär seine Treue zu Seehofer bewiesen. Der Parteichef ist dafür bekannt, solchen Einsatz zu belohnen. Außerdem brächte die bewährte Rollenverteilung wohl auch im Kabinett Vorteile: Scheuer als scharfzüngiger Wahrer der CSU-Interessen, wenn der Chef sich aus Staatsräson zurückhalten muss?

Das wäre nicht neu. Als der scheidende Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Wochenende gegen Seehofer stichelte, er, de Maizière, hätte sich "diese Breite des Ressorts nicht zugetraut", lehnte Seehofer sich entspannt zurück, er hat ja Scheuer. "Manche trauen sich eben weniger zu, und nur wenige können mehr", konterte der Generalsekretär im Namen seines Herrn.

Scheuer war bereits Staatssekretär im Verkehrsministerium, Bär ist es im Moment. Trotzdem wird sie - obwohl eher in digitalen als in außenpolitischen Fragen bewandert - auch für das Entwicklungsministerium gehandelt. Junge Frau aus Franken, dreifache Mutter, nicht auf den Mund gefallen und stellvertretende Parteichefin - damit lässt sich werben.

Kritiker ziehen zwar in Zweifel, ob Bär ähnliche Chancen hätte, wäre sie ein Mann. Andererseits stellt sich die Frage, ob die CSU es sich leisten kann, ganz auf eine Ministerin zu verzichten, während CDU und SPD so viele Frauen wie Männer ins Kabinett schicken. Und dann ist da noch das Alter: Will Seehofer, mit 68 Jahren der Älteste, Aufbruch signalisieren, hätten Bär, 39, und Scheuer, 43, gegenüber Müller, 62, wohl Vorteile.

Seehofer ist dafür bekannt, dass er Stimmungen testet, ehe er wichtige Personalentscheidungen trifft. Er will sehen, wie die Reaktionen auf Kandidaten ausfallen. Noch soll er keine Gespräche geführt haben. Sicher ist: So lange wie diesmal war selten ein Testballon unterwegs.

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SZ vom 27.02.2018
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