CSU:Der ewige Horst

Kabinettssitzung in München

"Meister der Doppelstrategie": CSU-Chef Horst Seehofer.

(Foto: Matthias Balk/dpa)
  • Viele führende Köpfe in der CSU gehen davon aus, dass Horst Seehofer noch eine Amtszeit als Ministerpräsident und Parteivorsitzender dranhängt.
  • Dass ihn selbst einstige Kritiker als Zukunftshoffnung sehen, hat mit dem Trauma der CSU beim Sturz Edmund Stoibers zu tun.
  • Ganz unbeteiligt ist jedoch auch Seehofer nicht: Er jongliert gekonnt mit Erwartungen, Posten und Namen.

Von Wolfgang Wittl

Es gibt eine Anekdote, die hat Horst Seehofer schon immer gut gefallen, in letzter Zeit aber noch besser als sonst. Die Geschichte geht so: Es ist Herbst 2008, die CSU ist bei der Landtagswahl in Bayern um sagenhafte 17,3 Prozent abgestürzt, in der Partei regiert Chaos. Parteichef Erwin Huber tritt zurück, Horst Seehofer übernimmt.

Doch beim Amt des Ministerpräsidenten zeichnet sich eine Blockade ab. Drei Kandidaten aus der Münchner Landtagsfraktion rangeln um die Nachfolge von Günther Beckstein, ein vierter sitzt weit entfernt, wartet ab und sagt einen Satz, der zwar zurückhaltend klingt, in Wahrheit aber nichts anderes ist als ein verklausulierter Machtanspruch. Er habe kein Problem damit, lässt Seehofer wissen, als Minister und Parteichef in Berlin zu bleiben. Bayerischer Regierungschef wolle er nur werden, sollten sich die Freunde in München nicht auf eine Lösung verständigen können.

Gut acht Jahre liegt das zurück, und damit nur wenige Tage länger, als Seehofer von Berlin aus in die bayerische Staatskanzlei eingezogen ist. Doch die Geschichte ist aktueller denn je. Seit Monaten zieht Seehofer durchs Land und bietet den Parteivorsitz an wie ein Gebrauchtwagenhändler eine Schrottkarre. Es müsse nur einer zugreifen, sagt er, dann werde er gerne als CSU-Chef abtreten.

Einzige Bedingung: Der Nachfolger müsse in Berlin sitzen, des höheren Einflusses im Bundeskabinett wegen. Auch deshalb hat sich noch keiner gemeldet. Derjenige, der am meisten nach der Macht strebt, hat seinen Karriereplan allein auf Bayern ausgerichtet (Finanzminister Markus Söder). Andere fühlen sich entweder nicht stark genug oder halten sich bedeckt (Innenminister Joachim Herrmann). Und so erzählt der CSU-Chef nun bei jeder Gelegenheit genüsslich, dass bei ihm noch keine einzige Bewerbung eingegangen sei. Der ewige Seehofer?

Immer mehr führende Köpfe in der CSU gehen inzwischen davon aus, dass Seehofer sich dieses Jahr ein weiteres Mal zum Parteichef wählen lässt und - sollte die CSU bei der Bundestagswahl Erfolg haben - 2018 erneut als Ministerpräsident antreten wird. Das Erstaunliche: Sie scheinen sich daran nicht im Geringsten zu stören.

Sogar Erwin Huber, seit jeher einer von Seehofers schärfsten Kritikern, lobt den einstigen Rivalen überschwänglich. Das mag damit zu tun haben, dass viele in der CSU-Spitze die Aussicht auf einen Ministerpräsidenten und Parteichef Söder noch weniger attraktiv finden. Noch mehr aber denken sie wie Huber, der von sich behauptet: "Meine einzige Richtschnur als langjähriger Parteisoldat ist, wie meine Partei am besten abschneidet." Das tut sie nach Ansicht der meisten offenbar mit Seehofer.

Das Stoiber-Trauma wirkt bis heute nach

Wer der Frage nachgeht, wie ein 67-Jähriger zur großen CSU-Zukunftshoffnung avancieren kann, landet in der Vergangenheit. Da wäre das Trauma von 2007, als die CSU ihren Dominator Edmund Stoiber zum Rücktritt drängte. Eine Situation, von der Stoibers Nachfolger Huber heute sagt, Vergleichbares dürfe nicht mehr passieren: "Was wir 2007 hatten, war ein Hineinstolpern in eine explosive Situation, mit all den Verletzungen, Problemen und Lagerbildungen" - sowie den desaströsen Folgen bei der Wahl 2008. Die Erinnerung an Stoibers Sturz schützt jeden CSU-Chef wie ein Schild vor einem Putsch.

Auch Seehofer profitierte davon in seinen schwächeren Phasen. 2014 etwa, nach dem dürftigen CSU-Ergebnis bei der Europawahl. Oder ein Jahr später, als im Bund die Wahlversprechen Pkw-Maut und Erziehungsgeld vor dem Scheitern standen. Dann aber kam die Flüchtlingskrise und mit ihr Seehofers Comeback als Angela Merkels schärfster Widersacher. Je mehr er die Kanzlerin attackierte, desto stärker wurde seine Stellung in der CSU.

Dazu kommt eine grundsätzliche Eigenschaft Seehofers. Wie ein Jongleur wirbelt er durch die politische Manege und lässt sein staunendes Publikum die Gegenwart vergessen. Nur dass seine Bälle nicht aus Holz gemacht sind, sondern mal aus Gerüchten, mal aus Forderungen, mal aus Personalspekulationen. Die Fantasie muss nur beflügelt werden.

Seehofer ist ein Jongleur - die Menge schreit Ah und Oh

Man denke an die vielen Namen, die Seehofer in den vergangenen Jahren wie Spielzeug in die Luft geworfen hat: Ilse Aigner, Alexander Dobrindt, Manfred Weber, Joachim Herrmann und immer wieder Karl-Theodor zu Guttenberg (der Söder-Ball segelt auch ohne Seehofers Zutun). Die Zuschauer in der eigenen Partei riefen Ah und Oh, sie klatschten oder buhten - Hauptsache, sie waren abgelenkt. Nun, da mit den Wahlen die wichtigsten Auftritte näher rücken, steht Seehofer als Einziger auf der Bühne.

Ob er einen weiteren Darsteller an seine Seite holt, weiß Seehofer vielleicht selbst noch nicht. Bis zur Listenaufstellung für die Bundestagswahl Anfang Mai will er mit dem CSU-Spitzenpersonal geredet haben. In der Partei fällt auf, wie freundlich er gerade über Herrmann spricht. Der Innenminister darf ihn öfter nach Berlin begleiten, an diesem Montag nimmt er neben Seehofer als einziger CSU-Mann am Koalitionsgipfel in der Staatskanzlei teil.

Wenn Seehofer gefragt wird, ob Herrmann das Zeug zum Bundesinnenminister und Parteichef habe, nickt er anerkennend und grinst. Der Gelobte dürfte damit umzugehen wissen. 2008 gehörte Herrmann zu jenen drei Kandidaten, die am Ende Seehofer gratulieren mussten.

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