CSU-Chef Seehofer im Glück:Auf dem Sonnendeck

Seehofer wettert im ZDF gegen Norbert Röttgen, die Kanzlerin vollstreckt sein Urteil - und selbst die Umfragen spielen dem CSU-Chef in die Hände. Kein Wunder, dass sich Seehofer derzeit so bedeutungsschwer wie schon lange nicht mehr fühlt. Zumal er in der Partei keinen Konkurrenten mehr hat.

Mike Szymanski

Der Regent hat genug gesehen und genug gehört: "Ich habe das Gefühl, dass ich mich im gelobten Land befinde", sagt Ministerpräsident Horst Seehofer. Er steht am Champagnerpool in der Therme Erding, ein künstliches kleines Südseeparadies unter Glas.

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So ein bisschen fühlt er sich jetzt wohl auch wie ein König: Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer. In der Partei gibt es für ihn keinen Konkurrenten mehr, und auch die Kanzlerin muss derzeit auf sein Wort hören.

(Foto: dapd)

Seehofer hat sich mit seinem Tross in den Landkreis Erding aufgemacht, um nach dem Rechten zu sehen. Erst erkundigt er sich bei der Frau von der Kasse: "Beschwerden?" "Nein", sagt sie, "keine Beschwerden." Und dann schäkert er noch mit den Mädels von der Thermen-Bar: "Ihr hofft, dass ich wieder verschwinde", ruft er ihnen im Vorbeigehen zu. "Um Gotteswillen!", kommt es im Chor zurück. In der Politik geht eine bewegte Woche zu Ende, in der es viele Verlierer gegeben hat. Seehofer gehört ganz sicher nicht zu ihnen.

Umweltminister Norbert Röttgen war einst ein Versprechen auf die Zukunft der CDU, nach der Wahlniederlage in NRW ist er nur noch Vergangenheit. Kanzlerin Angela Merkel, die ihn am Mittwoch aus dem Kabinett geworfen hat, steht plötzlich als kalte Machtpolitikerin da. Und Seehofer? Er reist gemütlich durch den Freistaat und macht Wellness-Politik. Für ihn läuft es gerade richtig gut.

War in der Vergangenheit oft von der Verzwergung der CSU die Rede, weil Seehofer und seine Partei fast nur noch mit sich selbst beschäftigt waren, gewinnt die CSU gerade bundespolitisch wieder an Größe. Mit seinem offenherzigen Interview am Montag im ZDF, in dem Seehofer Röttgens Fehler als Wahlkämpfer schonungslos vor einem Millionenpublikum analysierte, hat er den Umweltminister regelrecht ans Messer geliefert. Kein feiner Zug.

Weil aber die Kanzlerin Röttgen am Mittwoch entlassen hat, fühlen sie sich in der CSU bestätigt. Röttgen ist eine Trophäe für Seehofer - er darf sich nur nicht laut darüber freuen. Reue zeigt er aber auch keine. "Ich werde auch jeden Tag hart kritisiert", sagt Seehofer. "Und wenn es berechtigt ist, sage ich: jawohl." So hart kann er sein.

Auch im Streit um das umstrittene Betreuungsgeld, das eigentlich nur die CSU will, hat Seehofer schweres Geschütz aufgefahren und zwischenzeitlich mit dem Ende der Koalition in Berlin gedroht. Jetzt sieht es so aus, als würden die Christsozialen die Prämie für Mütter, die ihre Kinder daheim erziehen, doch noch gegen alle Widerstände durchsetzen. Die CSU fühlt sich nach langer Zeit mal wieder so richtig bedeutungsschwer.

Wir sind noch nicht am Ziel, aber auf dem richtigen Weg", sagt etwa Georg Schmid, der Chef der CSU-Fraktion im Landtag. Dabei ist "wir" eigentlich das falsche Wort. Seehofer müsste es korrekterweise heißen. Knapp anderthalb Jahre vor der Landtagswahl in Bayern ist es nur noch der Parteichef, der den Kurs vorgibt. Allein sein Umgang mit Röttgen hat schon mal gezeigt, dass er dabei nicht mehr bereit ist, Rücksicht zu nehmen.

Tagelang Gesprächsthema mit Facebook-Party

In der CSU gibt es keine Schwarmintelligenz. Es zählt nur das, was Seehofer denkt: Die Landtagsfraktion hat sich ihm bereits ergeben. Bei der Winterklausur in Kreuth überrumpelte er seine Abgeordneten mit dem Vorhaben, Bayern bis 2030 schuldenfrei zu machen. Die Abgeordneten durften den Plan nur noch abnicken und als große Vision auf den Neujahrsempfängen ihren Anhängern verkaufen.

Die Berliner Landesgruppe hat auch nicht mehr viel zu melden, seitdem Seehofer Gerda Hasselfeldt an deren Spitze installiert hat. Im kleinen Kreis stichelt Seehofer gerne mal gegen seine eigenen Leute in Berlin: Neben Hasselfeldt die Minister Ilse Aigner, Peter Ramsauer und Hans-Peter Friedrich, was dem Spiegel im März mal eine Geschichte mit dem Titel "Die mickrigen Vier" wert gewesen ist.

Das Verhältnis zu den Europaabgeordneten ist nach einem heftigen Streit mit dessen Chef Markus Ferber zerrüttet. Der hatte Seehofers Idee, Volksabstimmungen auch in Sachen Euro-Rettung zu ermöglichen, kritisiert. "Das bestimmt ganz gewiss nicht der Herr Ferber, wie der Kurs der Partei ist", machte Seehofer ihn runter. "Dazu will ich mich nicht mehr äußern", sagt Ferber heute.

Jetzt ist also Seehofer in der Bringschuld. Nach der Sitzung des Kabinetts neulich nannte er die Landtagswahl 2013 die "Mutter aller Entscheidungen". Dann wird auch über ihn abgestimmt. Im Moment stimmen seine Ergebnisse. "Die Performance ist gigantisch", sagt einer aus dem Vorstand und staunt darüber, wie Seehofer etwa mit seiner Facebook-Party in der Münchner Edeldisco P1 tagelang Gesprächsthema sein konnte.

Auch die Umfragen spielen Seehofer in die Hände. Zuletzt bewegte sich die CSU bei 46 Prozent. Ein Oppositionsbündnis aus SPD, Grünen und Freien Wählern unter Führung des SPD-Spitzenkandidaten Christian Ude, das der CSU gefährlich werden könnte, kommt derzeit in den Umfragen nicht nahe genug heran, um vom Machtwechsel träumen zu können. Die Piraten rauben die dafür nötigen Prozente. Und wer sollte innerparteilich Seehofer bis 2013 noch gefährlich werden, nachdem die Partei Karl-Theodor zu Guttenbergs Scheitern erlebt hat?

Seehofer ist momentan unangefochten die Nummer eins. Aber es ist eine angespannte Machtbalance, auf die sich Seehofer stützt. Er hat sich mit so vielen in seiner Partei angelegt. Wirklich offen zu reden, trauen sich nur jene, die nichts mehr zu verlieren haben: Thomas Goppel zum Beispiel, den Seehofer nach seinem Amtsantritt 2008 als Wissenschaftsminister aus dem Kabinett geworfen hatte. Begründung: zu alt. "Horst Seehofer macht Theo Waigel und Edmund Stoiber an Härte durchaus etwas vor", sagt Goppel.

Wer meint, die Kanzlerin wäre einsam, kennt Seehofer und seine CSU nicht. Ein Funktionär formuliert es so: "Seehofer weiß, wenn die Landtagswahl in Bayern schiefgeht, braucht er seinen Schreibtisch gar nicht auszuräumen. Die Kisten stellen wir ihm dann schon vor die Tür." Freunde brauche er dann auch keine mehr.

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