CSU-Chef lästert über Finanzminister:Wie Seehofer Söder demontiert

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Kabinettssitzung München

Ist für Markus Söder der Vorhang in der CSU schon gefallen? Bei der möglichen Seehofer-Nachfolge muss er sich hinten anstellen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Er sei "vom Ehrgeiz zerfressen", habe gar "charakterliche Schwächen": Keinen hat der Rundumschlag Horst Seehofers so frontal getroffen wie Markus Söder. Der Finanzminister fühlte sich lange als Kronprinz - doch der CSU-Chef hat längst neue Lieblinge.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Der Chor hat gerade gesungen: "Die wunderbarste Zeit ist nah." Aber als Landtagspräsidentin Barbara Stamm von der CSU ans Rednerpult tritt, weiß sie, dass das nicht stimmt. Sie hat am Dienstagabend zum parlamentarischen Weihnachtsabend in den Senatssaal des Landtags eingeladen. Die Abgeordneten sitzen an festlich gedeckten Tischen. An Stamms Tisch sitzt Regierungschef Horst Seehofer.

Sie schaut ihn vom Rednerpult nicht immer direkt an, aber es ist klar: Die Worte, die sie nun wählt, sind vor allem an den "lieben Horst Seehofer" gerichtet. Sie wünsche sich, dass man vor der "Würde des anderen Halt" macht, sich immer wieder fragt, "wie man miteinander umgeht". Menschen, die einem nahe stünden, könne man auch mal sagen, "wie schön es ist, dass es sie gibt". Stamm redet länger, als sie wollte. In der CSU sehen viele Barbara Stamm als Mutter der Partei. Aber jetzt wirkt die Mutter sehr bedrückt. Denn es ist etwas vorgefallen in der Familie.

Tags zuvor, am Montagabend auf der Weihnachtsfeier der CSU für Journalisten, war Seehofer von Tisch zu Tisch gegangen und hatte vor allem über die eigenen Parteifreunde gelästert. Weil er in seiner Begrüßungsrede gesagt hatte, alle Äußerungen seien "frei", also für die Berichterstattung zu verwenden, machte am Dienstag sofort die Runde, wie Seehofer über seine Parteifreunde denkt.

Der Regierungschef erzählte freimütig, dass er Söder für "vom Ehrgeiz zerfressen" halte. Er habe "charakterliche Schwächen", einen "pathologischen Ehrgeiz" und leiste sich "zu viele Schmutzeleien". Als Söder das hörte, sagte er seine Teilnahme an der Weihnachtsfeier des Landtags ab. Der Chor singt "Heil'ge Nacht im Frankenland" - aber Söder will an diesem Abend nicht mit Seehofer zusammensitzen.

Wer oben ist und wer unten, darüber bestimmt Seehofer

Söder und Seehofer - beide sind Profis genug, um zu wissen, dass es in der Politik nicht um Freundschaften geht. Aber zumindest Söder hatte immer geglaubt, er und Seehofer, sie bildeten so eine Art Team und er selbst sei der aussichtsreichste Kronprinz. Doch bei der Weihnachtsfeier am Montag hat Seehofer gesagt: "Mal ist man oben, mal unten. Und der Markus ist eben wieder unten." Wer oben ist und wer unten, darüber bestimmt Seehofer.

Am Mittwoch ist Söder dann wieder im Landtag, Seehofer jedoch nicht. Der Parteichef ist im Vermittlungsausschuss in Berlin. Doch in München wäre eine ganz andere Schlichtung sehr viel wichtiger: zwischen Söder und Seehofer. Der Finanzminister ist richtig blass, als er ins Plenum kommt. Wirklich getroffen und menschlich enttäuscht sei Söder, sagt einer, der ihn gut kennt. Der Finanzminister selbst sagt nur ein paar tapfere Sätze am Eingang: "Ich konzentriere mich auf meine Arbeit . . .", sagt er, macht eine kurze Pause und fügt an: ". . . in Partei und Fraktion."

Das ist eine Botschaft: In der Fraktion ist Seehofer nicht Mitglied, Söder aber schon. In der Fraktion geben Seehofers Ausfälle Söder an diesem Mittwoch eher Rückhalt und Solidarität. Über den Ministerpräsidenten dagegen gibt es Kopfschütteln und viele Angriffe von Abgeordneten, die nicht genannt werden wollen. So sei er halt, sagen sie, einer, der narzisstisch tickt und immer weniger berechenbar agiert. Einen wie Seehofer müsse man ertragen können. Es gibt auch viele, die einfach nur gerne verstehen würden, was ihn treibt. Sollte es in der Fraktion noch Menschen geben, die Seehofer den Rücken stärken, dann geben sie sich am Mittwoch nicht zu erkennen.

In der Fraktion wird die Forderung nach einer Sondersitzung laut. Seehofer soll sich erklären. Aber Fraktionschef Georg Schmid lehnt ab. Nicht noch mehr Ärger. Noch ist wohl auch nicht genug für eine Revolte gegen den Parteichef vorgefallen. Zum einen sind die Wahlen zu nah und die Umfrageergebnisse zu gut. Wer sonst außer Seehofer sollte es machen. Zum anderen gibt es auch in der Fraktion viele, die noch etwas werden wollen - vorerst zumindest unter Seehofer. Jedoch: Die Entfernung ist spürbar, Seehofer ist physisch in Berlin und gefühlt in einem anderen Universum. Schmid telefoniert immerhin mit ihm, sagt aber hinterher nichts.

Die Lästereien vom Montag waren kein Ausrutscher. Sie sind Ausdruck, wie Seehofer mit seinem Personal umgeht, wie er Personalpolitik betreibt. Seehofer führt jetzt mehr als vier Jahre die Partei, und in dieser Zeit ist aus der CSU ein Ein-Mann-Betrieb geworden. "Den Leuten eins überbügeln - das ist seine Art zu kommunizieren", sagt einer aus dem Parteivorstand, der öfter Ziel von Seehofers Attacken geworden ist.

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