CSU:Brandreden und Masterpläne

CSU-Vorstandssitzung

CSU-Chef Horst Seehofer kündigte am Montag für den 10. Oktober eine Konferenz zu den Fluchtursachen und deren Lösung an.

(Foto: dpa)
  • Auf der CSU-Vorstandsklausur stellt Parteichef Seehofer zwei Dinge klar: Die Grenzkontrollen waren notwendig. Eine umfassende Lösung der Probleme stellen sie nicht dar.
  • Seehofer kündigt eine Fachtagung zum Thema "Flüchtlinge und Migration" an.
  • Die Grünen im bayerischen Landtag werfen der Koalition in Berlin indes vor, die "Abschreckungspolitik" des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zu nutzen, um die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland zu reduzieren.

Von Daniela Kuhr und Wolfgang Wittl

Diese Vorstandssitzung der CSU war dann wohl doch keine ganz einfache. Jedenfalls muss die Pressekonferenz, zu der CSU-Chef Horst Seehofer am Montagnachmittag im Anschluss eingeladen hat, um eine ganze Stunde verschoben werden. Offenbar hat es Gesprächsbedarf gegeben. Mancher sprach sogar von einer "Brandrede" an diesem ersten Tag nach Wiedereinführung der Grenzkontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze - auch wenn die einzelnen Themen im Grunde harmonisch diskutiert worden sein sollen, wie Teilnehmer berichten. Lediglich die Einladung an den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán löste mitunter zwiespältige Reaktionen aus (siehe Bericht unten).

Grenzkontrollen sollen Chaos beenden

Zwei Punkte wolle er festhalten, stellte Seehofer hinterher klar: Die Grenzkontrollen seien "dringend notwendig, um ein regelfreies System wieder zurückzuführen zur Ordnung". Soll heißen: Seitdem Bundeskanzlerin Angela Merkel vor zwei Wochen den Flüchtlingen aus Ungarn die freie Einreise gewährt hat, kamen die Menschen in solchen Scharen, dass viele überhaupt nicht mehr registriert werden konnten. Es hat laut CSU also niemand einen genauen Überblick, wer in den vergangenen 14 Tagen alles ins Land gekommen ist und wo er sich aufhält. Eben dieses Chaos sollen die Grenzkontrollen nun beenden. Die Flüchtlinge kommen zwar weiter nach Deutschland, aber sie werden möglichst bereits an der Grenze registriert und direkt von dort in eine Erstaufnahmeeinrichtung gebracht. Womit man auch gleich beim zweiten Punkt wäre, den Seehofer am Montag klarstellen wollte: Die Grenzkontrollen "sind mitnichten eine umfassende Lösung der Probleme".

Gerade weil die Ursachen für den Zuzug der Flüchtlinge sehr komplex sind, will sich die CSU einmal ausführlich mit dem "Fundament der Flüchtlingsfragen" befassen. Seehofer kündigte für den 10. Oktober eine Fachtagung zum Thema "Flüchtlinge und Migration" an. Da solle es gerade nicht um die "Alltagsfragen" gehen, wie sie etwa an diesem Dienstag bei einer Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin besprochen würden, sondern um die großen grundsätzlichen Fragen. Vor allem auch darum, wie man den Ländern helfen könne, aus denen die Flüchtlinge derzeit aufbrechen, etwa der Türkei, Jordanien oder Libanon.

Seehofer spricht sich gegen Zwangsvermietung aus

Seehofer bekräftigte zudem den Rückhalt im Vorstand für die Beschlüsse des Vortags. Am Sonntag hatten er und Innenminister Joachim Herrmann angekündigt, dass Bayern demnächst zwei weitere Abschiebezentren für Flüchtlinge einrichten werde, die keine Bleibeperspektive hätten. Wo diese Zentren hinkommen, stehe noch nicht fest. Darüber hinaus fordert Bayern den Bund auf, die Hilfen für die Länder umgehend zu verdoppeln. Für dieses Jahr müssten statt einer Milliarde zwei Milliarden Euro fließen - und im kommenden Jahr sechs statt drei Milliarden. Um den Sorgen vieler Bürger und Hoteliers zu begegnen, hatte Seehofer zudem versichert, dass es keine Zwangsvermietungen geben werde. Des weiteren will sich die CSU für härtere Strafen gegen Schleuser einsetzen und kündigte an, dass Taxifahrer, die Flüchtlinge über die Grenze bringen, mit Haft rechnen müssen.

Christian Bernreiter (CSU), der Präsident des Bayerischen Landkreistags, hat die Bundesregierung bereits vor der Vorstandssitzung für die Grenzkontrollen gelobt - und zugleich einen "Masterplan" für weitere Maßnahmen angemahnt. Bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen etwa gelte nach wie vor das Prinzip: "Berlin redet, Bayern handelt". Die Handhabung der Flüchtlingskrise nannte Bernreiter am Wochenende "erschreckend".

Landtagsgrüne erheben Vorwürfe gegen Berliner Koalition

Aus Sicht der Landtagsgrünen ist es das am Montag auch, obschon aus anderen Gründen. Sie warfen der Berliner Koalition zum Auftakt ihrer Herbstklausur in Kempten "das klammheimliche Kalkül" vor, die "Abschreckungspolitik" des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zu nutzen, um die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland zu reduzieren. Das sei "eine Kapitulation der Menschlichkeit". Dem setzen die Grünen ein Papier mit eigenen Vorschlägen entgegen. Man werde die Herausforderungen nur "mit mehr Solidarität lösen und nicht mit weniger".

In einem "Aktionsplan für Bayern", der zu Beginn der Klausur diskutiert wurde, fordern die Grünen mindestens eine Verdopplung der Erstaufnahmeplätze sowie zusätzliche Sprachkurse für Flüchtlinge, um die Integration zu beschleunigen. Die Staatsregierung riefen sie erneut dazu auf, ein bayernweites Liegenschaftskataster mit Grundstücken und Immobilien vorzulegen, die als Flüchtlingsunterkünfte geeignet sind. Mindestens 50 000 neue Wohnungen seien notwendig, dazu 1000 weitere Lehrer. Arbeitssuchende aus dem Balkan sollten angelehnt an die EU-Freizügigkeitsregelungen legal in Deutschland arbeiten dürfen - und nicht den Umweg über das Asylrecht gehen müssen.

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger erklärte die bisherige Flüchtlingspolitik für gescheitert. Er plädiert für eine UNO-Schutzzone in Syrien, damit die Menschen in ihrer Heimat sichere Zuflucht finden und humanitär versorgt werden können.

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