Wer in der CSU "Bezirksfürst" werden will, der ist normalerweise schon etwas Wichtiges oder war es mal. Kabinettsmitglieder wie Georg Eisenreich oder Albert Füracker finden sich unter den mächtigen zehn Vorsitzenden der CSU-Bezirksverbände ebenso Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Wenngleich es bis dato schon Ausnahmen gab, hat sich am Wochenende in Obertheres etwas zugetragen, das hinhören lässt: Als Nachfolger von Gerhard Eck wurde nicht Sandro Kirchner zum unterfränkischen CSU-Chef gewählt, der Eck im Februar auch als Innenstaatssekretär nachgefolgt war. Sondern der "einfache" Landtagsabgeordnete Steffen Vogel. Schon in Obertheres machte ein Reporter der Mainpost aus: Dass an dem Abend "mehr Demokratie gewagt wird als sonst bei Personalentscheidungen in der CSU, das macht viele an der Basis stolz". Und wer in den Tagen danach mit Christsozialen spricht, hört allenthalben ein Lob über die "gelebte Demokratie", "die Partei lebt", mancher klingt fast berauscht. Ein "Hauch von Anarchie".
Underdog sticht Establishment? Das wäre eine zu rasche Lesart, auch wenn Vogel sich als solcher inszenierte: Er nannte sich den "Basismotivator", sprach von Hinterzimmern, in denen man nicht alles auskarten dürfe. "Wir kommen nicht mehr so richtig an die Bevölkerung heran", daher brauche es keinen Staatsmann, sondern "Schweißkapital". Kirchner dachte wohl eher, das werde ein Selbstläufer, qua Amtsbonus. In der Stimmung des Abends wurde das eher zum Malus: Vogel überzeugte eine knappe Mehrheit, dass man für den "Arbeitsauftrag" Zeit brauche, was ohne die Last des Regierungspostens besser gehe. Einer sagt: Zur Wahl stand "Euphorie im Überschwang gegen Seriosität im Überschwang". Einfach zwei Profile, fertig.
Stimmung bestens also, nichts, was einer Analyse von Machtverhältnissen bedürfe - das betonen nun alle. Die Sache ist auch da kompliziert. Dass ein Mann aus seinem Kabinett Wunschkandidat von Markus Söder ist, ist anzunehmen. Andererseits wird Vogel ein guter Draht zu Söder attestiert und neulich bei der Wahl zum Vorsitz des Wirtschaftsausschusses im Landtag (die er hernach verlor) galt er noch als Favorit der Staatskanzlei. Also bleibt am Ende nur die Frage: Ist die Demokratie in der Partei im Normalfall eine derart ungelebte? Da mag sich jeder seinen Teil denken.