CSU-Abgeordnete Dagmar Wöhrl:Äußerst verdienstvoll

Dagmar Wöhrl, CSU

CSU-Politikern Dagmar Wöhrl

(Foto: dpa/dpaweb)

Als Bundestagsabgeordnete erhält Dagmar Wöhrl 24.756 Euro im Quartal, als Verwaltungsrätin einer Schweizer Bank deutlich mehr - und das ist nicht ihr einziger Posten. Da fragt sich bloß, was hier eigentlich der Haupt- und was der Nebenjob ist.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Die CSU-Bundestagsabgeordnete Dagmar Wöhrl, 59, ist eine viel beschäftigte Frau. Vorige Woche erst organisierte sie in Nürnberg einen Kindertag mit TV-Moderatorin Sabine Christiansen als Stargast. Wöhrl steht dem örtlichen Tierschutzverein vor, ist Mitglied der deutschen Unesco-Kommission und im Hörfunkrat des Deutschlandradios. Sie sitzt im Vorstand der Deutsch-Atlantischen Gesellschaft und im Beirat des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft.

Dutzende Posten und Ämter neben ihrem Abgeordnetenmandat weist Wöhrl auf der Internetseite des Deutschen Bundestages aus. Manche davon sind ehrenamtlich, andere jedoch hoch bezahlt. In diesem Gestrüpp aus Nebentätigkeiten und Lobbyismus scheint sich Wöhrl verheddert zu haben.

Seit Frühjahr 2011 gehört die Nürnberger CSU-Politikerin dem Verwaltungsrat und dem Beirat der Schweizer Sarasin-Bank an. Sarasin, eines der ältesten eidgenössischen Geldhäuser, wird hierzulande mit mutmaßlicher Steuerhinterziehung in großem Stil in Verbindung gebracht. Bei deutschen Behörden steht die Bank im Verdacht, bei Steuerhinterziehungen als Vermittlerin eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Zunächst bestritt das Geldhaus alle Vorwürfe; inzwischen nimmt es dazu keine Stellung mehr. Die Abgeordnete Wöhrl kassiert von Sarasin mehr Geld als für ihre Tätigkeit im Bundestag.

Bezahlt wird pro Quartal

Exakt 8252 Euro Diäten monatlich verdient jeder Bundestagsabgeordnete seit 1. Januar 2013, Aufwandsentschädigungen für Büros und Mitarbeiter nicht eingerechnet. Macht pro Quartal 24.756 Euro. Ebenfalls pro Quartal rechnete Wöhrl bei der Sarasin-Bank zumindest bis Herbst vorigen Jahres 42.500 Schweizer Franken ab, umgerechnet etwa 34.200 Euro. Dies geht aus Rechnungen der Politikerin an das in Basel angesiedelte Geldhaus hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Demnach ließ sich Wöhrl das Geld auf ein Schweizer Sarasin-Konto überweisen.

Inzwischen lande es direkt auf einem deutschen Konto, teilt Wöhrl auf Anfrage mit. Sie beziffert ihre Quartalseinkünfte bei Sarasin auf derzeit 26.973,30 Schweizer Franken. Das Geld werde korrekt versteuert und Sozialabgaben müsse sie auch zahlen.

Wie hoch ist der Aufwand für so viel Geld?

Wie aber sieht die Gegenleistung aus? Wie hoch ist der zeitliche Aufwand für ein solches Salär? Nach unbestätigten Informationen aus Wöhrl nahestehenden Parteikreisen kommen Verwaltungsrat und Beirat der in Basel angesiedelten Sarasin maximal einmal in drei Monaten zusammen.

Das treffe "nicht unbedingt zu", weicht Wöhrl auf Nachfrage aus. "Die Sitzungstage sind nicht statisch festgelegt, sondern werden nach aktuellen Gegebenheiten angesetzt." Es könnten also theoretisch mehrere Sarasin-Arbeitstage pro Quartal sein, aber auch gar keiner. "Gegebenenfalls", antwortet Wöhrl kryptisch, kämen "Telefonkonferenzen und Vorbereitungen auf die Sitzungen hinzu".

Die ehemalige Wirtschafts-Staatssekretärin (2005 bis 2009) hat es nicht gern, wenn sie auf ihre Nebenjobs angesprochen wird. Sie fühlt sich als Medienopfer und empört sich über die "Götter in den Schreibstuben". Die SZ-Fragen seien suggestiv. Wöhrl sieht sich als Opfer einer "Negativkampagne".

Das gilt erst recht für die Berichterstattung über ihren Weihnachtsurlaub in Fernost. Statt im Bundestag über die Stationierung deutscher Soldaten samt Patriot-Raketen an der türkisch-syrischen Grenze abzustimmen, war Wöhrl nach Sri Lanka und Thailand geflogen. Beim Bundestagspräsidenten hatte sie sich jedoch krank gemeldet.

Saftige Zusatzeinnahmen

Nun besteht erneut Erklärungsbedarf - und das nicht nur in Sachen Sarasin-Bank: Auch bei der Nürnberger Versicherung (NV) ist Dagmar Wöhrl gut im Geschäft. Das im Vergleich zu den Branchenriesen überschaubare Assekuranzunternehmen leistet sich in Gestalt von Hans-Peter Schmidt einen Aufsichtsratsvorsitzenden, der für seine Posten in der Holding und in den Tochtergesellschaften mehr Geld kassiert als der Aufsichtsratschef des Weltkonzerns Siemens.

Schmidt gilt nicht nur ob seines Gehabes als Sonnenkönig von Nürnberg, sondern auch als geschickter Strippenzieher. Zum Beziehungsgeflecht um die Nürnberger Versicherung zählen auch die Wöhrls: Hans-Rudolf, der Investor und Flugunternehmer, und Dagmar, die viel beschäftigte Politikerin, Bundestagsabgeordnete seit 1994.

Nach SZ-Informationen brachte es Dagmar Wöhrl 2011 aus zwei Aufsichtsratsmandaten bei der Nürnberger Allgemeinen und der Nürnberger Leben auf gut 33.320 Euro Zusatzeinnahmen. Sie dementiert dies; es seien 16.750 Euro gewesen. Was Wöhrl nicht dementiert: 2012 stieg sie in den Aufsichtsrat der NV-Holding auf, wo sie zudem in den Personalausschuss berufen wurde. "Da kommt ordentlich Geld oben drauf", sagt ein Insider. Wie sieht es in diesem Fall mit den Gegenleistungen aus?

"Die Nürnberger Versicherung hat niemals Wünsche an mich herangetragen, für sie parlamentarisch tätig zu werden", erklärte Wöhrl auf Anfrage. Der Süddeutschen Zeitung liegt jedoch ein Brief vor, der Zweifel daran nährt. Das Schreiben vom 30. Oktober 2012 ging nicht an Wöhrls Abgeordnetenbüro, sondern an ihre privaten Wohn- und E-Mail-Adressen. Darin bat Armin Zitzmann, der damalige Vize und heutige Vorstandschef der Nürnberger Versicherung, Wöhrl um Unterstützung gegen eine geplante EU-Datenschutzrichtlinie.

Er würde es sehr begrüßen, so der NV-Manager unter anderem, "wenn sich die CSU mit der Position des GDV (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, d. Red.) auseinandersetzen würde". Zur Hilfestellung nennt Zitzmann der CSU-Politikerin mögliche Ansprechpartner in der Union.

Entschuldigung für das "Chaos der Papiere"

Im eigenen Umfeld kämpfte die umtriebige Abgeordnete mit lästigen Problemen. Bei Abrechnungen Wöhrls bei der Bayerischen Beamtenkrankenkasse herrschte bezogen auf fünf Jahre offenkundig ein Durcheinander. Wöhrl entschuldigte sich bei der Kasse schriftlich für das "Chaos der Papiere" und den Verlust vieler Originaldokumente. Eine Mitarbeiterin sei schuld.

Das Malheur, so teilte sie auf SZ-Anfrage mit, sei während ihres Büro-Umzuges vom Wirtschaftsministerium in den Bundestag entstanden. Der Krankenkasse sei kein Schaden entstanden. Nur ihr selbst, weil ihr Arztrechnungen nicht mehr erstattet worden seien.

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