Kultur mit Corona-Regeln:Django 3000 spielt das erste Live-Konzert in Bayern

Lesezeit: 2 Min.

Zwei Musiker und 35 Zuschauer in einem von Absperrband begrenzen Bereich. (Foto: Andreas Richter / ROCKET STUDIOS)

Die Band hatte ihr Konzert auf dem Alpensegelflugplatz Unterwössen als Versammlung angemeldet. Auftreten durfte sie nur unter speziellen Vorgaben.

Von Michael Zirnstein

Um derzeit Musik machen zu dürfen, muss man Theater spielen. Also mimt der Geiger Florian Starflinger auf einem Stuhl mitten auf der Startbahn des Alpensegelflugplatzes Unterwössen den Versammlungsleiter, wie es im Protokoll steht. Denn offiziell handelt es sich hier nicht um das erste Präsenzkonzert in Bayern seit dem Veranstaltungsverbot Mitte März, sondern um eine Kundgebung, so wie einst die "Love Parade" auch keine Technoparty war sondern ein politischer Demonstrationszug.

Eine Scharade? Nein, denn eine Aufgabe der Künste ist das Umgehen von "Betreten verboten!"-Schildern, insofern sind Django 3000 mit dieser Tarn-Aktion momentan die mutigsten und pfiffigsten Kreativen des Freistaates.

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Man befindet sich im Chiemgau, wo die wilden Kerle wohnen, also zumindest der Sänger Kamil Müller und Flo Starflinger, der sonst gern auf dieser Startbahn im Motorsegler abhebt. Nun liest er hier die angeordneten Verhaltensregeln vor, leicht belustigt hören 35 geladene Fans ("Versammlungsteilnehmer") zu - virensicher maskiert und mit vier Metern Abstand vereinzelt in einem von Sperrband umflatterten Achteck. 300 hatten sich auf den Internet-Aufruf beworben, rockhungrig wie die beliebte Bayern-Gypsy-Folk-Band selbst.

Das Landratsamt hat aus Angst vor einer Facebook-Party und Zaungästen gebeten, den Termin im Geheimen einen Tag vorzuverlegen. Ansonsten sei alles ganz einfach gegangen, berichtet Starflinger; er habe den Versammlungs-Anmeldeschein abgeschickt und sei im Kooperationsgespräch "wunderbar beraten" worden, auch Bürgermeister und Polizei, die das Geschehen von sechs Einsatzwagen aus entspannt beobachteten, hätten tatkräftig geholfen.

Ein Zeichen zur Rettung der Kultur in Corona-Zeiten an die Landesregierung soll die Kundgebung sein. Der Freistaat tut sich trotz Lockerung besonders schwer mit Konzerten, gerade mit Rock und Pop, gilt doch jeder Sänger als potenzielle Virenschleuder, jedes gedrängte, bierselige Publikum als Inkubator. "Schaut her, liebe Leute, so könnte es gehen, man muss nicht alles absagen", wandte sich Starflinger als erster Redner an die Obrigkeit, "uns Musikern ist der Boden unter den Füßen weggezogen worden". Und Kamil Müller wiederholt, was sich viele Künstler derzeit anhören müssen von Leuten, die ein brasilianisches Nail-Polish sehr wohl als "triftigen Grund" erachten, sich außerhalb der eigenen Wände in Corona-Gefahr zu begeben, nicht aber verfassungsrechtlich verankerten Kulturgenuss.

Ob man sich also nicht bis zur Impfgelegenheit gedulden könne mit seinen Konzerten und ob es momentan nichts Wichtigeres gebe? Nein, hält Müller dagegen, "weil Kultur macht uns zu was? Zu Menschen! Und da steh' ich dahinter." Und damit hat er in einem Satz das klare Bekenntnis abgegeben, das mancher im Bericht von Kunststaatsminister Bernd Sibler tags zuvor im Landtag vermisst hatte.

Dann durfte die Musik für sich sprechen. Nach siebenwöchigem Konzertentzug wirkte sie direkt wie eine sanfte Droge, schenkte von Müllers erstem inbrünstigen "Nanana-Nananei-nanei" an das Gefühl, genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Die Band - heute nur als Duo, quasi Django 1500, weil Drummer und Bassist zu Hause in Köln und Stuttgart bleiben sollten - tat in der Abendsonne auf der Asphaltbühne, was ihre Aufgabe ist: Musik, Menschen und Welt zu verbinden, mit Liedern, die wie für diesen Moment geschrieben scheinen, obwohl eines schon vor 20 Jahren ums Eck in Staudach-Egerndach entstand: "Ois vergeht, geht vorbei ..." Starflinger fiedelte mit den Vögeln, und in einem spanischen Stück offenbarte sich der Sinn des Abends: "La musica segue viva." Die Musik lebt noch. Auch wenn sie nach 45 Minuten enden musste: "Wo die Berg' san" sang Müller in ihrer Hymne "Heimat", dass man es wohl noch oben auf der Alm des Hochgern hören konnte. "Und damit ist die Versammlung beendet."

© SZ vom 09.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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