Süddeutsche Zeitung

Kulturförderung:Schutzschirm für Bayerns Künstler

  • Laut des jüngsten Kultur- und Kreativwirtschaftsberichts des Freistaats gibt es knapp 400 000 Erwerbstätige in diesem Bereich.
  • Bayern will den Kulturschaffenden finanziell unter die Arme greifen.
  • Doch die 1000 Euro, die es drei Monate lang geben soll, bekommen nur diejenigen, die in der Künstlersozialkasse organisiert sind.

Von Susanne Hermanski und Michael Zirnstein

Der Vorhang zu und alle Fragen offen. In Anlehnung an Bert Brechts Zitat lässt sich die aktuelle Situation der Künstler in Zeiten des Shutdowns gut beschreiben. Zwar hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den Kulturschaffenden in seiner jüngsten Regierungserklärung zur Corona-Krise ein Zeichen der Anerkennung ihrer prekären Lage gegeben und konkrete finanzielle Hilfe versprochen - drei Monate lang 1000 Euro Unterstützung für die 30 000 in der Künstlersozialkasse (KSK) Organisierten - dennoch hält die Not für viele an. Denn in der KSK sind beileibe nicht alle Künstler organisiert, die etwa das aktuelle Veranstaltungsverbot trifft. Die Grünen in Bayern wollen deshalb noch diese Woche Nachbesserungen im Landtag fordern und dem Ministerpräsidenten "Nachhilfe" erteilen, damit "das Programm auch bei allen ankommt".

Laut des jüngsten Kultur- und Kreativwirtschaftsberichts des Freistaats gibt es knapp 400 000 Erwerbstätige, die privatwirtschaftlich auf diesem heterogenen Sektor arbeiten. Dazu gehören Bereiche wie Musik, Literatur, Bildende Kunst, aber auch die Architektur, die Presse und die Games-Industrie. Für Schauspieler ist es aber zum Beispiel schwierig, die Voraussetzungen zu erfüllen, um in der Künstlersozialkasse aufgenommen zu werden. Der Grund: Sie arbeiten in der Regel "weisungsgebunden" und sind daher per Gesetz sozialversicherungspflichtig, selbst wenn sie etwa kein festes Engagement am Theater haben.

Denn auch wer sich an verschiedenen Privattheatern von Produktion zu Produktion hangelt und zwischendrin gelegentlich einen Drehtag bei Film und Fernsehen ergattert, gibt dort jeweils seine Lohnsteuerkarte ab. Damit arbeitet er "abhängig beschäftigt" und fällt bei der KSK durchs Raster. Ähnliche Schwierigkeiten kennen Synchronsprecher und Kameraleute. Fotografen hingegen schaffen es leichter, in die KSK aufgenommen zu werden, ebenso Kabarettisten, die mit Soloprogrammen tingeln. Berufsanfänger, wie etwa Regie-Absolventen der Hochschule für Fernsehen und Film, haben es häufig schlicht noch nicht geschafft, lange genug ein selbständiges Einkommen in ihrem Metier nachweisen zu können.

Bei der bayerischen Landesstelle des Verbandes der Bildenden Künstler (BBK) ist man hingegen dankbar für Söders Hilfe. "Unsere Forderungen sind gehört worden", sagt die Geschäftsführerin Maike Dieterle. Viele der 2500 im Landesverband angeschlossenen Künstler seien zuvor durchs Raster gefallen, diesmal scheint die Hilfe wie maßgeschneidert für sie, sind doch nahezu alle BBK-Mitglieder auch in der KSK.

Einige Fragen zur bürokratischen Abwicklung tun sich dennoch auch für den Verband auf. So werde man bei den zuständigen Ministern für Kultur und Wirtschaft, Bernd Sibler und Hubert Aiwanger, bezüglich der "Kombinierbarkeit der Hilfspakete" nachhaken. Werden die drei Mal 1000 Euro auch jene bekommen, die bereits in den vergangenen Wochen Unterstützung vom Bund oder Freistaat erhalten haben? Und werden auch jene KSK-Versicherten bedacht, die angesichts der verzweifelten Lage der vergangenen Wochen bereits Grundsicherung beantragt haben? Wohl kaum, denn Söder hat in seiner Rede selbst Hartz IV als "Alternative" bezeichnet. Wenn auch als eine, die er im Kulturstaat Bayern als "nicht richtig" empfinde für dessen Künstler, denen nun ersatzlos "ihre gesamten Honorare ausfallen".

Können Künstler eventuelle Hartz-IV-Anträge also nun noch mal zurückziehen? "Es herrscht Verunsicherung", sagt Maike Dieterle, daran haben die publikumswirksamen Versprechen des Ministerpräsidenten zunächst nichts geändert. Söder bekommt aber auch Zuspruch dafür, endlich speziell etwas für die Künstler mit ihren besonderen gesellschaftlichen Aufgaben und Problemen zu tun - etwa von seinem Parteifreund Thomas Goppel. Als Präsident des Bayerischen Musikrates ist Goppel voll des Lobes, "dass nun neben den Maßnahmen für angestellte Musiker auch Unterstützung für jene Gruppe von Musikern zur Verfügung steht, die, wie der Ministerpräsident selbst sagt, durch jedes Raster fällt". Damit spricht er für die größte Kulturorganisation im Freistaat, deren Fokus allerdings eher auf Chor-, Orchester- und Klassikmusiker ausgerichtet ist.

Der für die U-Musik zuständige "bayerische Rock-Intendant" Bernd Schweinar spricht dagegen von einem "schnellen Schuss", der zwar den Profi-Popmusikern in der KSK kurzfristig helfe, längerfristig sieht Schweinar aber deren Basis wegbrechen: Zum Erhalt der Bühnen fordert er einen Rettungsschirm und zwar weit über den 31. August hinaus, bis Sommer 2021. Schweinars Forderung zeigt, wie lange die Corona-Krise auch im Kulturbereich nachhallen wird. Da lässt sich - trotz der mittlerweile vielfältigen Hilfsangebote vonseiten des Staates, der Städte, Stiftungen, Verbände und Spender - vor allem auf eines bauen: auf die Kernkompetenz der Künstler, ihre Kreativität. Oder wie die Dramaturgin und Everding-Akademie-Absolventin Sabine Schreiber in einem offenen Brief an Kunstminister Bernd Sibler schrieb: "auf unsere ausgewiesenen Überlebenskünste".

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SZ vom 22.04.2020/vewo
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