Bayerisch Gmain:Die Schlagbäume öffnen sich

Coronavirus · Grenzübergang Deutschland - Österreich

Auch in Aschau Im Chiemgau ist die Grenze dicht.

(Foto: dpa)
  • Seit Mittwoch dürfen zwischen Bayerisch Gmain im Berchtesgadener Land und Großgmain in Salzburg Berufspendler, Schüler, Lieferanten und Landwirte die Grenze wieder passieren.
  • Andernorts wurden die Öffnungszeiten für Pendler ausgedehnt oder kleine Übergänge für Landwirte und Waldbauern freigegeben.

Von Matthias Köpf, Bayerisch Gmain

Mindestens ein Grenzgänger scheint sich zuletzt ohnehin selbst geholfen zu haben, denn eines Tages lagen die Metallschellen, die den blickdicht mit blauer Plane bespannten Bauzaun am Brückengeländer fixiert hatten, einfach im Weißbach. Der Bach war am 16. März über Nacht wieder zur kaum überwindbaren Grenze geworden. Auf Geheiß aus Berlin hatte die Bundespolizei dort zwei Orte getrennt, die heimische Dialektsprecher schon immer als "auf der Gmain" zusammengefasst haben. Seit Mittwoch dürfen zwischen Bayerisch Gmain im Berchtesgadener Land und Großgmain in Salzburg immerhin wieder Berufspendler, Schüler, Lieferanten und Landwirte aus dem direkten Grenzgebiet über die Brücke, jedenfalls von 6 Uhr bis 20 Uhr. Von Oberjoch im Allgäu bis Breitenberg im Bayerischen Wald sind auch eine Handvoll anderer, bisher gesperrter Übergänge tagsüber wieder offen.

Anderswo wurden die Öffnungszeiten für Pendler ausgedehnt oder kleine Übergänge für Landwirte und Waldbauern freigegeben. Von Wochenende an sollen dann alle Übergänge wieder passierbar sein, allerdings bis 15. Juni weiterhin nur aus einem "triftigen Grund". Kontrolliert werden soll all das nur noch stichprobenartig.

Die anfangs große Zustimmung zu den Grenzschließungen in der Corona-Pandemie ist auf beiden Seiten der Grenze ohnehin längst einem immer größeren Unverständnis gewichen. Ein Bayerisch Gmainer hat binnen weniger Tage mehr als 500 Unterschriften für eine Öffnung der örtlichen Grenze gesammelt, und obwohl der Übergang nach Großgmain nicht als europäische Hauptschlagader durchgehen kann, haben eine Handvoll Mitglieder der proeuropäischen Bewegung "Pulse of Europe" versucht, den Herzschlag des Kontinents mit einer Kundgebung auf beiden Seiten des Gitters spürbar werden zu lassen.

Nun hoffen die Menschen diesseits und jenseits des Weißbachs auf Erleichterung. Wer von Bayerisch Gmain nach Großgmain pendelt, muss von sofort an nicht mehr jeden Morgen und Abend eine halbe Stunde Umweg über Schwarzbach fahren. Von den vielen Gründen, die Grenze zu überqueren, sollen bald deutlich mehr als "triftig" gelten, etwa die lange vermissten Besuche bei Großeltern, Eltern, Kindern oder Enkeln. Auf beide Länder verteilte Paare müssen einander womöglich immer noch Schriftstücke ausstellen, mit denen sie ihre Beziehung bestätigen. Aber wenigstens werden die deutschen Grenzer keinen Eintrag im Standesamt mehr verlangen, um so eine Beziehung anzuerkennen.

"Unser Ziel ist, den grenzüberschreitenden Alltag zwischen Bayern und Österreich bestmöglich wiederherzustellen, soweit das aus Sicht des Infektionsschutzes vertretbar ist", sagt dazu Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Er habe sich in den vergangenen Wochen dafür eingesetzt, geschlossene Übergänge wieder zu öffnen. "Das ist eine große Erleichterung gerade für die Bevölkerung und Wirtschaft im grenznahen Raum." Zugleich betonte Herrmann am Mittwoch, dass die angesichts der Corona-Pandemie verfügten Verschärfungen im Grenzverkehr so lange beibehalten werden müssten, wie sie zum Schutz der Bevölkerung notwendig seien. "Daher wird es auch an den geöffneten Grenzübergängen entsprechende Kontrollen geben." Außerdem sei an den gewohnten Grenzkontrollen, die im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 "zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität" eingeführt wurden, "nicht zu rütteln".

Der Europasprecher der SPD-Landtagsfraktion, Markus Rinderspacher, stellte den Sinn von Grenzschließungen zum Infektionsschutz in Frage: "Mobilitätseinschränkungen zur Corona-Bekämpfung sind sinnvollerweise in regionalen und nicht in nationalstaatlichen Trennmustern zu handhaben. Wir brauchen grenzüberschreitende, europäische Antworten auf die Corona-Krise." FDP-Fraktionschef Martin Hagen bezeichnete die Grenzöffnung zu Österreich als "überfällig".

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