Wirtschaft in Bayern:Gemischte Reaktionen auf die Lockerungen der Corona-Auflagen

Vor allem die Bestimmungen für den Handel rufen Kritik hervor.

Vor allem die Bestimmungen für den Handel rufen Kritik hervor.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Bayerische Wirtschaftsverbände begrüßen die ersten Lockerungen der Corona-Beschränkungen grundsätzlich.
  • Dennoch sind nicht alle Branchen gleich zufrieden mit den Plänen der Staatsregierung - vor allem Hoteliers und Gastwirte fühlen sich nicht ausreichend wahrgenommen.
  • Die Parteien im Landtag begrüßen die Lockerungen - dennoch gibt es auch hier Kritik.

Von Maximilian Gerl

Mutig und ein Hoffnungsschimmer zur rechten Zeit heißt es auf der einen Seite, von Inkonsequenz und enttäuschten Hoffnungen ist auf der anderen die Rede: Die Ankündigung der Staatsregierung, die Corona-bedingten Ausgangsbeschränkungen im Freistaat etwas zu lockern, stoßen bei Opposition, Wirtschaftsvereinigungen und Sozialverbänden auf geteiltes Echo.

Auf den ersten Blick kommen die Lockerungen vor allem dem bayerischen Einzelhandel entgegen. Von Montag an sollen Gärtnereien, Bau- und Gartenmärkte wieder öffnen dürfen, vom 27. April an dann Auto-, Fahrrad- und Buchhändler sowie Geschäfte mit weniger als 800 Quadratmetern Fläche. Doch weil der Freistaat für diese kleinen Läden die Beschränkungen eine Woche später als die übrigen Bundesländer lockert, zeigte sich der Handelsverband Bayern zunächst vor allem enttäuscht. Es gebe viel "Kopfschütteln, Wut und Unverständnis", sagte Verbandsgeschäftsführer Bernd Ohlmann der Deutschen Presseagentur. Viele Händler "kämpfen ums Überleben, da zählt jeder Tag".

Es sei willkürlich, dass Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmetern Verkaufsfläche geschlossen bleiben müssten, wenn in einem Möbelgeschäft mit 2000 Quadratmetern die Abstandsregeln genauso eingehalten werden könnten wie in einem kleinen Supermarkt. Auch der bayerische Industrie- und Handelskammertag (BIHK) nannte die Regelung "nicht nachvollziehbar". Trotzdem gäben der "Corona-Fahrplan" mit seinen schrittweisen Lockerungen nun "Anlass zu Hoffnung", sagte BIHK-Präsident Eberhard Sasse. Für Teile der Wirtschaft sei Planung erstmals wieder möglich. "Endlich sehen wir Licht am Ende des Tunnels."

Wenig überraschend gibt es keine Lockerungen für die Gastronomie: Essen auszuliefern bleibt weiter erlaubt, Restaurants und Hotels bis auf Weiteres geschlossen. Der Verein zum Erhalt der Bayerischen Wirtshauskultur forderte deshalb, die Gastronomie "bis spätestens 1. Mai mit entsprechenden Hygienemaßnahmen" wieder zu öffnen. Andernfalls sei ein "Wirtshaussterben nie gekannten Ausmaßes" zu befürchten. Der bayerische Hotel- und Gaststättenverband Dehoga beklagte in einem "Corona-Newsletter" an seine Mitglieder, dass man sich von der Politik allein gelassen fühle.

Weder die Bundeskanzlerin noch die Ministerpräsidenten der Länder hätten in ihrer gemeinsamen Stellungnahme am Mittwoch "ein Wort an die Branche gerichtet", schreiben Präsidentin Angelika Inselkammer und Geschäftsführer Thomas Geppert. Positiv wertet man aber die Ankündigung der Staatsregierung, sich auf Bundesebene für einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für Hotels und Gaststätten stark machen zu wollen.

Kritik gibt es vor allem an den Ausnahmeregelungen im Handel

Grundsätzlich befürworten alle Oppositionsparteien im Landtag die Lockerungen. Kritik ziehen allerdings insbesondere die Ausnahmeregelungen im Handel auf sich. So bezeichnete der Grünen-Fraktionsvorsitzende Ludwig Hartmann die neuen Maßnahmen als "ersten guten Schritt", der aber noch nicht konsequent zu Ende gedacht sei. Ähnlich äußerten sich Vertreter von FDP und AfD. Positiv werteten die Grünen die Annäherung an die bundesweiten Regelungen und das Ende des "bayerischen Sonderwegs".

Die "staatlich verordnete Vereinsamung der Menschen in Singlehaushalten" sei somit korrigiert worden. SPD-Fraktionschef Horst Arnold nannte die Lockerungen ein "wichtiges Signal", da für viele Menschen die Corona-Krise auch eine psychische Belastung darstelle. Die FDP lobte unter anderem das Maskengebot in öffentlichen Verkehrsmitteln.

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Doch eine "schlüssige Begründung für den bayerischen Sonderweg ist die Regierung bis heute schuldig geblieben", schrieb ihr Fraktionsvorsitzender Martin Hagen auf Twitter. "Ausschlaggebend für das Vorgehen sollten ausschließlich medizinische Fakten sein, nicht die persönliche Profilierung." Die Freien Wähler, wiewohl Regierungspartei, plädierten für "eine groß angelegte Studie, um den schrittweisen Ausstieg" aus den Beschränkungen wissenschaftlich zu begleiten. Mit den so gewonnenen Ergebnissen ließen sich die Entscheidungsgrundlagen verbessern.

Der Sozialverband VdK Bayern stellte vor allem das gemeinsame Vorgehen von Bund und Ländern sowie das "Augenmaß" der Politik heraus. Es sei sinnvoll, die Kontaktsperren zu verlängern, "um Menschenleben zu retten", sagte Verena Bentele, Präsidentin des Bundesverbands, am Donnerstag. Gleichzeitig sei es gut, langsam zu so etwas wie Normalität zurückzukehren. "Wir können stolz sein auf uns und unseren Sozialstaat."

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