Süddeutsche Zeitung

Corona-Pandemie:Bayern will Patienten aus Italien aufnehmen

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Von Dietrich Mittler und Olaf Przybilla, München

Bayern will Italien jetzt bei der Versorgung von Covid-19-Patienten unterstützen. Nach Angaben der Staatskanzlei sollen "als Zeichen der Solidarität mit Italien" mindestens zehn schwerkranke Patienten in bayerischen Krankenhäusern aufgenommen werden. "Bayern wird Covid-19-Patienten in jenem Umfang aufnehmen, wie dies die anderen Bundesländer tun, die sich bislang dazu bereit erklärt haben", erklärte eine Sprecherin auf Nachfrage. Wie viele Patienten letztlich aufgenommen werden, sei bislang noch nicht beschlossen. "Das läuft jetzt an, die Fachebenen planen augenblicklich, wie die Umsetzung stattfinden kann", hieß es.

Italien ist von der Corona-Pandemie extrem hart betroffen. Wie die Johns Hopkins Universität am Freitag bekannt gab, sind dort bislang 8215 infizierte Menschen gestorben und knapp 80 600 positiv getestet worden. Nach Informationen aus der Staatskanzlei klärt gerade Europaminister Florian Herrmann (CSU) auf diplomatischer Ebene mit der italienischen Seite, wie Bayern nun konkret helfen kann.

Zu klären sei auch die Frage, welche Patienten sich für die Unterbringung nach Bayern eignen und auf welchem Weg sie dorthin gebracht werden können. "Schließlich wird es sich hierbei um Menschen handeln, die schwer krank sind, aber eben auch noch transportfähig sein sollten." Noch ungeklärt ist bislang zudem, in welche Krankenhäuser die Patienten gebracht werden können. "Grundsätzlich eigenen sich da natürlich die großen Kliniken besonders, mit solchen Herausforderungen umzugehen. Aber jetzt im Moment ist das noch alles im Planungsstadium", sagte die Sprecherin.

Die logistischen Herausforderungen seien enorm. Vermutlich werden die Fachleute mehrerer Ministerien in diese Vorbereitungen eingebunden sein - darunter natürlich die des Gesundheitsministeriums. "Wir wollen ja so schnell wie möglich, dass die Überstellung der Patienten stattfinden kann", hieß es dazu. Mehrere Bundesländer haben sich mittlerweile bereit erklärt, ausländische Notfallpatienten aufzunehmen. Im Freistaat Sachsen werden bereits - Stand Donnerstag - sechs schwerkranke Covid-19-Patienten aus Italien behandelt. Das Saarland wiederum hat aktuell fünf Patienten aus der französischen Nachbarregion, dem Département Grand Est, aufgenommen.

"Für die saarländische Landesregierung war klar, dass sie auch in dieser schwierigen Situation zu ihren französischen Nachbarn und Partnern hält", sagte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums in Saarbrücken. Aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion in München ist es jetzt höchste Zeit, dass auch aus Bayern solche Schritte erfolgen. "Es drängt, jetzt ist die Zeit, in der wir noch helfen können", sagte Ruth Waldmann, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion. "Augenblicklich werden bei uns vorausschauend die intensivmedizinischen Kapazitäten aufgebaut, die notwendig sind, wenn auch in Bayern ebenfalls viele Menschen schwer an Covid-19 erkranken", begründete Waldmann ihre Forderung.

In Italien, sagt Waldmann, "sterben die Menschen wie die Fliegen"

Aber auch zum jetzigen Zeitpunkt ließen sich diese Kapazitäten bereits sinnvoll nutzen. "Wir haben ja noch eine Woche bis zehn Tage, bis wir selbst in die Hochphase der Corona-Pandemie reinkommen, und in dieser Zeit könnten wir doch schon Menschenleben retten", betonte Waldmann. Selbstverständlich aber immer unter dem Aspekt, genug Kapazitäten für die eigene Bevölkerung bereitstehen zu haben.

Gemeinsam mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Horst Arnold hat Ruth Waldmann in dieser Woche den Freistaat zu einer Geste der Humanität mit Italien aufgerufen. In gleichlautenden Briefen an Ministerpräsident Markus Söder und an Gesundheitsministerin Melanie Huml (beide CSU) heben Arnold und Waldmann hervor, dass es nun der "europäischen Solidarität" bedarf.

"Ich bekomme die Situation in Italien recht hautnah von meiner Schwester mit, die in der Region Emilia-Romagna lebt", sagte Waldmann der Süddeutschen Zeitung, "und dort in den Krankenhäusern sterben die Menschen wie die Fliegen. Es ist entsetzlich." Die Fernsehbilder aus Italien hätten ja auch in Bayern viele Menschen gesehen, "und diese Eindrücke sind ja gar nicht mehr auszuhalten".

Innerhalb der bayerischen Ärzteschaft gibt es ebenfalls Stimmen, die dazu auffordern, europäischen Ländern in der jetzigen Notsituation beizustehen. Georg Ertl, der Ärztliche Direktor der Universitätsklinik in Würzburg, fände die Aufnahme von Covid-19-Erkrankten in bayerischen Kliniken nicht nur ein "gutes Signal von Solidarität in Europa". Er hält eine Aufnahme auch unter medizinischen Gesichtspunkten für unbedingt sinnvoll. Immerhin sei Covid-19 eine neuartige Erkrankung, die Ärzte in den einzelnen Kliniken seien umso mehr darauf angewiesen, auch selbst Erfahrungen mit der Behandlung dieses neuen Krankheitsbildes zu machen. Je früher dies geschehe, desto besser sei das.

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SZ vom 28.03.2020
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