Coronavirus:Was in Bayern nun wieder gelockert wird

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Nach vielen Wochen konnten am Dienstag Pressevertreter im Prinz-Carl-Palais ihre Fragen wieder persönlich an Söder und seine Minister stellen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Die Staatsregierung verkündet am Dienstag weitere Lockerungen der Corona-Auflagen.
  • Demonstrationen und Gottesdienste sind ab 4. Mai wieder zulässig, aber nur mit bis zu 50 Teilnehmern und im Freien.
  • Auch sollen vom 29. April an größere Geschäfte öffnen, wenn sie ihre Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter begrenzen.
  • In diesem Artikel finden Sie einen Überblick über alle Beschränkungen, alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus in Bayern lesen Sie in unserem Newsblog.

Es war eine Pressekonferenz, wie es sie seit Wochen nicht gegeben hat. Zum ersten Mal trafen sich Journalisten und Mitglieder der Staatsregierung nach der Kabinettssitzung persönlich - natürlich mit Auflagen: nicht im engen Presseraum, sondern im prächtigen und weitläufigen Prinz-Carl-Palais, jeder Journalist ein Tisch, Masken im Gesicht.

Und trotzdem "ein Zeichen der Lockerungen", wie es Kultusminister Michael Piazolo (FW) sagte. Diese sollen nun in Bayern nach und nach kommen, allerdings später als in anderen Bundesländern. "Wer zu schnell rennt, wird stolpern", sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Um der Lungenkrankheit Covid-19 zu begegnen, stellte er eine "atmende Strategie" vor, will heißen: "Wenn es besser geht, kann es schneller gehen. Wenn es schlechter wird, muss es langsamer gehen." Auch in einzelnen Regionen könnten unterschiedliche Regeln gelten. Beschlüsse und Ideen im Überblick:

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Versammlungsrecht

Demonstrationen sind vom 4. Mai an wieder zulässig, wenn auch unter Auflagen. Sie dürfen nur im Freien, an einem Ort und mit maximal 50 Teilnehmern abgehalten werden. Es gilt der Mindestabstand von 1,5 Metern, das Verteilen von Flyern ist untersagt. Nach maximal einer Stunde ist Schluss. Um zu verhindern, dass Demonstranten ihre Protestzeit durch mehrere Anmeldungen verlängern, dürfen die gleichen Teilnehmer maximal eine Versammlung pro Tag abhalten. Vorerst gilt die neue Regel bis zum 10. Mai.

Proteste sollen am 1. Mai zwar möglich sein, jedoch nicht so, wie wir es gewöhnt sind. Hier zu sehen: Die Kundgebung in München am 1. Mai 2018. (Foto: Robert Haas)

Für den 1. Mai, an dem traditionell nicht nur die Gewerkschaften den Tag der Arbeit begehen, hat Innenminister Joachim Herrmann die Verwaltungsbehörden zu Großzügigkeit angehalten. Sie sollen bei ihrer Einzelabwägung schon jetzt die Maßstäbe der kommenden Verordnung anwenden, kurz: Proteste sollten möglich sein. Eine Nachricht, die in einer historischen Arbeiterstadt wie Nürnberg trotzdem keinen Jubel auslöst. 50 Leutchen am 1. Mai vor dem Nürnberger Gewerkschaftshaus, mit gebührendem Abstand? Nein, sorry, sagt Mittelfrankens DGB-Chef Stephan Doll, "wir sind eine Massenorganisation und das hätte damit überhaupt nichts zu tun". Ihm blute das Herz darüber, seit 1945 sei der 1. Mai in Nürnberg immer mit Wucht begangen worden, in den letzten Jahren kamen regelmäßig bis zu 6000 Demonstranten, diesmal aber verlege man sich voll und ganz auf Aktionen in den sozialen Medien.

Geschäfte

800 Quadratmeter seien ihm eigentlich zu viel, so hatte das Ministerpräsident Söder oft gesagt, wenn es darum ging, ab welcher Flächengröße Geschäfte weiterhin geschlossen bleiben müssen. Nun erklärte Bayerns höchstes Verwaltungsgericht die Flächengrenze am Montag für verfassungswidrig und Söder sagte am Dienstag: "Damit ist der Handel de facto zu 100 Prozent geöffnet." Vom 29. April an dürfen auch größere Geschäfte öffnen, wenn sie ihre Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter begrenzen.

Da das Gericht den Gleichheitsgrundsatz angemahnt hat, gilt umgekehrt, dass bestehende Ausnahmen für Fahrrad- und Buchläden zurückgenommen werden. Auch sie müssen sich in Zukunft an die 800-Quadratmeter-Grenze halten. Ausgenommen sind weiterhin unter anderem Lebensmittelgeschäfte, Kfz-Handel sowie Bau- und Gartenmärkte. Für alle gleich dagegen gilt: "ein Kunde je 20 Quadratmeter". Ab 4. Mai soll ein Haarschnitt beim Friseur, Fußpflege und Physiotherapie wieder möglich sein - mit Maskenpflicht.

Weniger kompliziert wird die Lage nicht, da schon das nächste Urteil gefällt wurde und zwar in Regensburg. Dort entschied das Verwaltungsgericht mit einem Eilbeschluss, dass ein Herrenbekleidungsgeschäft doch öffnen darf, obwohl es in einem Einkaufszentrum liegt. Eigentlich sollten Einkaufszentren laut Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) zu bleiben, ausgenommen privilegierte Läden wie Supermärkte. Man werde sich das Urteil nun ansehen und bewerten, sagte Aiwanger. Lob gab es von der Industrie- und Handelskammer - und gleich die nächste Forderung. Sehr gut, dass die Regierung ihre Regelung korrigiert habe, nun aber brauche es Perspektiven für andere Branchen.

Sport

Wann und wie in Bayern wieder Fußball oder Tennis gespielt werden kann, wurde am Dienstag vonseiten der Staatsregierung nicht erwähnt. Im Landtag aber haben die FW ein Konzept erarbeitet, das sie ihrem Koalitionspartner vorstellen wollen. Grundsätzlich brauche es einen Wechsel vom Denkmuster der "Ausgangssperren" zur Idee der gezielten "Infektionsminimierung", sagt Fabian Mehring, parlamentarischer Geschäftsführer der FW.

Schließlich gehe es nicht darum, die Menschen einzusperren, sondern das Virus einzudämmen. Regeln, die dazu nicht beitrügen, könnten aufgehoben werden - wie etwa das Betreten von Sportstätten, auf denen kein Körperkontakt stattfinde. Tennis, Golfspielen oder das Training am Schießstand wollen die FW zeitnah erlauben. Mittelfristig fordern sie für jede Sportart eine Strategie und Hygienekonzepte. Zugleich mit der Gastronomie könnten etwa, unter Auflagen, auch Fitnessstudios wieder öffnen. Söder hatte eine Öffnung für Restaurants Ende Mai in Aussicht gestellt.

Schule

Ab 11. Mai sollen die Abschlussklassen des nächsten Jahres wieder in die Schule gehen können. Gleiches solle für die 4. Klasse Grundschule gelten, zumindest strebe man das an, so Piazolo. Es sei das Ziel, bis Pfingsten möglichst allen Schülern wieder Unterricht zu ermöglichen, natürlich unter anderen Bedingungen. Es werde kleinere und damit doppelt so viele Klassen geben, und das bei weniger Lehrkräften. Auch könne nicht der ganze Stoff vermittelt werden.

Warum die 4. Klasse zurückgeholt werde, erschließe sich ihm nicht, sagt Martin Löwe, Chef des Bayerischen Elternverbands. Das Übertrittszeugnis werde am 11. Mai verteilt, damit sei der Druck raus "und erfahrungsgemäß lief danach nichts mehr". Löwe fordert, bis zu den Sommerferien keine weiteren Jahrgänge zurück in die Schulen zu holen, um die Infektionsquote niedrig zu halten. Die Kinder sollten weiter online daheim lernen. Simone Fleischmann vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband widerspricht. Schule höre nicht mit dem Zeugnis auf, die Kinder bräuchten soziale Kontakte.

Kinderbetreuung

Neben den Gebühren für die geschlossenen Krippen, Kindertagesstätten und Horte wird der Freistaat für die Monate April, Mai und Juni auch die Kosten für Mittagsbetreuung und Tagespflege übernehmen.

Kirche

Vom 4. Mai an sind Gottesdienste unter Auflagen möglich. Es gilt Maskenpflicht, ein Mindestabstand von zwei Metern und eine Höchstdauer von 60 Minuten. Trotzdem würden die meisten Moscheen weiterhin geschlossen bleiben, sagt Benjamin Idriz, Imam in Penzberg. Viele von ihnen seien zu klein, um den Abstand einzuhalten: "Eine Auswahl unter den Gläubigen zu treffen, wer nun zum Gebet kommen darf und wer nicht, würde zu Diskriminierungen führen."

© SZ vom 29.04.2020 / nell, angu, prz, dm - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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