Oft ist derzeit ja zu hören, dass in Freizeitparks alle Achterbahnen stillstehen, doch das stimmt im Grunde nicht. Trotz Schließung im Zuge der Corona-Krise müssen viele Fahrgeschäfte aus Gründen der Technik und Statik regelmäßig bewegt werden. Im Freizeitland Geiselwind zum Beispiel fährt dann der Boomerang mit seinem Looping als Geisterachterbahn. Ohnehin wird viel gewerkelt im Freizeitpark im unterfränkischen Landkreis Kitzingen. Matthias Mölter hat 2017 die damals in die Jahre gekommene Anlage gekauft, seitdem wird sie stetig moderner und attraktiver, dieses Frühjahr hätten mehr als 20 Neuheiten Premiere gehabt. Was aber stimmt: Es fehlen Besucher und damit Umsätze.
Die letzte Einnahme verbuchte er am 6. November. "Einfach alle meine Leute heimschicken, den Strom abstellen und warten, so geht's aber nicht bei uns", sagt der 36-Jährige: Weil eben seit drei Jahren "auch immer ein bisschen Baustelle ist" in Geiselwind; weil trotzdem alles gewartet und gepflegt sein will. Und weil Mölter den Tag X herbeisehnt, die Wiedereröffnung, wann auch immer. Er will startklar sein, so dass er bei grünem Licht durch die Behörden binnen drei Tagen aufmachen könnte.
Alles ist dicht im Freizeitparkland Bayern, und überall findet momentan dasselbe statt: Wartung und Warten, egal ob im Legoland in Günzburg oder in der Westernstadt Pullman City im niederbayerischen Eging. Wenn auf den ausgefallenen Saisonstart zu Ostern auch ein Besuchsverbot in den Sommerferien folgen sollte, könnte das für manche Parks das Aus bedeuten, sagt Jürgen Gevers, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Freizeitparks und Freizeitunternehmen (VDFU). Viele im Verband hätten akut Probleme mit der Finanzierung, an dringend benötigte Kredite kämen die meist mittelständischen Familienunternehmen nur schwer. Einige zehntausend Jobs in Bayern hängen geschätzt an dem Zweig der Freizeitindustrie. Ein Faktor für das Tourismusland und die Lebensqualität sind die Parks ohnehin. Wo einer schließe, mache nicht so schnell ein anderer auf, sagt Gevers.
"Pfingsten wäre sehr wichtig. Und ohne Sommerferien wird es wirklich existenziell bedrohlich", sagt Mölter. Wenn er Ende August noch nicht geöffnet habe, seien 90 Prozent des Jahresumsatzes verloren. "Überbrücken" müsse drin sein, es hätte ja auch zu Ostern schneien können; aber auf Dauer müsse Geld her. Die Unterstützung ist überschaubar: 50 000 Euro bayerische Soforthilfe hat er beantragt, angekommen ist sie noch nicht, aber sie wäre eh nur ein kleiner Beitrag. Manche Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, doch Arbeit im Park bleibt, allein die Tierpfleger für Affen oder Kängurus. Es sei eine "investitionsstarke Branche", zumal bei ihm durch den Neuanfang 2017, jeweils einige Millionen Euro im Jahr, auch über Schulden. Er hat nun einen Mix kreiert, inklusive Krisenangeboten von Förderbanken. Die seien aber nicht leicht zu ergattern, Umsatzprognosen sind nötig. "Glaskugel hab' ich keine, ich müsste wissen, wann ich öffne."
Es geht beim Tag X auch um Schutzmaßnahmen. Mölter hat bereits ein Konzept mit Varianten erstellt: Abstände in Fahrgondeln, desinfizieren überall, Essen eventuell nur auf die Hand, Dinge, die viele Leute anfassen, umbauen. "Nur die Ziege im Streichelzoo kann ich nicht nach jedem Kind in die Waschanlage stecken." Humor ist ihm geblieben. Fest stehe: Bei 30 Hektar Areal und bis zu 4000 Gästen an starken Tagen, sei Abstand möglich; Frischluft komme dazu. Mit dem Hausrecht könne man Vorschriften für Besucher erlassen. Der VDFU hat ein Gutachten dazu erstellen lassen. "Auch wir sind der Meinung, Gesundheit steht über der Wirtschaft", so Verbandsmann Gevers; es gelte "mit Augenmaß" Wege zu finden.
Der "Sommerurlaub daheim" könnte die Bilanz der Parks zumindest korrigieren. "Wenn die Bundesregierung durch die Verlängerung von Reisewarnungen Auslandsreisen weiterhin in Frage stellt, werden Alternativen benötigt, um der Bevölkerung Freizeitangebote zu ermöglichen", glaubt Gevers. Das hofft auch Mölter, doch eine Sorge hat er: einen Söder-Effekt. Falls sich Bayern mehr Zeit lasse als andere, könnten Familien erst mal Parks in den nahen Nachbarbundesländern besuchen und 2020 nicht mehr zu ihm kommen. Zumal, falls das Geld vielleicht nicht mehr so locker sitze.