Parteiarbeit in Krisenzeiten:Applaus vom Band und Einsamkeit vor den Bildschirmen

Virtueller CSU-Parteitag

Markus Söder spricht von seinem Büro aus zu den Parteikollegen und Zuschauern des Streams.

(Foto: Lino Mirgeler/dpa)

Beim ersten digitalen CSU-Parteitag spricht Söder nur durch die Kamera zu den Delegierten. Er fordert Investitionen, warnt aber vor zu hohen Schulden.

Von Andreas Glas und Lisa Schnell

Ein Flug aus dem Weltall zur CSU-Parteizentrale, dazu theatralische Orchesterklänge. Die Bilder sind gewohnt, die Musik kennen sie auch bei der CSU. Das zumindest ist fast gleich, sonst aber ist alles anders. Früher, da setzten in diesem Moment die Lichteffekte ein in einer riesigen Parteitagshalle, die Letzten suchten ihre Plätze, winkten noch einem Parteifreund. Nun schrumpft die Riesenhalle auf einen Bildschirm zusammen und die Streicher klingen nicht mehr so erhebend, keine Lichteffekte, kein Winken und Wiedersehen. Mehrere Tausend Mitglieder sitzen alleine vor ihren Bildschirmen.

Von allen Parteien versteht es die CSU am besten, sich selbst zu feiern. Ihre Parteitage zelebrieren immer auch die eigene Größe. Nun ist die Bühne klein, auf der Generalsekretär Markus Blume und Parteivize Dorothee Bär durch Kameras ihre Grußworte sprechen. Einen "Meilenstein" hat Blume angekündigt. Eine Premiere ist der erste virtuelle Parteitag der CSU auf alle Fälle. Nie dagewesen etwa der Auftritt von CSU-Chef Markus Söder. Der Applaus für seinen Einzug kommt vom Band, ein Rednerpult gibt es nicht, nur einen Schreibtisch. Sonst machte es sich Söder zur Aufgabe, den Saal toben zu lassen, nun hält er seine Rede im Sitzen. Und zwar: ernst und nicht im Attacke-Modus. Nur die "Star Trek"-Tasse neben ihm stammt aus dem Metier leichte Unterhaltung.

Nur eine gute halbe Stunde spricht Söder. Die Unterarme auf dem Tisch, die Hände gefaltet. "Wir haben alle gemeinsam Bayern gut durch die Krise geführt", sagt Söder. Natürlich schließt er sich da selbst mit ein, wenn er noch mal dran erinnert, dass "wir schneller und konsequenter reagiert haben als andere". Und selbstverständlich warnt Söder, den Erfolg "nicht zu verstolpern". Keine Witze, keine Spitzen, schließlich befindet sich Deutschland in der Krise. Was da stattfindet, ist eigentlich keine Parteitagsrede. Eher eine Rede zur Nation. Ein wenig Hoffnung gibt der CSU-Chef all denen, die bis jetzt kaum eine Perspektive aufgezeigt bekamen. "Ab der zweiten Pfingstwoche" sei es "denkbar, dass wir Bäder im Freien wieder öffnen", sagt Söder, die Regeln: Hygienekonzepte, begrenzte Besucherzahlen. Bis zum 1. Juli wolle man jedes Kind "wieder einmal in die Schule bringen". Außerdem will die CSU, dass die Wirtschaft wieder "durchstartet", wie das Söder gerne sagt. Also aufs Gas treten. Gleichzeitig aber will die CSU auch die Bremse ziehen.

In der Partei hatte es zuletzt rumort, weil einige fanden, dass Söder im Krisenmodus etwas zu freigiebig mit den Finanzen hantiere. Der Landtagsabgeordnete Alexander König hatte von "Geldverteilungsorgien" gesprochen. Insgesamt 40 Milliarden Euro zusätzliche, potenzielle Schulden ließ sich die Staatsregierung vom Landtag genehmigen. Nun sagt Söder: Man dürfe "nicht nur einfach Geld verteilen". Deshalb fordert die CSU eine Obergrenze für die deutsche Staatsverschuldung in Krisenzeiten. "Maximal 100 Milliarden Euro" dürfe der Staat noch in ein Hilfspaket investieren, sagt Söder, die Obergrenze würde demnach bei 256 Milliarden Euro liegen. "Wenn wir diese Obergrenze nicht haben, geht Deutschland die Luft aus", sagt Söder. Dann bekennt sich Söder zum Plan von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, einen 500-Milliarden-Euro-Aufbaufonds für besonders von der Corona-Krise betroffene EU-Staaten einzurichten. "Ziemlich wuchtig", sagt Söder, aber "vertretbar". Er spricht von einem "Paradigmenwechsel", das sei "nicht mehr die reine Lehre europäischer Fiskalpolitik". Man müsse aber verhindern, dass die Idee Europa scheitere, dass Europa "zum Spielball anderer Mächte" werde.

Ein bisschen unterhaltsam wird er dann aber doch, der virtuelle Parteitag, etwa, als Landesgruppenchef Alexander Dobrindt die Moderatoren mit einem gefühlten 20-Minuten-Vortrag überrascht oder Landtagspräsidentin Ilse Aigner Einblicke in ihr Wohnzimmer und auf prächtige, weiße Blumen gewährt. Manchmal aber da ruckelt es auch noch. Mal ist das Mikro nicht richtig an, mal holpert der Ton eines Delegierten. Manche Witze, mit denen die Moderatoren Blume und Bär ungewollte Pausen füllen, erinnern an den Charme einer Quizsendung. Konjunkturprogramm ja, aber nicht allzu viel, diesem Motto folgt auch der Leitantrag, den die Delegierten beschließen. Zu den Ausgaben, die als nötig angesehen werden, gehören fünf Milliarden Euro für den Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes, Investitionen für Straßen oder Schulen sowie eine digitale Grundausstattung für jede Schule und Reisegutscheine für all diejenigen, die in Deutschland Urlaub machen. Wie viel all das zusammen kosten würde und wie es finanziert werden soll, wird nicht erwähnt.

Um Arbeitgeber zu entlasten, fordert die CSU eine Senkung der Unternehmenssteuer und verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten. Zudem sollen die Sozialabgaben unter 40 Prozent gehalten werden und Energiekosten gesenkt werden. Um neue Arbeitsplätze zu schaffen, soll das Arbeitsrecht an flexible Arbeitszeiten und -orte angepasst werden. Die Verdienstgrenze bei Minijobs soll auf 600 Euro erhöht werden. Als letzten Punkt beschäftigt sich der Antrag mit Lehren aus der Corona-Krise im Gesundheitsbereich. Die CSU will nationale Reserven für Intensivbetten und Medikamente anlegen sowie die Produktion von Medikamenten in Europa fördern.

Große Diskussionen unter den Delegierten löst der Leitantrag nicht aus. Der österreichische Bundeskanzler, Sebastian Kurz, macht seinem Namen Ehre und hielt sich kurz und so legt die CSU nicht nur ihren ersten digitalen, sondern auch ihren kürzesten Parteitag hin, den Söder mit den Worten "Das Schlusswort heißt Schluss" beendet. Ganz Schluss aber ist natürlich nicht. Denn auf eines will die CSU auch digital nicht verzichten. Hochglanzbilder von Bayern, dazu die Bayernhymne. Wer nun in seinem Wohnzimmer mitsingt und wer nicht, das bleibt ein Geheimnis.

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