Gastronomie:Den Wirten hilft nur schwarzer Humor

Biergarten im Englischen Garten in München 2014

Biergärten wie hier im Englischen Garten in München dürfen in Bayern bald wieder öffnen - allerdings mit Einschränkungen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Das Gastgewerbe wird als Wirtschaftsfaktor massiv unterschätzt. Der Staat sollte sich mehr Gedanken machen, wie er den Menschen helfen kann, die davon leben.

Kommentar von Franz Kotteder

Na, das wird ein schöner Spaß werden, der Lage wohl angemessen. In Mecklenburg-Vorpommern darf die Gastronomie immerhin schon am Samstag wieder öffnen, in Bayern aber geht es erst am 18. Mai los, und auch dann erst mal nur draußen. Im Söder-Land gilt obendrein weiter die Kontaktbeschränkung auf eine Person sowie die Sperrzeit 20 Uhr im Biergarten, denn später wird's oft ausgelassen und die Hemmschwelle sinkt. Erstaunlich eigentlich, dass im Freistaat kein Vorglühverbot erlassen wurde, um Exzesse von vornherein auszuschließen.

Abstandsregeln, Maskenpflicht und beschränkte Platzzahl tragen ohnehin dazu bei, dass Auswüchse wie beim Karneval in Heinsberg oder beim Starkbierfest in Mitterteich, die die Ausbreitung des Coronavirus beschleunigten, vermieden werden. Wer in den kommenden Wochen Zugriff auf das knappe Gut "Restaurantbesuch" haben will, wird vermutlich bald nachvollziehen können, wie schwierig es früher immer war, einen Tisch auf dem Oktoberfest zu ergattern.

Als Wirt oder Wirtin braucht man, vom Staat fast alleingelassen, derzeit einen Sinn für schwarzen Humor. Denn es ist nicht leicht zu verstehen, nach welchem System die Politik gerade handelt, was die Branche der Gastronomie und der Hotellerie angeht. Fraglos sind ausgelassene Massenveranstaltungen auf engstem Raum höchst gefährlich und ideale Brutstätten für die Pandemie. Das Bierzelt aber in einen Topf zu werfen - um ein gastronomisches Bild zu wählen - mit dem piekfeinen Gourmetrestaurant, in dem das Abstandhalten eh schon zum guten Ton gehört, ist aber genau genommen Unfug.

Auch der Verweis auf Überbrückungskredite von der Hausbank und die Verheißung, nach der Wiederöffnung weniger Mehrwertsteuer an den Staat abführen zu müssen, sind oft nur ein schwacher Trost für die Gastronomie, und für die Hotellerie erst recht. Denn Kredite müssen irgendwann zurückgezahlt werden, gestundete Pachten und Gebühren irgendwann nachbezahlt. Und das, was die Gäste in den vergangenen zwei Monaten nicht konsumiert haben, holen sie im Rest des Jahres ganz sicher nicht nach. Wer vom Tourismus lebt, ob als Lokalbetreiber oder als Hotelier, dem stehen sowieso noch lange sehr harte Zeiten bevor.

Wegen der Kleinteiligkeit der Branche übersieht man in der Politik oft ihre Bedeutung als Wirtschaftsfaktor - man hat hier ja keine Fabriken mit Tausenden Mitarbeitern vor sich, wie in der Autoindustrie. Tatsächlich aber kommen Gastronomie und Hotellerie in Deutschland auf fast 25 Prozent mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte als die Autobauer. 1,1 Millionen sind das im Gastgewerbe. Zusammen mit Eigentümern, mithelfenden Familienangehörigen und geringfügig Beschäftigten verzeichnet der Hotel- und Gaststättenverband sogar 2,4 Millionen Mitarbeiter, von der Pension bis zum Caterer.

Schon jetzt stellt diese Branche nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit aber deutschlandweit die höchste Zahl an Kurzarbeitern und arbeitslos Gemeldeten als Auswirkung der Corona-Krise. Auch das wäre ein Grund für die Politik, ein paar Gedanken mehr als bisher daran zu verschwenden, wie man denen, die vom Gastgewerbe leben, helfen kann.

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