Corona-Pandemie:Behinderteneinrichtungen wollen besseren Schutz

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Körperkontakt ist bei der Arbeit mit Behinderten nicht zu vermeiden. Die Betreuer sorgen sich um die ihnen anvertrauten Menschen. (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Menschen mit Behinderung und ihre Betreuer fürchten eine rasche Ausbreitung des Coronavirus in ihren Einrichtungen.
  • Während etwa für Altenheime Schutzkonzepte entstanden sind, werden Behinderteneinrichtungen im Moment überwiegend sich selbst überlassen.
  • Es fehlt vor allem an Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln.

Von Dietrich Mittler, München

In Bayerns Behinderten-Einrichtungen wächst die Angst vor einer rasanten Verbreitung des Coronavirus - sowohl unter den Menschen mit Behinderung als auch bei den Betreuungskräften. Grund: Bei der Verteilung von Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln wurden sie bislang nicht berücksichtigt.

Die Lebenshilfe, deren Vorsitzende die frühere Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) ist, hatte am Dienstag auf die Risiken hingewiesen: "Einige der Bewohnerinnen und Bewohner haben schwere und mehrfache Behinderungen sowie Vorerkrankungen und ein bereits geschwächtes Immunsystem." Ebenso wie die Alten- und Pflegeheime bräuchten auch die Behinderten-Einrichtungen deshalb dringend "genügend Schutzkleidung wie Masken und Kittel sowie Desinfektionsmittel". Auch seien die Einrichtungen darauf angewiesen, dass bei ihnen "Corona-Tests schnell durchgeführt und ausgewertet werden".

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Von Ruth Waldmann, der gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, kam am Mittwochmorgen umgehend massive Kritik: "Gesundheitsministerin Huml hat Handlungsempfehlungen für die Pflege herausgegeben, aber wieder sind die Heime und stationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderung nicht dabei", sagte sie. In einem Brief an die Ministerin fordert Waldmann umgehende Schritte, denn: "Wenn viele Menschen unter einem Dach leben", bestehe die akute Gefahr, dass sich der gefährliche Erreger in den Einrichtungen schnell unter den Bewohnern und Betreuungskräften verbreite. Das gelte umso mehr, als die behinderten Menschen aktuell rund um die Uhr betreut werden müssen, drängt auch die Lebenshilfe.

Hintergrund: Die Behinderten-Werkstätten und Förderstätten, in denen sich viele Menschen mit Behinderung tagsüber aufhielten, sind angesichts der Corona-Gefahr geschlossen - ebenso wurden die einschlägigen Bildungs- und Freizeitangebote eingestellt. "Es eilt", mahnt die SPD-Gesundheitsexpertin Waldmann. Schließlich könnten die Menschen aus den Heimen und Wohngemeinschaften "nicht einfach heimgeschickt werden".

Dass die Unzufriedenheit über die mangelhafte Ausstattung mit Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln - und das längst nicht nur im Behindertenbereich, sondern auch in der Altenpflege und unter Bayerns niedergelassenen Ärzten - stetig zunimmt, macht sich mittlerweile in öffentlichen Erklärungen bemerkbar. Zu dieser sich zunehmend verschärfenden Kritik sagte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage, das Gesundheitsministerium arbeite "mit Hochdruck daran, die erforderliche Schutzkleidung zu beschaffen - auch für Pflegeheime".

Die vom Freistaat im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie beschafften Materialien würden seit 20. März "durch die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk verteilt". Auch die Kreisverwaltungsbehörden verteilten die Materialien - "vorrangig sind dabei Krankenhäuser sowie ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen". Von den Behinderteneinrichtungen da noch kein Wort.

Bereits am frühen Mittwochnachmittag teilte das Gesundheits- und Pflegeministerium indessen im Einklang mit dem Finanzministerium mit, dass neben den Mitarbeitern der bayerischen Krankenhäuser, Universitäts- und Reha-Kliniken sowie der Alten- und Pflege-Einrichtungen auch jene der Behinderteneinrichtungen "ab sofort vom Freistaat Bayern mit einem Zuschuss zur Verpflegung unterstützt" werden. Was genau mit "Verpflegung" gemeint ist, ließ die Mitteilung offen - von einer künftigen Ausstattung mit Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln, die den Betroffenen augenblicklich am meisten unter den Nägeln brennt, ist jedenfalls nicht die Rede.

Die Pflege-Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) gehen angesichts des Mangels an Schutzmasken nun dazu über, Handwerker wie zum Beispiel Tischler, Schreiner, Steinmetze aber auch Tätowierer zu bitten, "in Ihren Lagern nachzusehen und solche Masken - sofern Sie die entbehren können" - an die AWO-Einrichtungen abzugeben. Thomas Beyer, der Vorsitzende der AWO in Bayern, wirft der Staatsregierung vor, "das Thema völlig verschlafen zu haben". Da sei im Gesundheitsministerium "unglaublich viel Zeit verspielt" worden. Je nach regionaler Gegebenheit werde da mal "ein Beutel mit Masken vor die Tür gelegt".

Oftmals passiere auf die Hilferufe der Einrichtungen hin aber auch gar nichts. "Eine strategische, flächendeckende Ausrüstung erfolgt hier nicht", sagte der AWO-Chef. Bayerns Behörden hätten die Nachschubbeschaffung nun zwar an sich gerissen, was die Einrichtungen erheblich dabei einschränke, bei ihren bisherigen Bezugsstellen die Hygiene- und Schutzartikel zu beziehen, "andererseits aber verteilen die nicht gleichmäßig - und das geht so nicht!", sagte Beyer.

© SZ vom 02.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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