Gesundheitspolitik in Bayern:Das Ende aller bayerischen Corona-Regeln

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Als eine der letzten bayerischen Regeln fällt die Testpflicht beim Besuch von Pflegeheimen weg. (Foto: Matthias Balk/dpa)

"Unterm Strich" sei die Pandemiepolitik erfolgreich gewesen, sagt Staatskanzleichef Florian Herrmann. Die CSU will das Thema abhaken. Ein bisschen zu schnell, findet die Opposition.

Von Andreas Glas, Nina von Hardenberg und Johann Osel

Auf den Tag genau drei Jahre nachdem die Staatsregierung ihren ersten Corona-Krisenstab eingerichtet hat, spricht Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) von einer "Zäsur". An diesem Mittwoch läuft sie aus, die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung. 35 Buchstaben, ein komplexer Begriff, aber längst nicht so komplex wie der Inhalt der Verordnung über weite Strecken der Pandemie war. 87 Mal wurden die Corona-Regeln geändert, Verbote wurden verhängt und gestrichen, Ausnahmen erlassen und kassiert. "Unterm Strich" sei die Pandemiepolitik erfolgreich gewesen, sagt Herrmann am Dienstag.

Strich drunter? Keinesfalls, findet Martin Hagen. Der FDP-Landtagsfraktionschef hält es für falsch, sich "auf die Schulter zu klopfen" und einen Deckel auf die Pandemie zu setzen. Hagen findet, dass es eine Menge aufzuarbeiten gibt. Er spricht von leichtfertigem Umgang mit Grundrechten, falschem Umgang mit Kindern und Jugendlichen und davon, dass die Regierung auf falsche Berater gehört und eine Spaltung der Gesellschaft in Kauf genommen habe. Ihm gehe es "nicht darum, eine Abrechnung zu machen", sagt Hagen. Sondern um Lehren für künftige Krisen.

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Damit steht die FDP nicht allein da. Alle Oppositionsparteien im Landtag wünschen sich eine Aufarbeitung der Corona-Politik. "Ich glaube, eine Selbstreflexion, verbunden mit Selbstkritik ist angebracht", sagt auch Infektiologe Clemens Wendtner, der Deutschlands ersten Corona-Patienten behandelt hat und zum Beraterstab von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zählte. In der Pandemie "war manchmal der Eindruck, dass wir ihm alles ins Ohr geflüstert hätten, aber das war nicht so", sagt Wendtner über seine Rolle in Söders Beraterkreis. Und: "Wir haben viele gute Meetings gehabt, aber es gab auch Entscheidungen, die sehr plötzlich und abrupt von der Politik allein getroffen wurden."

Die Ausgangssperren, die Schulschließungen, der Ausschluss Ungeimpfter aus Bereichen des öffentlichen Lebens. Um all dies aufzuarbeiten, wünscht sich FDP-Mann Hagen eine Enquete-Kommission aus Abgeordneten und Fachleuten, allerdings auf Bundesebene, weil das Thema "nicht nur Bayern betrifft". Toni Schuberl (Grüne) dagegen will, dass die bayerischen Corona-Beschlüsse in Bayern "evaluiert" werden - öffentlich, im Kreise der Landtagsabgeordneten. Zusätzlich könne man Fachleute aus anderen Gesellschaftsbereichen dazu holen. Auch die AfD will sich explizit mit den bayerischen Entscheidungen befassen, in Form einer Enquete-Kommission auf Landesebene. Es gehe darum, "für Gerechtigkeit bezüglich der Grenzüberschreitungen durch die Regierungsmaßnahmen zu sorgen", sagt Andreas Winhart.

Susann Enders, gesundheitspolitische Sprecherin der Freien Wähler, hat sich kürzlich für Entscheidungen entschuldigt, die gewissenhaft getroffen worden seien, "sich aber rückblickend als falsch herausgestellt haben". Eine Entschuldigung würde sich auch Ruth Waldmann (SPD) wünschen, und zwar von Ministerpräsident Söder. Die Staatsregierung müsse eingestehen, dass sie sich bei manchen Entscheidungen getäuscht habe. Es brauche eine "ehrliche Analyse" statt "einfach zu sagen: Bayern ist super aufgestellt für die nächste Pandemie".

Infektiologe Wendtner findet, dass einige Maßnahmen "in sich nicht logisch" waren, dass etwa Maskenvorschriften im Freien "kritisch beleuchtet" werden müssten. Mit Blick auf die Schulschließungen findet auch er, dass es "mehr warnende Stimmen hätte geben müssen".

Die CSU hält eine Enquete-Kommission für "unnötig"

Und was sagt die CSU? Eine Enquete-Kommission sei "unnötig und verursacht nur bürokratischen Aufwand", teilt ihr gesundheitspolitischer Sprecher Bernhard Seidenath mit. Man wisse ja bereits, "was nicht optimal lief", etwa komplette Besuchsverbote in Kliniken, dazu dürften Schließungen von Schulen oder Kitas "in einer künftigen Pandemiebekämpfung nur ultima ratio sein". Statt in Aufarbeitung solle man die Anstrengung lieber in die "Bekämpfung des Fachkräftemangels" investieren. Für Staatskanzleichef Herrmann gibt es ebenfalls "keinen Anlass", irgendwelche Kommissionen in Gang zu setzen. Dies mache die Wissenschaft gegebenenfalls schon selbst. Aus seiner Sicht hat die Staatsregierung "pragmatisch" und "verantwortungsvoll" in einer "nie dagewesenen Situation" gehandelt.

Für die Staatsregierung ist also wirklich ein Strich unter der Pandemie, wenn an diesem Mittwoch die Testpflicht beim Besuch von Pflegeheimen wegfällt und weitere Masken aus dem bayerischen Alltag verschwinden. Pflegeheimbewohner müssen sie nicht mehr tragen und auch die Mitarbeiter von Pflegeheimen, Kliniken und Praxen dürfen sie ablegen. Nur Besucher von Heimen und Gesundheitseinrichtungen müssen den Schutz noch bis 7. April tragen, eine Bundesregel.

Strich drunter, denn Corona ist zwar nicht verschwunden: 16 236 Menschen sind nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit derzeit an dem Virus erkrankt. 217 von ihnen werden auf Intensivstationen behandelt. Aber es droht eben anders als im Winter 2021/22 kein Notstand mehr. Damals lagen mehr als 1000 Corona-Patienten auf bayerischen Intensivstationen, so viele, dass sie aus den überfüllten Stationen ausgeflogen werden mussten, teilweise bis Kiel. In jenen Tagen starben in Deutschland bis zu 300 Patienten täglich, quasi ein Jumbojet-Absturz am Tag. Darunter 30-Jährige, sonst gesunde Patienten. Eine sehr belastende Zeit, sagt Gernot Marx, Vizepräsident der Deutschen Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi).

Auch derzeit sterben noch Menschen an Corona, in Deutschland etwa 30 am Tag, überwiegend alte bis sehr alte Menschen, vielfach schon vorher geschwächt oder vorerkrankt. Knapp zwei Drittel der Covid-Patienten auf den Intensivstationen in Bayern ist über 70 Jahre alt. Der Großteil in der Bevölkerung erkrankt nicht mehr schwer, sagt Marx: "Corona ist deshalb auf den Intensivstationen kein Problem mehr."

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