Süddeutsche Zeitung

Corona-Maßnahmen in Bayern:Das Ende der Maskenpflicht naht

Ministerpräsident Markus Söder will die Regelung in Bayern eventuell noch im Dezember streichen, falls die Corona-Inzidenz niedrig bleibt. Ärzte sind sich uneins darüber, ob die Abschaffung zum richtigen Zeitpunkt kommt.

Von Deniz Aykanat, Thomas Balbierer, Johann Osel und Lisa Schnell

Die Maskenpflicht in bayerischen Bussen, Straßenbahnen und Regionalzügen wird voraussichtlich im Dezember oder spätestens Januar fallen. Einen Termin für das Ende der Corona-Maßnahme hat die Staatsregierung am Dienstag aber noch nicht festgelegt.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte zuvor am Montag erneut ein baldiges Ende der Maskenpflicht in Aussicht gestellt. "Wir sind der Überzeugung, dass auch die Maskenpflicht im ÖPNV entweder Mitte Dezember oder Anfang des nächsten Jahres, wenn die Zahlen halbwegs stabil bleiben und es keine neuen Mutationen gibt, auslaufen könnte", sagte er nach einer Videoschalte des CSU-Vorstands. Die Staatsregierung werde darüber "zeitnah" entschieden. Schon in der Vorwoche hatte Söder gesagt, angesichts sinkender Zahlen sei eine generelle Vorgabe "bald nicht mehr angemessen", denkbar sei die Umwandlung in eine Empfehlung. Nicht davon betroffen wäre der Bahn-Fernverkehr, hier ist die Maskenpflicht Sache des Bundes und gilt bis April 2023.

Am 9. Dezember läuft die aktuelle bayerische Infektionsschutzverordnung aus, die diese Pflicht vorsieht - als eine der wenigen verbliebenen Vorschriften im öffentlichen Leben. Mit der von Söder angekündigten zeitnahen Befassung war indes nicht dieser Dienstag gemeint. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) sagte nach der Sitzung des Ministerrats auf Nachfrage, dass zwar am Rande über Corona gesprochen worden sei. Beschlüsse oder Erörterungen, wie es nach dem Auslaufen der Verordnung weitergehe, seien aber keine gefasst worden. Dass Corona im Kabinett nicht mehr unter "enormer Anspannung dominierendes Thema" sei, zeigt laut Herrmann den allmählichen Übergang von der Pandemie in die Endemie - "dass wir zur Normalität zurückkehren".

Sollte die Maskenpflicht tatsächlich schon zum 9. Dezember fallen, könnte dies in der Kabinettssitzung kommende Woche beschlossen werden; bei einem späteren Wegfall etwa zum Jahreswechsel müsste die Verordnung erst mal verlängert werden. Maßgeblich, so Herrmann, sei das Corona-Monitoring am Landesamt für Gesundheit. Die Sieben-Tage-Inzidenz, die unter anderem wegen rückläufiger Testung heute kaum noch Aussagekraft hat, lag am Dienstag bei 110,9. Sinkend ist auch die Zahl der Hospitalisierungen von Patienten mit oder wegen einer Corona-Infektion sowie die Intensivauslastung. In absoluten Zahlen sind im Freistaat aktuell 133 Intensivbetten für Personen mit Covid in Anspruch genommen. Eine rote Warnstufe war in der einstigen Warnampel der Staatsregierung bei 600 vorgesehen.

Wieso also "Söders Zaudern", wie kürzlich Dominik Spitzer fragte, Gesundheitspolitiker der FDP im Landtag: Es gebe die Ankündigungen, aber dem folge nichts Konkretes. Dabei sei es den Menschen nicht mehr vermittelbar, dass sie im Bus zu einem Konzert Maske tragen müssen, in der Veranstaltung selbst dann nicht. Ohnehin hat die Maskendisziplin längst nachgelassen. Nachdem die Tragepflicht in anderen Lebensbereichen weggefallen sei, habe man bemerkt, "dass auch bei unseren Fahrgästen die Akzeptanz dafür zunehmend sinkt", sagt zum Beispiel ein Sprecher des Verkehrsverbunds Großraum Nürnberg. Das Bundesgesundheitsministerium warnt dagegen vor dem Wegfall der Maske im Nahverkehr. Die Zahl der Ansteckungen werde im Winter zunehmen, hieß es aus dem Haus von Karl Lauterbach (SPD) - es gebe "keine Grundlage für Lockerungen".

Unter Wissenschaftlern gehen die Ansichten dazu auseinander. Christoph Spinner, Infektiologe am Universitätsklinikum rechts der Isar in München, sieht die Zeit für ein Ende der Maskenpflicht gekommen. "Warum denn nicht? Die Inzidenzen sind niedrig, die Gefährlichkeit von Covid-19 ist deutlich gefallen und auch die Sterblichkeit hat abgenommen." Die Wirksamkeit der Masken stehe außer Frage, und natürlich sei ein Passagier mit einer FFP2-Maske in der U-Bahn besser geschützt als jemand ohne Maske. "Aber bei einer Verpflichtung geht es um eine Risiko-Nutzen-Abwägung", so Spinner. Es sei angebracht, dass der Staat die Entscheidung über das Tragen einer Maske nun zurück in die Hände der Bürgerinnen und Bürger lege. Man sei an einem Punkt der Pandemie, an dem man mit Corona wie mit anderen Infektionskrankheiten umgehen könne - er nennt das "the new normal" und und meint damit den Übergang in die endemische Phase. Spinner selbst würde nach einem Ende der Pflicht nicht mehr bei jeder Zugfahrt eine Maske tragen. Er betont aber auch, dass sie in gewissen Situationen, etwa vor einem Treffen mit den Großeltern, empfehlenswert sei. "Die Maske wird schließlich nicht verboten."

Oliver Keppler, Virologe am Max von Pettenkofer-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München hält die Abschaffung im ÖPNV dagegen für verfrüht. "Es ist ein effektives und einfaches Mittel für Menschen, die regelmäßig diese Verkehrsmittel nutzen müssen, sich zu schützen." Vor allem vulnerable Gruppen, die auf den ÖPNV angewiesen sind, würden von einer Fortführung der Maskenpflicht profitieren. Es reiche gerade bei ihnen nicht aus, auf die Eigenverantwortung der Menschen zu setzen. "Viele glauben, dass es für den eigenen Schutz keinen Unterschied macht, ob man als Einzelner eine Maske trägt und die anderen nicht oder ob alle um einen herum auch eine Maske tragen. Aerosolstudien legen nahe, dass der Schutz vor einer Infektion aber um bis zu 70-fach höher ist, wenn die große Mehrheit eine FFP2-Maske trägt." Anders sei es etwa im Supermarkt. Dort sei das Expositionsrisiko gegenüber dem Virus weitaus geringer als in U-Bahn, Bus oder Tram. "Man sitzt und steht enorm dicht gedrängt." Keppler hält es für geboten, die Maskenpflicht im ÖPNV über den Winter beizubehalten und dann erst je nach Infektionsgeschehen über eine Abschaffung nachzudenken.

Auch aus Sicht des Bayerischen Hausärzteverbandes spricht viel dafür, die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln aufrecht zu erhalten. Denn hier - anders als beispielsweise bei einem Restaurantbesuch - hätten die Menschen in aller Regel keine Wahl, ob sie sich dem höheren Infektionsrisiko in geschlossenen Räumen aussetzen wollen. "Wenn die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln erhalten bleibt, trägt das zum Schutz vor einer Corona-Infektion beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit mit Bus oder Bahn bei, gerade auch mit Blick auf den Wegfall der Isolationspflicht bei einer Corona-Infektion." Bayern und andere Bundesländer hatten diese vor einigen Tagen gestrichen.

Unterdessen hat Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) die Entscheidung der Bundesregierung begrüßt, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Personal in Medizin und Pflege zum Jahresende auslaufen soll. Holetschek, der diese Regel in Bayern ohnehin lediglich für Neueinstellungen umsetzen ließ, sagte am Dienstag: Der Schritt sei "überfällig", man benötige jede Arbeitskraft in den Bereichen. Die Teil-Impfpflicht sei "ursprünglich ein guter Ansatz gewesen, vulnerable Gruppen zu schützen" - aber "immer nur als Vorläufer einer allgemeinen Impfpflicht gedacht".

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