Radiowerbung, flächendeckende Plakataktionen, Broschüren für Pflegeheime, Influencer im Netz - mit einer breit angelegten Kampagne will die Staatsregierung im Herbst für die Corona-Impfung sowie für Hygieneregeln wie Maske und Abstand werben. Und dabei auch Jugendliche und Kinder gezielt ansprechen. So soll es mit "Murmel und Mo" eine Serie mit zwei 15-minütigen Filmen geben, in denen ein Mädchen und ihr Stofftier gemeinsam das Immunsystem und die besondere Wirkung von Impfungen erkunden - wobei der "Geheimagent 00-Vax" ins Spiel kommt. Derzeit werden die Streifen gedreht. Um Jugendliche aufzuklären, finden aktuell sogar Gespräche mit der Computerspielbranche statt, Charaktere in den Games könnten Masken tragen, so die Hoffnung. Und für das Oktoberfest ist eine spezielle Kampagne mit dem Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband in grober Planung.
All diese Ideen stellte ein Vertreter des Gesundheitsministeriums am Dienstag dem Fachausschuss im Landtag vor. Es seien "Einblicke in die Werkstatt", hieß es. Beim Impfen greife die Überlastung der Krankenhäuser nicht mehr "als Primärargument", in der jetzigen Phase der Pandemie stehe die Eigenverantwortung stärker im Mittelpunkt - "welchen Vorteil der Einzelne aus der Impfung ziehen kann". Angedacht sind zum Beispiel flotte Plakatwerbungen mit Checklisten: "Nicht vergessen: Steuererklärung abgeben, Räder wechseln, Sauerbraten einlegen, Auffrischungsimpfung." Das sei auch relevant, weil zum 1. Oktober nur noch eine dreifache Impfung als Vollschutz gelten wird. Derzeit haben in Bayern 75,2 Prozent der Bürger zwei Impfungen, 58,6 Prozent einen Booster erhalten. Die zweite Auffrischung, also Impfung Nummer vier, wird bis jetzt nur für ältere Menschen empfohlen.
Vier Millionen Euro gibt das Ministerium aus
Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) teilte anlässlich der Präsentation mit: "Wir wollen den Impfungen mit unserer Kampagne zum Ende des Sommers noch einmal einen kräftigen Schub geben. Das wird ein kommunikativer Rundumschlag." Insgesamt nehme sein Haus für die Herbstkampagnen rund vier Millionen Euro in die Hand. Damit gehe Bayern einen Schritt voran. "Die Berliner Ampelkoalition hat schon mehrfach eine Informationskampagne zum Impfen angekündigt, aber bislang liegen uns darüber noch keine Informationen vor. Deswegen werden wir jetzt selbst aktiv."
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Im Ausschuss wurde die Kampagne insgesamt wohlwollend aufgenommen, wenn auch mit zahlreichen Fragen zu Details. Ruth Waldmann (SPD) warnte etwa davor, dass Gags wie mit dem Sauerbraten als Provokation zwar pfiffig gemeint seien, aber auch nach hinten losgehen könnten. Wenn man damit auf Twitter einen Shitstorm lostrete, müsse man schon zuvor einplanen, das "einzufangen und aufzufangen". Andreas Winhart (AfD) wunderte sich über die Zielgruppe Kinder, wo doch "normal Eltern die Entscheider wären". Auch Susann Enders (FW) sagte, "Impfwerbung direkt an Kinder" befürworte sie nicht. Der Referent des Ministeriums stellte klar, es sei keine Kinderimpfungskampagne, sondern der Versuch, den Kindern das aktuelle Geschehen zu erklären. Beate Merk (CSU) lobte dies, Kinder seien schon in den Lockdowns und nun auch wegen des Kriegs in der Ukraine mit Fragen und Sorgen konfrontiert. Die Filme machten "Corona durchschaubarer".
In den Kliniken wird es wieder voller
Anders als 2020 und 2021 kursiert durch die ansteckendere Omikron-Variante derzeit eine Corona-Sommerwelle. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag am Dienstag im Freistaat bei 783,7. Belastbar ist die Inzidenz inzwischen aber kaum noch - weil längst nicht alle Infizierten einen statistiktauglichen PCR-Test machen. Auch hat sich die Politik wegen der milderen Verläufe jetziger Corona-Varianten von den bloßen Infektionszahlen als Richtschnur für mögliche Maßnahmen verabschiedet. Eine härtere "Währung" ist die Lage in den Kliniken. Binnen einer Woche gab es in Bayern in absoluten Zahlen 928 Hospitalisierungen von Patienten, Tendenz steigend seit Anfang Juni; wobei hier kein Unterschied gemacht wird, ob Menschen wegen Corona ins Krankenhaus kommen oder das Virus erst bei der Einlieferung festgestellt wird.
Auf den Intensivstationen sind derzeit 154 Betten mit Corona-Patienten belegt, eine rote Alarmstufe ist in der bayerischen Warnampel bei 600 vorgesehen. Zuletzt machte den Kliniken vor allem der Krankenstand in der Belegschaft - also der Ausfall von Mitarbeitern durch die Sommer-Welle - zu schaffen. "Auch nach über zwei Jahren gibt es für die Beschäftigten in den Krankenhäusern keine Normalsituation", meldete die Bayerische Krankenhausgesellschaft. Sie spricht von "düsteren Prognosen" nach dem Sommer, fordert unter anderem eine "aktive Impfkampagne" in Bund und Land.