Corona:Zahlreiche Prozesse wegen falscher Impfausweise

Corona: Die echten Zertifikate brachten manche Freiheit mit sich. Genau das veranlasste Kriminelle in großem Stil mit gefälschten Impfausweisen zu handeln. Manch Impfskeptiker schlug aber auch auf dem Flohmarkt zu.

Die echten Zertifikate brachten manche Freiheit mit sich. Genau das veranlasste Kriminelle in großem Stil mit gefälschten Impfausweisen zu handeln. Manch Impfskeptiker schlug aber auch auf dem Flohmarkt zu.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Wie am Landgericht Kempten werden Fälle von gefälschten Impfzertifikaten teils im Akkord verhandelt. Etwa 6000 Ermittlungsverfahren gab es bisher in Bayern.

Von Florian Fuchs, Kempten

Der Fall ist eindeutig, der Angeklagte hat es zugegeben: Vor mehr als einem Jahr hat er sich einen gefälschten Impfausweis besorgt, mit einem Stempel des Klinikums Stuttgart und einer Chargennummer des Impfstoffs, der zu dem im Impfpass angegebenen Zeitraum laut Ermittlungen im Klinikum nicht geimpft worden ist. Das Amtsgericht in Kaufbeuren hat den gelernten Elektriker deshalb zu einer Geldstrafe von 4800 Euro verurteilt, was der 63-Jährige so nicht stehen lassen wollte.

Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse, Urkundenfälschung, alleine am Montag und Dienstag verhandelt das Landgericht Kempten sechs solcher Fälle im Akkord: 9 Uhr bis 10.30 Uhr, 10.30 Uhr bis 12 Uhr, am Dienstag bis in den späten Nachmittag hinein. Das bayerische Justizministerium teilt mit, dass bayernweit keine statistischen Daten zu abgeschlossenen oder noch laufenden Verfahren über gefälschte Impfausweise vorliegen. Ein Sprecher des bayerischen Landeskriminalamts in München aber spricht von 6000 Ermittlungsverfahren, egal ob es um Impfausweise oder digitale Nachweise für Covid-19-Impfungen geht. Die bayerischen Gerichte landauf, landab hatten also eine Menge zu tun, noch immer arbeiten sie die Fälschungen auf, die wegen des Wegfalls der Beschränkungen kaum mehr jemand benötigt - wobei es genau deshalb inzwischen weniger Prozesse werden.

Der Elektriker im Landgericht Kempten lässt zu Beginn seiner Berufungsverhandlung über seinen Anwalt erklären, dass er einräumt, seinen gefälschten Impfausweis in einer Apotheke in Kaufbeuren vorgelegt zu haben, um ein elektronisches Zertifikat zu erhalten. Die Mitarbeiterin der Apotheke wurde jedoch stutzig, so nahmen die Ermittlungen ihren Lauf. Im Gerichtsaal zieht der Mann seine Berufung allerdings zurück und akzeptiert doch die vom Amtsgericht verhängte Geldstrafe.

Zwar hätte ihn die Richterin nicht wegen des ursprünglichen Vorwurfs, des "Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse", verurteilen können. Laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hätte er dazu den gefälschten Impfausweis etwa bei einer Behörde vorlegen müssen, wozu eine Apotheke nicht zählt. Die Richterin warnte jedoch, dass sich der 63-Jährige dann langwierigen Ermittlungen ausgesetzt gesehen hätte, ob stattdessen eine Urkundenfälschung vorliege - die im Gegensatz zum ursprünglichen Vorwurf nicht nur mit Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe, sondern mit Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden könnte.

Mehr als 1000 gefälschte Impfausweise

Verurteilungen gab es in den vergangenen Monaten schon viele, auch spektakuläre, wie gegen Fälscher von Impfausweisen. In München etwa ist eine Mitarbeiterin einer Apotheke zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden - wegen mehr als 1000 falscher Impfausweise. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sie über mehrere Monate hinweg Impfausweise gefälscht hatte. Ihr Komplize verkaufte die Dokumente im Darknet, insgesamt soll er so mehr als 130 000 Euro eingenommen haben. Er muss für vier Jahre ins Gefängnis.

"Die bayerische Justiz geht entschlossen gegen Impfpassfälschung vor. Die Täter riskieren Infektionen und in Einzelfällen Menschenleben", sagt der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU). Ermittlungen zu einzelnen gefälschten Impfausweisen nahmen wie im Fall aus Kaufbeuren oft ihren Anfang in Apotheken: Auffällig sind neue Impfpässe, die ausschließlich Eintragungen zu Corona-Impfungen enthalten. Oder die Chargennummer passt nicht zum Impfstoff, die Impfabstände passen nicht zur Stiko-Empfehlung. Manchmal schalteten Apotheker auch die Polizei ein, weil eine Impfung angeblich von einem Hausarzt verabreicht wurde - zu diesem Zeitpunkt aber Impfungen noch ausschließlich in Impfzentren erhältlich waren.

In einem zweiten Berufungsverfahren am Landgericht Kempten vom Montag gibt ein junger Mann zu, einen falschen Impfausweis in einer Apotheke vorgelegt zu haben. Er habe ihn von einer Bekannten erhalten, im Glauben, dass die Eintragungen dort tatsächlich von einem Hausarzt stammen. Die Ermittlungen jedoch ergaben, dass dieser Hausarzt das Dokument nie ausgestellt hat, dass er nicht einmal einen Stempel benutzt, wie er im Ausweis abgebildet ist. Der Verteidiger plädiert dennoch auf Freispruch, weil sein inzwischen tatsächlich geimpfter Mandant zwar wusste, dass er zu diesem Zeitpunkt keine Impfungen erhalten hatte, aber glaubte, mit einem von einem Arzt korrekt ausgestellten Ausweis ein Impfzertifikat in der Apotheke zu beantragen - insofern könne ihm keine vorsätzliche Urkundenfälschung unterstellt werden. Diese Argumentation verwarf die Richterin und hob zwar das Urteil des Amtsgerichts auf, verurteilte den Angeklagten jedoch zu einer Geldstrafe wegen Urkundenfälschung von 5850 Euro.

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