Öffentlicher Nahverkehr:Busse und Bahnen sollen wieder öfter fahren

Notfallprogramm für Busse, U- und Straßenbahnen

In einem Bus der Stadtwerke Augsburg ist der Bereich um den Busfahrer herum mit Flatterband abgesperrt.

(Foto: Stefan Puchner/dpa)

Je mehr Platz für die Passagiere ist, desto geringer ist das Infektionsrisiko. Für viele Unternehmen ist die Wiederaufnahme des Regelbetriebs auch finanziell wichtig.

Von Maximilian Gerl

Zu anderen Zeiten, vor Corona, hätte sich das bayerische Verkehrsministerium vermutlich vor Anrufen nicht retten können. Man habe eine Telefonhotline (089/2192-3020) eingerichtet, teilte Ministerin Kerstin Schreyer (CSU) vergangene Woche mit: Dorthin könnten sich Fahrgäste wenden, wenn ihre Züge und Busse voll seien. Diese Meldungen würden an die Verkehrsunternehmen weitergeleitet, um "an der richtigen Stelle" nachzubessern. Nun kennen Bayerns Pendler überfüllte Fahrzeuge aus dem Berufsverkehr zur Genüge, von früher, bevor Schulen, Lokale und Läden geschlossen, Beschäftigte in Home-Office und Kurzarbeit geschickt wurden. Das Ministerium schätzt, dass bis Ostern das Passagieraufkommen im ÖPNV um 80 bis 90 Prozent zurückging. Busse und Bahnen blieben oft leer, Betriebe und Verbünde reduzierten ihr Angebot.

Inzwischen haben sich die Maßstäbe verschoben, wie voll eigentlich "voll" ist. Und so steht der öffentliche Nahverkehr in der Corona-Krise vor einer besonderen Herausforderung: Er soll nach dem Willen der Staatsregierung langsam den Betrieb wieder hochfahren. Denn diesen Montag kehren Abschlussklassen an die Schulen zurück, kleinere Geschäfte dürfen wieder öffnen. Für Bus und Bahn bedeutet das viele potenzielle Passagiere, die von A nach B kommen wollen. Am besten, ohne sich dabei mit Sars-Cov-2 zu infizieren.

Die Reduzierung des ÖPNV-Angebots funktionierte angesichts der Umstände überraschend gut. Ungeplante Zugausfälle - etwa wegen erkrankten Personals - konnten so meist vermieden werden. Allerdings wurde in den vergangenen Wochen auch von Problemen berichtet. Fahrgäste drängten sich mancherorts mangels Alternativen in den verbliebenen Bahnen, der Abstand von anderthalb Metern zu den Mitreisenden konnte nicht immer eingehalten werden. Auch deshalb sähe es der Freistaat angesichts der Lockerungen gern, wenn die Unternehmen und Verbünde möglichst bald in einen Regelbetrieb zurückkehrten. Je mehr Busse und Züge, desto mehr Platz für Passagiere, desto geringer ist die Ansteckungsgefahr.

Das Hochfahren erfolgt schrittweise. Die Bayerische Regiobahn etwa weitet schon seit 20. April ihre Verbindungen aus, vom 4. Mai an sollen ihre Züge wieder weitgehend im Regelbetrieb verkehren. Ähnlich sieht es bei der Deutschen Bahn aus. Sie setzt vor allem bei ihren Münchner S-Bahnen verstärkt auf Langzüge. Die Verkehrsverbünde in Augsburg und Nürnberg kehren schon diesen Montag auf vielen Linien zu wieder verstärkten Takten zurück. Einschränkungen gelten weiter vor allem für den Nachtverkehr, zudem stehen auf einigen Bahnstrecken Bauarbeiten an.

Für viele Unternehmen ist die Wiederaufnahme des Regelbetriebs finanziell wichtig. Ticketverkäufe machen einen Großteil ihrer Einnahmen aus. Vor allem Busunternehmer im ländlichen Raum, wo das Passagieraufkommen besonders sank, traf die Krise hart. "Den meisten geht es derzeit alles andere als gut", sagt Stephan Rabl vom Landesverband bayerischer Omnibusunternehmen. "Wir waren in Bayern immer sehr stolz darauf, viele mittelständische Betriebe zu haben, die eigenwirtschaftlich fahren."

Doch mit leeren Bussen lässt sich eben kein Geld verdienen. Manchmal übernähmen Kommunen freiwillig einen Teil der auflaufenden Kosten, sagt Rabl, aber eine flächendeckende Regelung gebe es noch nicht. Im Verkehrsministerium weiß man um solche Probleme. "Die Einnahmeausfälle im allgemeinen ÖPNV belaufen sich nach aktuellen Schätzungen auf dreistellige Millionen-Beträge", heißt es. Die Aufrechterhaltung des Verkehrs sei derzeit nicht gefährdet, allerdings könne auch bei manch kleinerem Eisenbahnunternehmen "ohne Liquiditätshilfen der Betrieb in absehbarer Zeit gefährdet sein". Man arbeite gemeinsam an einer Lösung.

Inwiefern die Kapazitäten in den kommenden Tagen und Wochen ausreichen werden, um nach Corona-Maßstäben volle Abteile zu vermeiden, lässt sich schwer abschätzen. Bleibt zum Beispiel das Wetter gut, könnten in innerstädtischen Bereichen Pendler verstärkt aufs Rad wechseln. Generell gilt: Abstände einzuhalten, ist in Bus und Bahn schwieriger als etwa im Einzelhandel, wo die Menschen notfalls ein paar Minuten vor der Tür warten können.

Von unnötigen Fahrten wird daher abgeraten; wer kann, soll lieber außerhalb der Stoßzeiten pendeln. Um das Infektionsrisiko zu reduzieren, herrscht zudem fortan in allen öffentlichen Verkehrsmitteln eine Maskenpflicht. Taxler haben mitunter Trennscheiben zwischen Vorder- und Rückbank installiert, im Bus bleibt meist die vorderste Tür sowie der Bereich um den Fahrer herum für Passagiere gesperrt. Bei der Versorgung der Mitarbeiter mit Schutzausrüstung gebe es eine klare "Priorisierung", sagt ein Sprecher der Deutschen Bahn: "Alle, die draußen sind, haben was dabei."

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