Süddeutsche Zeitung

Pannenserie bei Corona-Test:Söder mal bescheiden

Schlecht geschulte Mitarbeiter, EDV-Probleme: Bayerns Ministerpräsident zeigt sich trotzdem gnädig mit den Fehlern bei Corona-Tests im Freistaat - und beendet zugleich ein Projekt, mit dem er glänzen wollte.

Von Lisa Schnell

Markus Söder (CSU) scheint gut drauf zu sein. Kurz vor der Pressekonferenz steht er draußen in der Sonne und scherzt. Man sieht das an den Lachfalten um seine Augen, über dem Mund trägt er natürlich eine Maske. Söder will Bilanz ziehen, wie es so gelaufen ist mit der bayerischen Teststrategie, und er findet: eigentlich ziemlich gut. 480 000 Menschen wurden getestet, 6000 davon waren positiv. "Die hätte man sonst nicht entdeckt", sagt Söder. Bayern habe einen weiteren Hotspot verhindert, habe mit seinen Tests für Reiserückkehrer einen "Service" für ganz Deutschland geleistet. So redet Söder etwa zwanzig Minuten. Probleme? Ja, gab es, sagt er. Nur: Gibt es die nicht überall? Er habe den Eindruck, bei ihm werde besonders genau hingeschaut.

Der Eindruck ist vielleicht nicht ganz falsch, Söder daran aber auch nicht ganz unschuldig. Nur einer von vielen sein, bei denen der Kampf gegen Corona nicht immer funktioniert - bis jetzt machte Markus Söder nicht den Eindruck, als wäre das sein Anspruch. Bisher pries Söder Bayern oft als Vorbild. Nun aber läuft auch in Bayern nicht alles so rund. Nach der großen Testpanne im August gibt es jetzt wieder Kritik. Bald aber soll es die Testzentren an der Grenze und an Hauptbahnhöfen nicht mehr geben. Das kündigt Söder am Dienstag an. Wegen der Pannen? Er verneint. Tests an den Grenzen machten nur Sinn während der Urlaubssaison. Zu den Winterferien möchte er sie allerdings nicht mehr aufbauen.

Anstatt an Bahnhöfen und Autobahnen werden die Tests nun in kommunalen Zentren angeboten. Für Durchreisende ist das nichts. Bayerns "Service für Deutschland" ist damit größtenteils vorbei. Ob das gleiche für die Kritik an den Testzentren gilt, muss sich zeigen. Sie reicht von langen Wartezeiten bis zu der Sorge, ob die Mitarbeiter dort professionell arbeiten - etwa vier Wochen nachdem Söder Besserung versprochen hatte.

Damals, am 13. August, stand er am gleichen Platz und war weniger gut gelaunt. Etwa 44 000 Reiserückkehrer mussten lange auf ihre Testergebnisse warten, 900 von ihnen waren positiv Getestete und hatten eventuell andere angesteckt. Man werde aus Fehlern lernen und es in Zukunft besser machen, sagte Söder damals. Und versuchen, "die Fehler endgültig zu beheben".

Der Versuch ist nicht vollends geglückt. Warum? Wer mit Mitarbeitern der Ministerien spricht, aber auch mit solchen an den Teststationen, erfährt: Die meisten der Probleme, die zur großen Testpanne im August führten, sind behoben, aber nicht alle. Damals fehlte eine Software, mit der die Daten digital erfasst und weitergeleitet werden konnten, unter anderem, weil es besonders schnell gehen sollte.

Mittlerweile erfolgt die Erfassung überall digital. Dass in einem Zeitraum von fünf Tagen nun wieder 10 000 Menschen warten mussten, lag an einem EDV-Fehler. Alle Daten waren digital erfasst, allerdings gab es ein Problem bei der Schnittstelle. Man kann sich das in etwa so vorstellen wie eine Flasche, bei der man Probleme hat, den Korken zu lösen. Als dies, letztes Wochenende, dann doch gelang, konnten die Informationen schnell und auf einen Schlag übermittelt werden. Die technischen Probleme gab es nur an den Flughäfen, aber auch in den Testzentren an Autobahnen hat es wohl Verzögerungen gegeben.

Leser berichteten der SZ und auch anderen Medien zum Beispiel, dass sie sechs Tage auf ihr Ergebnis warten mussten. Das Gesundheitsministerium teilt mit, dass es sich dabei nur um "Einzelfälle" handele. Über einen Zeitraum von mehreren Wochen sei es bei etwa zehn Prozent zu Verzögerungen gekommen. Die Hauptursache für die Wartezeiten sollen zusätzliche Labortests sein, die bei einigen Proben notwendig sind, weil das Ergebnis nicht eindeutig positiv oder negativ ist. Dies könne etwa passieren, wenn der Getestete Alkohol getrunken oder ein Nasenspray verwendet habe, teilte das zuständige Landesamt für Gesundheit (LGL) mit.

Kritik am Personal in den Teststationen in Bayern

Zudem gibt es immer wieder die Kritik, die das Personal betrifft. Schon im August hatte das Bayerische Rote Kreuz (BRK) davor gewarnt, dass es für die privaten Betreiber Ecolog (Flughäfen) und Eurofins (Autoraststätten) schwierig werden könnte, geeignete Mitarbeiter zu finden. Nötig seien sowohl medizinische Vorkenntnisse als auch eine Einweisung etwa durch einen Arzt. Aus Kreisen von Hilfsorganisationen ist nun zu hören, dass an den Teststationen vor allem Studenten, Security-Mitarbeiter oder Bühnenarbeiter den Rachenabstrich machen. Arbeiten sie professionell? Sowohl beim Anziehen des Schutzanzugs als auch bei dem Nehmen der Probe könnten viele Fehler gemacht werden, sagt einer, der mit Hilfsorganisationen in Kontakt ist. Nicht nur fehlerhafte Tests könnten die Folge sein, sondern auch eine Gefährdung der Mitarbeiter oder der Reisenden.

Darauf angesprochen verweist Ministerpräsident Markus Söder auf seine Gesundheitsministerin, die neben ihm steht. Solchen Hinweisen würde sofort nachgegangen, sagt Melanie Huml (CSU). Allerdings seien im Ministerium keine Beschwerden über mangelhafte Arbeitsbedingungen oder fehlende Hygienemaßnahmen eingegangen.

Eines sagt Huml dann auch noch, nebenbei in einem Nebensatz. In Zukunft sollen andere Firmen die Abstriche an den Bahnhöfen und den Autobahnraststätten nehmen. Die Firma Eurofins werde sich nur noch um die Laboranalysen kümmern. Das Unternehmen Centogene, das auch in anderen Bundesländern diese Dienste anbietet, soll das an Bahnhöfen übernehmen. MKT Krankentransporte und die Hilfsorganisation "Die Malteser" nehmen die Abstriche an den Autobahnen. Warum auf einmal der Wechsel, obwohl es doch immer hieß, es solle alles in einer Hand bleiben? Und ob das auch etwas mit den Pannen zu tun habe? Auf die letzte Frage antwortet Huml nicht. Als einzigen Grund für den Wechsel sagt sie: "Es ist schlicht der Vertrag ausgelaufen."

Und dann ist da noch die Grundsatzkritik an Söders Testzentren, die nichts damit zu tun hat, ob dort alles rund läuft. Bayern ist das einzige Land, in dem sich jeder testen kann, egal, ob Symptome vorliegen. Virologen, aber auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warnten davor, dass dann keine Testkapazitäten mehr übrig sein könnten. Söder aber verweist darauf, dass in Bayern derzeit theoretisch 100 000 Tests pro Tag möglich seien, obwohl nur etwa 50 000 angefragt würden. An dem "niedrigschwelligen Testen" hält er trotz Pannen fest, an manchen Versprechen nicht. Für die Teststationen an den Grenzen gab es eine 48-Stunden-Garantie. Wann das Ergebnis nun da sein müsse? "So schnell wie möglich", sagt Söder.

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Quelle:
SZ vom 09.09.2020/mmo
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