Süddeutsche Zeitung

Corona-Lockerungen in Bayern:Söder betritt dünnes Eis

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Bayerns Ministerpräsident, der immer zur Vorsicht mahnte, trägt nun die Lockerungen der Corona-Beschränkungen mit. Für den Wandel seiner Pandemiepolitik gibt es gute Gründe - er ist aber auch riskant.

Kommentar von Andreas Glas

Vor drei Wochen bemühte Markus Söder ein einprägsames Bild. Es war der 12. Februar, Regierungserklärung des Ministerpräsidenten, Sieben-Tage-Inzidenz in Bayern: 62. "Wenn die Zahlen es hergeben, öffnen wir mit Freude. Wenn die Zahlen aber schlechter sind, öffnen wir aus Sorge nicht", sagte Söder. "Das wäre in etwa so, als würde man über einen gefrorenen See gehen und es würde zu tauen beginnen." Inzwischen ist das Eis nicht dicker geworden, sondern dünner, Inzidenz: 68. Und Söder? Marschiert trotzdem los.

Wenn es noch einen Beweis brauchte, dass Söder seine Marschroute ändert, hat ihn dieser Donnerstag geliefert, an dem die Staatsregierung beschlossen hat, die mit Bund und Ländern vereinbarten Öffnungen mitzugehen. Es gibt Gründe dafür, auch gute. Die Todeszahlen sinken, da die gefährdeten Menschen in Altenheimen weitgehend geimpft sind. Es gibt Schnelltests, die das Ansteckungsrisiko senken. Andererseits: War es nicht Söder, der gerade noch sagte, dass Schnelltests keine "Schnellwaffe" seien, weil es zu wenige gebe? Und warnt Söder nicht immer noch vor den Virusmutanten, die wohl die Ursache sind, dass die Inzidenz nicht sinkt, sondern steigt?

Man kann es kaum anders deuten, als dass Söder nun auch dem Druck aus der Wirtschaft nachgibt, aus seiner CSU, aus der Gesellschaft, die in Umfragen lauter nach Öffnungen ruft als früher. Vielleicht kein Paradigmenwechsel, wie Söder beteuert. Aber eine Akzentverschiebung in seiner Pandemiepolitik. Die Öffnungen nennt er selbst einen "Versuch" - nachdem er stets betont hatte, "keine Experimente" zu machen.

Der März sei jetzt ein "Chancen-Monat", sagt der Ministerpräsident. Mit den Öffnungen wird der März aber ebenso zum Risiko-Monat. Das Eis ist dünn, die Einbruchsgefahr hoch. Für alle. Auch für den Corona-Krisenmanager Markus Söder.

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Quelle:
SZ vom 05.03.2021
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