Anti-Corona-Maßnahmen:Biergärten in Bayern bleiben zu

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Da die Infektionszahlen in Bayern steigen, stoppt das Gesundheitsministerium die geplanten nächsten Öffnungsschritte. Kinos, Theater und die Außengastronomie bleiben am Montag im ganzen Freistaat geschlossen.

Von Matthias Köpf, München/Traunstein

Nicht nur für Tausende Schüler, Eltern und Lehrer wird dieser Freitag wieder ein entscheidender sein: Wie viele Menschen haben sich in den sieben Tagen zuvor in ihrer Region neu mit dem Coronavirus infiziert? Waren es mehr als 100 pro 100 000 Einwohner, so werden die allermeisten Schüler kommende Woche wieder daheim im Distanzunterricht bleiben müssen, Krippen und Kindergärten wechseln in den Notbetrieb. Sobald die Sieben-Tage-Inzidenz drei Tage über 100 liegt, zieht der Staat ohnehin die von Kanzlerin und Ministerpräsidenten vereinbarte "Notbremse", alle Lockerungen wären dann hinfällig. Doch auch die anderenfalls von Montag an möglichen lokalen Lockerungen will das Gesundheitsministerium vorerst nicht zulassen.

Aufgrund des landesweiten besorgniserregenden Anstiegs der Infektionen könne bayernweit nicht mehr von einer stabilen Lage ausgegangen werden, teilte ein Ministeriumssprecher am Donnerstagabend mit. Bis auf Weiteres werde das Einvernehmen zu Öffnungsschritten nicht erteilt; zunächst seien die Beratungen der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten am Montag abzuwarten. Die gleiche Runde hatte vor zwei Wochen die nun abgeblasenen Lockerungen in Aussicht gestellt. Demnach wären bei einer Sieben-Tage-Inzidenz unter 50 etwa Theater-, Kino- oder Konzertbesuche möglich gewesen, auch Biergärten hätten öffnen dürfen. Bei Inzidenzen zwischen 50 und 100 hätte es dafür zusätzliche Auflagen wie Selbsttests und eine feste Terminbuchung gegeben.

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Nun jedoch erwartet das Ministerium, dass die Sieben-Tage-Inzidenz in Bayern "in den nächsten Tagen 100 übersteigt". Am Donnerstag lag die landesweite Inzidenz laut Robert-Koch-Institut schon bei 96. Angesichts des damit drohenden Lockdown in zahlreichen weiteren Landkreisen und Städten werden die Forderungen nach einer Abkehr von der Inzidenz als einzigem Kriterium immer dringlicher.

Sie kommen auch längst nicht mehr nur aus der Opposition und von den Freien Wählern, die sich innerhalb der Staatsregierung als Widerpart einer inzidenzverliebten CSU darstellen. Am Mittwochabend hat mit Albert Füracker nun auch ein wichtiger CSU-Minister seine Zweifel an der Inzidenzorientierung deutlich gemacht. Der Stufenplan für die Lockerungen der Corona-Auflagen funktioniere nicht, sagte Füracker im Regensburger Presseclub. Die Abstufung nach Inzidenzen sei zwar aktuell das Beste, was man habe, doch man suche verzweifelt nach einer Formel, die auch andere Werte berücksichtige.

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Nur wenige Stunden zuvor - und noch bei einer bayernweiten Inzidenz von 91,7 - hatte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) dazu aufgerufen, die Infektionsschutzregeln konsequent zu beachten. Für Lockerungen sei neben den jeweiligen Inzidenzwerten eine stabile oder rückläufige Entwicklung des Infektionsgeschehens in den beiden vergangenen Wochen notwendig. "Bei erheblichen Schwankungen oder sogar einem kontinuierlichen Anstieg" könnten "keine weitergehenden Öffnungen verantwortet werden". Wer versuche, "diese Regelungen mit Spitzfindigkeiten zu umgehen", verunsichere die Bürger.

Doch in vielen Rathäusern und Landratsämtern wünscht man sich ohnehin andere Kriterien. Die Forderungen, sich nicht mehr allein an der Inzidenz zu orientieren, kommen nicht nur aus besonders betroffenen Landesteilen wie Ostbayern oder dem Berchtesgadener Land. So hatte zuletzt auch der parteifreie Landshuter Oberbürgermeister Alexander Putz eine Abkehr von der reinen Inzidenz verlangt. Regensburgs OB Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) forderte, sich an Testkonzepten und der Lage in den Kliniken zu orientieren.

Der Traunsteiner Landrat Siegfried Walch (CSU) hat in dieser Debatte am Donnerstag ein konkretes, fünfstufiges Konzept "für eine geänderte Corona-Öffnungssystematik" vorgeschlagen. Dieses basiert auf dem Anteil der bereits geimpften Menschen in den bestehenden Priorisierungsgruppen. Sobald 70 Prozent der Menschen aus der ersten Gruppe der Älteren und schwer Vorerkrankten geimpft sind, sollen demnach alle Schulen und Kindertagesstätten öffnen, ebenso der Einzelhandel mit Quadratmeterbeschränkung sowie die Gastronomie im Freien und teilweise mit Selbsttests. Weitere Öffnungen hingen davon ab, dass auch in den niedrigeren Priorisierungsgruppen jeweils 70 Prozent geimpft sind. Gebe es - möglichst bis zum 1. Juli - ein Impfangebot für 70 Prozent der ganzen Bevölkerung, sollen alle flächendeckenden Beschränkungen enden und nur lokale Maßnahmen möglich sein.

Walchs Vorschlag unterstützen auch dessen CSU-Parteifreunde und Landratskollegen in Altötting, Rosenheim und Fürstenfeldbruck. Walch selbst begründet ihn damit, dass den Menschen eine verlässliche Perspektive fehle und es ihnen daher immer schwerer falle, die Maßnahmen mitzutragen. Diese wirkten aber nur dann, "wenn sie nicht nur theoretisch angeordnet, sondern auch tatsächlich befolgt werden". Schneller werde man mit seinem Konzept aber auch nicht durch die Pandemie kommen, räumt Walch ein, denn "das verändert unsere Impfleistung nicht". Zugleich drängen viele Verbände weiter auf Lockerungen. So hat etwa Bayerns Hotel- und Gaststättenverband am Donnerstag per offenem Brief abermals eine Öffnungsperspektive verlangt.

© SZ vom 19.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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