Kultur in Bayern:Der Vorhang zu und viele Fragen offen

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Wann die Kinos wieder Filme für Publikum vorführen dürfen und unter welchen Bedingungen, ist noch unklar. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Die Staatsregierung erweitert ihren "kulturellen Rettungsschirm" von 90 auf 200 Millionen Euro. Damit wird auch denen geholfen, die vorher durchs Raster fielen. Die Öffnungspläne bleiben aber vage.

Von Andreas Glas, München

Die Limousine des Ministerpräsidenten rollt fast bis zum Treppenabsatz am Eingang des Prinz-Carl-Palais. Besser so, es regnet und Regen ist der Feind jeder Frisur. Dass Markus Söder "die Haare wieder schön" hat, dass er "dringend einen Schnitt" brauchte, war bei Bild .de bereits am Mittwoch zu lesen. An diesem Donnerstag geht es darum, was Bayerns Künstler und Kulturschaffende dringend brauchen, dringender als einen frisierten Ministerpräsidenten: einen Ministerpräsidenten, der ihnen Perspektiven gibt. "Sie inspirieren uns mit ihrer Kunst", sagt Söder, als er am Rednerpult steht. Man spürt: Da will einer diejenigen streicheln, die sich zuletzt vergessen fühlten von der Politik. Für sie soll der "kulturelle Rettungsschirm", wie Söder sagt, noch weiter aufgespannt werden als bisher - von 90 Millionen Euro auf 200 Millionen Euro.

Die Kunst sei "die emotionale Seele Bayerns", sagt Seelenstreichler Söder (CSU). Die wichtigste Frage wird er am Donnerstag aber nicht beantworten: wann genau Theater, Kinos, Kleinkunstbühnen, Konzerthäuser wieder aufsperren dürfen. "Auch da gilt der Grundsatz: schrittweise, besonnen, Stück für Stück", sagt Söder. Er spricht von "Perspektiven für die Zeit nach Pfingsten". Aber eben auch davon, dass die meisten Kulturveranstaltungen wohl "erst ab den Sommerferien" oder im Herbst stattfinden könnten. Das alles sind Ideen, aber noch keine fixen Zeitpläne.

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"Ein Rockkonzert", sagt Söder, sei eher später denkbar als ein Theater, "das Don Carlos aufführt". Bei den Theatern könne er sich etwa "das Modell der Kirchen" vorstellen. In den Kirchen dürfen seit 4. Mai wieder Gottesdienste stattfinden, mit begrenzter Besucherzahl, mit Abstandsregeln und einer Höchstdauer von 60 Minuten. "Wir werden nicht den 1000-Leute-Saal komplett voll haben", sagt Kunstminister Bernd Sibler (CSU). Er kann sich Aufführungen in zwei Schichten vorstellen, nachmittags und abends, damit Theater trotz begrenzter Plätze möglichst viele Zuschauer haben. Sibler spricht auch von personalisierten Tickets, wohl um mögliche Infektionsketten besser nachvollziehen zu können. Und er sagt: "Außen ist einfacher als innen." Soll heißen: Open-Air-Veranstaltungen könnten schon nach Pfingsten wieder stattfinden. In größeren Konzertsälen, Opernhäusern oder Kinos "lässt sich das sicher genauso machen", sagt Söder. Aber Festivals "wie Rock im Park, so etwas natürlich nicht".

Was Söder und Sibler zu sagen haben, beruht auf einem Konzept, das die Kulturminister der Länder und die Bundesbeauftragte für Kultur in dieser Woche entwickelt haben. Ein konkreter Zeitplan soll vor Pfingsten feststehen. Immerhin: Am Donnerstag hat Sibler verkündet, dass die diesjährige Landesausstellung "Stadt befreit. Wittelsbacher Gründerstädte" in Aichach am 10. Juni losgehen wird.

Während die Öffnungspläne insgesamt vage bleiben, ist die Ausweitung des Kultur-Rettungsschirms beschlossen. Es sollen nun auch Künstler bedacht werden, die bisher durchs Raster aller Soforthilfemaßnahmen fielen. Kleinstunternehmern und Solo-Selbständigen, die bei der Künstlersozialkasse (KSK) versichert sind, hatte der Freistaat bereits im April Hilfe in Aussicht gestellt: drei Monate lang jeweils 1000 Euro. Hilfe verspricht Söder jetzt auch denen, die keine KSK-Mitglieder sind, aber "die Kriterien der KSK erfüllen". Die Zahl der Empfänger verdopple sich von 30 000 auf rund 60 000, sagt Söder.

Nicht nur klassische Künstler bekommen Unterstützung, auch freie Journalisten und Fotografen oder Studierende an Theater- und Musikakademien. Auch Honorarkräfte an Staatstheatern sollen profitieren, ebenso Techniker und Maskenbildner. Wer einen Honorarausfall bis 1000 Euro nachweisen kann, erhält 60 Prozent des Ausfalls, wer darüber liegt, bekommt 40 Prozent, maximal aber 2500 Euro. Insgesamt umfassen die Hilfen für selbständige Künstler fast 140 Millionen Euro. Weitere rund 50 Millionen Euro investiert der Freistaat in Direkthilfen für Spielstätten, etwa kleinere und mittlere Theater oder Kinos. Neben Musikschulen sollen zudem Laien-Musiker unterstützt werden, mit zehn Millionen Euro.

Der Opposition im Landtag geht das alles nicht weit genug. "Leider hat die Söder-Regierung nicht verstanden, dass neben klassischen Konzerten auch die Popkultur und die Freie Szene zur Kultur gehören", sagt Susanne Kurz, kulturpolitische Sprecherin der Grünen. "Für Musik-Livespielstätten wie beispielsweise Clubs wären Open-Air-Veranstaltungen mit Abstand im Sommer ein Überlebenskonzept gewesen." Volkmar Halbleib (SPD) kritisiert, es sei immer noch "unklar, welche Berufsgruppen genau unter welchen Voraussetzungen Soforthilfe erhalten können". Er fordert, "dass die Gelder jetzt auch schnell fließen" - was bislang nicht der Fall war, offenbar wegen Softwareproblemen. Es sei nicht länger hinnehmbar, dass selbständige Künstler "über vier Wochen nach der Erstankündigung der Staatsregierung überhaupt einen Antrag stellen können", sagt Halbleib.

Wohl auch deshalb ist der Ministerpräsident bemüht, den Künstlern seine Zuneigung zu beweisen. "Wir brauchen sie gerade in diesen Zeiten", sagt Söder, "um Mut zu machen".

© SZ vom 15.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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