Ausstellung in Augsburg:Wie cool ist das denn

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Habitus der Lässigkeit und Souveränität: Die Ausstellung "Coolness. Inszenierung von Mode im 20. Jahrhundert" im Textilmuseum Augsburg zeigt, wie sich die Vorstellung von Attraktivität wandelt. (Foto: Frauke Wichmann)

Eine sehenswerte Ausstellung im Textilmuseum Augsburg präsentiert ikonische Mode des 20. Jahrhunderts, die für das Souverän-Lässige steht.

Von Sabine Reithmaier, Augsburg

Matylda und Timo bevorzugen Loose Fit Jeans mit aufgebügelten Aufklebern, dazu ein T-Shirt mit zähnefletschenden Hunden, einen Hoodie und als Schmuck schwere Ketten. Michelle zieht mit einem weißen Strickmantel, Schal und Jeans ein bequemes Alltags-Outfit vor. Und für Pauline zählt der Einkaufsort mehr als die Kleidungstücke, sie hat alles secondhand erworben.

Die Schaufensterpuppen, ausstaffiert mit den Einkäufen der jungen Augsburger, liefern ganz verschiedene Antworten auf die Frage, welche Kleidung für sie cool ist. Zu finden sind sie in der letzten, partizipativ angelegten Station der neuen Sonderausstellung im Textil- und Industriemuseum Augsburg (Tim), in der sich alles um Coolness dreht. Unterhaltsam entfaltet die Schau die Geschichte dieses Begriffs mit Hilfe ausgewählter Kleidungsstücke.

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Nachdenken über Coolness passt gut in eine Zeit der allgemeinen Auf- und Übererregung. Plakatwände, Fotos, Filme und Musik von Jazz bis Hip-Hop sorgen für eine amüsante, aufwendig inszenierte Zeitreise durch die Mode des 20. Jahrhunderts. Zwischen Smoking, Trenchcoat und Abendkleidern sinnt man bald darüber nach, was Coolness eigentlich bedeutet. Die Haltung des Trägers scheint jedenfalls entscheidender zu sein als das Kleidungsstück an sich. Für den Chef des Museums, Karl Borromäus Murr, ist Coolness nicht nur ein Begriff, sondern ein Lebensstil, eine Form der Kommunikation mit wandelnden Codes. Als ästhetische Strategie nutzen es meist noch eher junge, sich in einem "identitätsdiffusen Lebensabschnitt" (Murr) befindende Menschen, um sich soziokulturell zu konstituieren und abzugrenzen. Und gegebenenfalls zu rebellieren.

Nonkonformismus: Bert Brecht im schwarzen Ledermantel

Er wusste sich zu inszenieren: Bertolt Brecht zelebriert hier Machotum mit Zigarre und seiner berühmten schwarzen Lederjacke. (Foto: Zander & Labisch/picture alliance/ullstein bild)

Auf die Frage nach dem Ursprung der kühlen, distanzierten Haltung gibt es mehrere Antworten. Die einen interpretieren bereits den antiken Stoizismus als Spielart der Coolness, sagt Murr. Andere verorten den Ursprung in den westafrikanischen Vorstellungen von "itutu", einem Konzept der Selbstbeherrschung. Sich nach außen hin ungerührt zu geben trotz größten Unrechts, das war später im Kontext der Sklaverei in den USA eine Überlebensstrategie. Was übrigens Deutschland betrifft: Die meisten Forscher favorisieren die Fünfzigerjahre als die eigentliche Geburtsstunde der Coolness.

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So gesehen war der Augsburger Bert Brecht seiner Zeit wieder einmal weit voraus. Er ließ sich schon in den Zwanzigerjahren gern in demonstrativ lässiger Pose in den "Klassikern der Coolness" (Murr), also schwarzen Ledermantel oder -jacke, fotografieren. Bis heute gilt letztere, obwohl fast immer industriell hergestellt und seit fast 100 Jahren im Wesentlichen unverändert, als Zeichen für Individualität und Nonkonformismus. Das ideale Accessoire also für den grünen Ex-Außenminister Joschka Fischer, dessen Jacke zu den Ausstellungsstücken gehört.

Ein ikonischer Moment der Filmgeschichte: Marlene Dietrich in Smoking und Zylinder im Film 'Marokko', 1930. Damit war sie in Hollywood Pionierin. Sie trug auch im realen Leben gerne Herrenkleidung. (Foto: SZ Photo)

Leder diente schon Rittern oder sonstigen Kriegern als Material für Rüstungen und war zunächst Männern vorbehalten. Wie übrigens eine ganze Reihe anderer Kleidungsstücke auch. Den Anzug zum Beispiel, dessen allmähliche Aneignung durch Frauen anschaulich nachgezeichnet ist. Niemand setzte die kühle Attitüde so gekonnt ein wie Marlene Dietrich und Greta Garbo, bis heute Ikonen der Grenzüberschreitung. Und gern kopiert, etwa von Madonna, die Jahrzehnte danach den Marlene-Dietrich-Look wieder aufgriff.

Fließender Stoff, sehr enge Taille: Womöglich können diesen Traum von einem Kleind nur echte Diven tragen (Foto: LWL-Industriemuseum)

Frauen konnten auch im Abendkleid cool sein, wenngleich die dazu gehörigen Stereotypen eher eine kapriziöse, launische, aber trotzdem unterkühlt wirkende Diva implizieren. Die Palette der Abendroben, die das Tim aufbietet, ist sehenswert, egal ob es sich um das schwarze Kleid mit Perlenstickerei handelt, das aus dem Umfeld der Schwabinger Boheme-Protagonistin Franziska zu Reventlow stammt, oder um das Debut-Kleid der Sopranistin Diana Damrau.

James Dean im weißen T-Shirt

T-Shirt und Jeans: James Dean, der gerade mal in drei großen Hollywoodfilmen zu sehen war, ehe er mit nur 24 Jahren mit seinem Porsche tödlich verunglückte, wurde in diesem Outfit zur Legende. (Foto: Frauke Wichmann)

Ein Kapitel ist dem T-Shirt gewidmet, ursprünglich nur Unterhemd der amerikanischen Soldaten, ein anderes den Blue Jeans, einem heiß begehrten Kleidungsstück im Deutschland der Fünfzigerjahre. Die Soldaten hatten die amerikanische Arbeiterhose mitgebracht. Und klar, nur eine original amerikanische galt als echte Jeans - Lee, Levi's oder Wrangler. "Cowboyhosen", die ein deutscher Versandhändler bald anbot, waren total uncool. Der Prototyp der Coolness war freilich James Dean, der als rebellierender Teenager Jim in "...denn sie wissen nicht, was sie tun" (1955) mit Jeans und weißem T-Shirt zur absoluten Stil-Ikone wurde. Und dank massenhafter Verbreitung in den Medien einen tiefgreifenden Einfluss auf den Kleidungsstil junger Menschen ausübte.

Die Kommerzialisierung ließ nicht lang auf sich warten, schließlich entdeckten die Modedesigner den blauen Stoff für sich. Als die 15-jährige Brooke Shields 1980 für eine Calvin Klein-Jeans auf Plakaten mit dem Spruch warb, nichts käme zwischen sie und ihre Jeans, fanden das zwar noch einige Zeitgenossen skandalös. Aber Protestgedanken verband niemand mehr mit dieser Hose, auch wenn die Werbung sich bis heute müht, für Jeans-Träger ein besonderes Freiheitsgefühl zu beschwören. Doch längst ist Coolness im Mainstream angekommen.

Exkurs in die Welt des Trainingsanzugs: Heute sind die Retro-Outfits mit den drei Streifen der ultimative Ausdruck von Hipness, früher ging der Papa damit zum Altherren-Fußballtraining. (Foto: Frauke Wichmann)

Amüsant auch der Exkurs in die Welt des Trainingsanzugs, eines zunächst überhaupt nicht coolen Kleidungsstücks. Erstmals auf der New Yorker Weltausstellung 1939 vorgestellt und als "bequemer Sonntagsanzug" für die Freizeit beworben, dauerte es etliche Jahre, bis sich die Sportartikelfirmen seiner bemächtigten. Adidas brachte 1968 den ersten Trainingsanzug heraus, entworfen für Fußballstar Franz Beckenbauer. Doch wirklich cool wurde er erst, als ihn eine neue Subkultur für sich entdeckte: die Breakdancer und die Skateboarder.

Für die schwarze und lateinamerikanische Jugend in den amerikanischen Großstädten spielte Coolness schon in den Dreißigerjahren eine wichtige Rolle. In Harlem kreierten sie den "Zoot-Suit", einen farblich oft grellen Anzug mit überbreiten, dick gepolsterten Schultern und ballonartigen Hosen. Doch als Amerika in den Zweiten Weltkrieg eintrat, galt das Kleidungsstück als illegal. Stoff wurde streng rationiert, daher galten Zoot-Träger schnell als unpatriotisch, wurden in Los Angeles 1943 von jungen weißen Soldaten durch die Straßen gejagt.

Coolness - Inszenierung von Mode im 20. Jahrhundert. Sonderausstellung bis 22. Oktober, Staatliches Textil- und Industriemuseum Augsburg. Zur Ausstellung ist eine Begleitbroschüre erschienen, 90 Seiten, Preis: 8 Euro.

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