Es gab Kinder, die sind mit dieser Form der Unterhaltung geradezu (sehn-)süchtig aufgewachsen. Jede Woche kauften sie am Kiosk eine Fortsetzung. Ein neues Heft. Aber diese jungen Menschen mussten für dieses Vergnügen auch viel schlechtes Gewissen und noch mehr literarische Endzeitstimmung aushalten. Dieses Medium verderbe den Charakter und die Sprache, es sei für die Seele schädlich, warnten damals die Puristen. Ein, zwei Generationen später scheint die Erzieherwelt froh und erleichtert, wenn Kinder der Allmacht des Computerspiels und des damit bequem passiven Konsumierens wenigstens mit dieser gewissermaßen teilaktiven Beschäftigung trotzen: Der Comic erlebt eine Renaissance.
Wiederentdeckt und zugleich wiederbelebt hat dieses Genre etwa Martina Streble. Und das in gewisser Weise aus der Not heraus. Die dreifache Mutter aus Gröbenzell machte zunächst eine Erfahrung, die vielen anderen nur zu vertraut sein dürfte: "Als meine Kinder lesen lernten und ich mich gefreut habe, dass sie jetzt in die Welt der Kinderliteratur eintauchen - passierte nichts", erzählt die Gröbenzellerin: "Sie wollten weiter vorgelesen bekommen. Bücher schienen ihnen viel zu dick und zu lang."
Gerade in einer bilderüberfluteten multimedialen Welt dürfte es den Kleinen immer schwerer fallen, in ein Dickicht aus Worten einzusteigen, das durch keine Bilderlichtung unterbrochen wird und eben nicht zu enden scheint. Wer diese Wand vor seinem geistigen Auge wähnt, kann nachvollziehen und umso mehr ermessen, was der gelernten Buchhändlerin und studierten Buchwissenschaftlerin bei ihren Kindern schließlich gelang: "Comics waren ihre Türöffner. Spielend leicht und mit wahnsinnig viel Spaß lasen sie sich durch ganz Bände und wollten mehr."
Und so wurde ein Testlauf im privaten Bereich ein allgemeines Geschäftsmodell. Streble gründete einen Verlag, der Kindercomics vertreibt und im Namen führt, wie sich die Buben und Mädchen, vorrangig Grundschüler, am Ende fühlen dürfen: "Edition Helden" will eben "Lesehelden" gebären.

Das erreicht die 41-Jährige nun nicht mit eigenen Kreationen. Sie erfindet keinen neuen Comic, noch gibt sie welche in Auftrag. Die Gröbenzellerin kauft Lizenzen für erfolgreiche Werke dieses Genres aus anderen Ländern, lässt sie übersetzen und bringt sie auf den deutschen Markt: "So ist es bislang eine kleine Europa-Reihe geworden", fasst Streble ihr bisheriges verlegerisches Werk von fünf Büchern zusammen.
Als da sind etwa das "Detektivbüro Lassemaja" des Schweden Martin Widmark und seiner Illustratorin Helene Willis. Aus Frankreich stammt "SamSam", der kleinste aller Superhelden, erdacht und ins Bild gesetzt von Serge Bloch. Und der Römer Daniele Bonomo hat "Timothy Top" erfunden, einen Jungen, der einen grünen Park vor der Vernichtung durch einen Bauspekulanten rettet.
Ihre Kindercomic-Bücher sollen für die Gröbenzellerin natürlich schon einige Qualitätskriterien erfüllen: Es solle kein "Bash-Bäng-Boom"-Niveau sein, wie Streble die von Onomatopoesien getriebenen Bildergeschichten dieser Art charakterisiert, in denen sich die Sprache in den Blasen auf lautmalerische Ausrufe reduziert. Und was die Verlegerin unter "hochwertigen, kindgerechten Inhalten" versteht, lässt sich schön an "Alex und die Monster" von Jaume Copons und Liliana Fortuny aus Spanien geradezu ablesen.

Die Hauptfigur ist ein ziemlich normaler Bub, der nicht gerne liest. Bis ein lustiges kleines Monster namens Mr. Flat erscheint und ihn für Kinderbuchklassiker wie "die Schatzinsel" begeistert, die er sonst niemals für sich entdeckt hätte. Dabei will die Mischung aus Fließtext und Comicseiten die Kinder zum Selberlesen anregen. Formal wie inhaltlich ist das eine gelungene und unterhaltsame Komposition, mit der die Gröbenzeller Verlegerin sich ihrem Ziel näher wähnt: "Kindern das positive Erlebnis zu vermitteln, ein Buch geschafft zu haben." Über diese Erfahrung fingen sie dann vielleicht das nächste an, weil sie schlicht und einfach festgestellt hätten: "Ein Buch zu lesen, das hat mir Spaß gemacht."
Ihre verlegerische Idee scheint bei jenen anzukommen, für die sie gedacht ist: bei den Kindern. Eine andere für Streble wichtige Zielgruppe scheint indes noch nicht ganz so weit zu sein: "Buchhändler brauchen länger, Comic zu akzeptieren." Da müsse sie noch einige Überzeugungsarbeit leisten, sagt die Gröbenzellerin. Ist ihr zu wünschen, dass ihren ehemaligen Kollegen und Kolleginnen vielleicht auch das kleine Lesemonster Mr. Flat erscheint und sie in die in jedem Fall aufregende Welt der Kindercomics hinüberzieht.