Cold Case Cornelia HümpferEx-Frau: US-Soldat soll Mord gestanden haben

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Der 70 Jahre alte Angeklagte aus den USA kommt zu Prozessbeginn unter den Augen von Oberstaatsanwalt Markus Küstner (li.) und dem Strafverteidiger Wolfgang Staudinger (re.) in den Sitzungssaal am Landgericht Schweinfurt.
Der 70 Jahre alte Angeklagte aus den USA kommt zu Prozessbeginn unter den Augen von Oberstaatsanwalt Markus Küstner (li.) und dem Strafverteidiger Wolfgang Staudinger (re.) in den Sitzungssaal am Landgericht Schweinfurt. (Foto: Daniel Löb/dpa)

Der frühere US-Soldat soll seiner Ex-Frau erzählt haben, dass er in Deutschland jemanden getötet habe. Auf ihre Schilderung stützt sich nun die Anklage - fast 47 Jahre nachdem  die 18-jährige Cornelia Hümpfer erstochen wurde.

Von Max Weinhold, Schweinfurt

20 Jahre lang hat Cindy N. ihren Ex-Mann nicht gesehen, „nicht mit ihm zu tun haben müssen“, wie sie sagt. N. ist US-Amerikanerin, sie wohnt in Wyoming. Auch Tommy M. stammt aus den Vereinigten Staaten. Bis zu seiner Verhaftung lebte der 70-Jährige in Nebraska. Am Dienstag sehen sich die beiden erstmals wieder, in Deutschland, vor Gericht. Cindy N. als Zeugin. Und Tommy M. als Angeklagter.

Die 62-Jährige, graue Haare, getönte Brille, ernste Miene, ist für ihre Aussage extra aus den USA angereist, jetzt sitzt sie hier im Landgericht Schweinfurt – und berichtet von diesem Tag im Sommer 1995. Seit fünf Jahren war sie damals mit M. verheiratet, er habe viel getrunken und in dem Sommer einen Entzug gemacht. Vorzeitig sei er wieder zu Hause aufgetaucht, ihr zufolge entlassen wegen fehlender Einsicht in seine Probleme. Zurück zu Hause habe er ihr gesagt, er müsse ihr etwas erzählen, das habe ihm sein Therapeut geraten. Also habe M. erzählt: „Als ich in Deutschland war, habe ich jemanden getötet.“

Tommy M. war Ende der 1970-er Jahre in Schweinfurt als US-Soldat stationiert. Und er steht im Verdacht, am Abend des 20. April 1978 die 18-jährige Cornelia Hümpfer, seine Geliebte aus dem unterfränkischen Dittelbrunn, an einer Straße zwischen Unterspiesheim und Kolitzheim erstochen zu haben, nachdem diese ihm bei einem Treffen gesagt hatte, sie sei schwanger von ihm und werde das seiner damaligen, ersten Ehefrau, der Mutter seines ersten Kindes, erzählen.

Die 18 Jahre alte Studentin Cornelia Hümpfer wurde im April 1978 auf freiem Feld bei Schweinfurt leblos aufgefunden, erstochen. Nun wurde ein damals 24 Jahre alter Ex-Soldat aus Amerika unter dringendem Tatverdacht nach Deutschland ausgeliefert.
Die 18 Jahre alte Studentin Cornelia Hümpfer wurde im April 1978 auf freiem Feld bei Schweinfurt leblos aufgefunden, erstochen. Nun wurde ein damals 24 Jahre alter Ex-Soldat aus Amerika unter dringendem Tatverdacht nach Deutschland ausgeliefert. (Foto: Foto: Polizei)

„Ich hatte eine Affäre mit Cornelia, sie war schwanger“, habe Tommy M. ihr erzählt, berichtet Cindy N. vor Gericht. Ihr Ex-Mann sitzt schräg hinter ihr, hält sie fest im Blick. Er hat die Arme verschränkt, zieht die Augenbrauen hoch, nickt verächtlich. „Er erzählte mir, er habe ein Bajonett genommen und sie erstochen“, sagt N.

Es sei nicht das erste Mal gewesen, dass er die Geschichte erzählt habe. Aber sonst sei er immer betrunken gewesen. „Wenn er getrunken hat, hat er immer sehr viele Sachen erzählt“, sagt sie. Sie habe ihn oft am nächsten Tagen danach gefragt, aber er habe sich meist nicht erinnert und nichts gesagt. Aber an dem Sommertag habe M. ihr den Mord erstmals nüchtern gestanden. Und ihr zudem erzählt, die Tat seiner ersten Frau gestanden zu haben, der Frau also, der Cornelia Hümpfer offenbar von der Schwangerschaft berichten wollte. Die damalige Ehefrau habe das Messer entsorgt, soll M. ihr erzählt haben. Wenig später habe er beim Militär den Abzug aus Deutschland beantragt und ausreisen dürfen.

Cindy N. berichtet auch von einem Dreier-Telefonat mit eben dieser ersten Ehefrau von Tommy M., die im Laufe des Prozesses ebenfalls aussagen soll. Er habe diese dazu aufgefordert: „Erzähl es Cindy.“ Was genau, habe er nicht gesagt. Und die Frau habe zu N. nur gesagt: „Du musst damit leben, genauso wie ich es getan habe.“ Sie, Cindy N., habe sich gefragt, worum es gehe. Aber geahnt habe sie es erst später, im Sommer 1995. Im November habe sie die Scheidung eingereicht, ihn bei der US-Armee angezeigt. Sie habe ihn nicht aus Rache verraten, weil er, wie sie sagt, mit seiner Ex-Frau geschlafen habe. „Ich habe es gemacht, weil es richtig war. Cornelias Familie verdient Gerechtigkeit.“

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Auf N.s Schilderungen stützt sich ganz wesentlich die Anklage gegen Tommy M. Mord aus Heimtücke und niedrigen Beweggründen wirft Oberstaatsanwalt Markus Küstner dem Angeklagten vor. Der frühere Soldat, damals 24, schweigt zu den Vorwürfen, für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Ins Blickfeld der Ermittler gerieten die US-Streitkräfte schon kurz nach der Tat vor fast 47 Jahren, weil eine Zeugin angab, an besagtem Abend nahe dem Tatort ein parkendes Auto mit einem grünen Nummernschild gesehen zu haben, wie es die US Army kennzeichnete.

„Wir waren bei der CIA“, sagt am Dienstag Ulrich P., 90 Jahre alt, damals Polizist, jetzt Zeuge, aber die US-Amerikaner hätten „alles abgeblockt“. Als die Deutschen ein Auto untersuchen wollten, seien sie abgewiesen worden. „Wir hatten keinen Zugriff“, sagt er. Einen konkreten Tatverdächtigen konnten sie bei den GIs deshalb zunächst nicht ermitteln. Und selbst nachdem Cindy N. 1995 Anzeige erstattet hatte, konnten sie M. nichts nachweisen, DNA-Tests an Asservaten vom Tatort brachten keine Klarheit. Erst dank neuer Technik ließ sich sein Erbgut 2021 an einem Kniestrumpf des Opfers nachweisen. US-Polizisten verhafteten ihn 2023 in Nebraska, im vergangenen Jahr wurde er nach Deutschland ausgeliefert.

Wie sich Hümpfer und ihr mutmaßlicher Mörder kennengelernt haben, konnte das Gericht noch nicht klären. Gut Englisch gesprochen haben soll sie, da sind sich mehrere Zeugen einig. Aber Kontakt zu US-Soldaten? Sie halte das für unwahrscheinlich, sagte Hümpfers Mutter 1978 der Polizei. Heute ist sie nicht mehr vernehmungsfähig. Ihr Mann, Cornelia Hümpfers Vater, ist 2022 verstorben. Als Nebenkläger wohnt lediglich ihr Bruder dem Prozess bei. Öffentlich über seine Schwester sprechen möchte er nicht, das übernehmen die Zeugen.

Als „liebevolles Kind“ habe Hümpfers Mutter ihre Tochter 1978 beschrieben, sagt der frühere Kriminaloberkommissar P., als „lebenslustig“. Bis sie mit ihrem damaligen Freund zusammengekommen sei, habe sie öfter mal „über die Stränge geschlagen“ und abgesprochene Zeiten zum Heimkehren nicht eingehalten. Mit der Beziehung sei das aber vorbei gewesen.

Mit besagtem Freund wollte sich Hümpfer auch am Abend ihres Todes treffen, so hatten sie es besprochen. Sie war Sängerin einer katholischen Kirchenmusikgruppe namens „Talk About“, er spielte für die Band „Jericho“, beide probten donnerstagabends, danach wollte sie ihn abholen. „Das hat sie nicht“, sagte Frank S., heute evangelischer Pfarrer, bereits am Montag vor Gericht.

Die 18 Jahre alte Studentin Cornelia Hümpfer wurde im April 1978 auf freiem Feld bei Schweinfurt leblos aufgefunden, erstochen.
Die 18 Jahre alte Studentin Cornelia Hümpfer wurde im April 1978 auf freiem Feld bei Schweinfurt leblos aufgefunden, erstochen. (Foto: Polizei)

Dass Hümpfer, wie von der Staatsanwaltschaft vermutet, eine Affäre mit ihrem mutmaßlichen Mörder hatte, ahnte der heute 68-Jährige nicht. Sie hätten zusammenziehen wollen, „auf Dauer bestimmt“ sei die Beziehung gewesen. „Ich hatte keine Anhaltspunkte“, sagte er, „ich habe von nichts gewusst.“

Reimund M., 65, ein anderes Bandmitglied, berichtete, Hümpfer habe sich in der Woche vor ihrem Tod „auffallend verändert“. Eine Probe habe sie abgesagt, bei einer anderen sei sie „nicht bei der Sache gewesen“. Auch er erinnerte sich, dass sie am Tatabend nicht zur Probe gekommen sei, obwohl sie sonst „immer zuverlässig“ gewesen sei.

„Sehr lebenslustig, sehr aktiv“ sei die 18-Jährige gewesen, sagte ebenfalls am Montag Monika R., 69, eine frühere Mitschülerin an einer Fachakademie für Sozialpädagogik, wo sich beide Frauen als Erzieherinnen ausbilden ließen. „Sie war beliebt, eine ganz super Frau.“ Noch am Abend von Hümpflers Tod hätten sie telefoniert, „ganz wie immer“ habe sie sich gegeben und gefragt, ob sie am nächsten Tag nicht den Unterricht schwänzen, erst zur vierten Stunde kommen wollten. R. stimmte zu. Und wunderte sich tags darauf, als Cornelia Hümpfer gar nicht kam. Sie war bereits tot.

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