Friedrich Schiller hat auf der Bühne allerlei unausstehliche Gestalten auftreten lassen, die unsäglichste aber war eine Figur aus "Kabale und Liebe". Schiller taufte sie "Wurm".
Womit alles gesagt ist: Der Mann ist glitschig, sich windend, im Wesentlichen blind. "Regenwurm" wäre eine Steigerung gewesen, aber das wollte Schiller selbst einem maximal Verachteten nicht antun.
Und damit nach Coburg, wo sich einmal im Jahr Stützen der Gesellschaft aus der gesamten Republik versammeln: der "Coburger Convent", Zusammenschluss schlagender Studentenverbindungen. Disziplin und Haltung haben die von der Pike auf gelernt, denn wenn der jungakademische Geist einmal nicht willig war, so schlug man sich gegenseitig mit der Waffe. Deshalb tun die Herren "Waffenstudenten" das ja angeblich: für Zucht und Selbstkontrolle.
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Gut, es soll Einheimische in Coburg geben, die Erbrochenes im Vorgarten nicht für die Krone von Selbstdisziplinierung halten. Aber Saufen gehört scheinbar konstitutiv dazu zur Männerbündelei, zu Altherrenseligkeit und dem Bestreben - so der Coburger Convent -, sich "gegenseitig zu fähigen Menschen" zu erziehen, "in ehrenhafter, aufgeschlossener und freiheitlicher Gesinnung".
Aufgeschlossen freilich am liebsten, wenn das Gegenüber genauso tickt wie man selbst, zum Beispiel für den guten alten Fackelzug schwärmt. Coburgs Oberbürgermeister Dominik Sauerteig - seit drei Jahren im Amt - tut das nicht und hat das die Herren wissen lassen. Und seit einem geleakten Mailverkehr (vom Convent selbst für authentisch erklärt) ahnt man nun auch, wie sich Alte Herren untereinander so austauschen, wenn sie ausnahmsweise mal nicht für "Freiheit, Freundschaft, Vaterland" fechten. Der Coburger OB? Sei, heißt es in einer Mail, ein "Regenwurm".
Jener zum Wurm erklärte Sozialdemokrat musste - wie man das so tut, wenn Gäste in der Stadt sind - auch etwas sagen beim öffentlichen Herrengelage jüngst. Und hat sich entschieden, den etwa 3000 Hochmögenden schonungslos ins Gesicht zu sagen, was exakt er davon hält. Über einen "eklatanten Mangel an Respekt" sprach er. Und er frage sich: "Ist das der übliche Umgang von gebildeten Verantwortungsträgern mit Menschen, die anderer Meinung sind?"
Und was taten die auf ihrem eigenen Fest abgewatschten Coburg-Gäste? Sie klatschten artig und formvollendet fügsam. Schiller hätte womöglich gewusst, wie er solche Charaktere nennt.