Süddeutsche Zeitung

Mitten in Coburg:Mehr als das königlich-britische Wasserklosett

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Coburg und die Queen Victoria? Auf Stadtführungen wurde da bislang vor allem eine royale Toilette vorgeführt, very british. Jetzt aber ist das alles anders.

Glosse von Olaf Przybilla, Coburg

An dieser Stelle war kürzlich von "Victoria" die Rede, einer schlanken 25-Folgen-Serie britischer Provenienz in der Arte-Mediathek. Gerne hier nochmals der Hinweis: Wer sich bis Silvester - so lange hält der Kultursender das vor - ins Leben einer Weltenlenkerin einfühlen will, der sollte anfangen allmählich.

Für Oberfranken dürfte der Genuss erhebend und ernüchternd zugleich ausfallen. Einerseits fällt der Ehrbegriff "Coburg" mit taktvoller Stetigkeit, mehrmals pro Folge. Wenn die Verheißung aber mal greifbar werden könnte, der Spielort von London ins gelobte Land der Franken wechselt, so bekommt man einen Bau vor Augen, der Schloss Rosenau bei Coburg in etwa so ähnlich sieht wie Kensington Palace der HUK-Coburg-Hauptgeschäftsstelle.

Ein Stich ins Herz, sicherlich. Ein kleiner freilich nur. Denn eines wird, quellenmäßig fundiert, in der Serie klar: Da haben zwei eine stimulierende Ehe gefühlt. Für Arbeiterwohnungen und Forschung aber war er zuständig, der Coburger, Prinz Albert. Und für moderne Toiletten!

Einen Platz in der Geschichte (weit über die Royal-Albert-Hall hinaus) hat ihm das gesichert. Und den kann man sich in Franken bis heute lustwandelnd vergegenwärtigen. Höchstselbst hat die Queen dafür gesorgt, als sie für den verblichenen Gatten ein Albert-Bronzestandbild in Cobury-City platzieren ließ, an dem selbst Royalskeptiker kaum vorbeikommen.

Die Queen selbst aber? Besuchen Königshausfreunde den Landstrich, von dem die Windsors zu erheblichen Teilen stammen - was erinnerte da hauptsächlich an Victoria bislang? Nein, kein Witz: ein Abort. Auf Coburgs Schloss Ehrenburg hat sich die Queen um 1860 ein watercloset nach englischem (und ihres Gatten) Vorbild hinthronen lassen, eines der ersten auf dem Kontinent. Sehen Sie hier: das Klosett der Königin, very british.

Nun aber ist das alles anders, was dem Privatier Werner Weiss zu verdanken ist. Zwar gab's zunächst arg böses Blut, als er den Berliner Fassadenkünstler Gert Neuhaus bat, eine frühere Bonbonfabrik mit überlebensgroßem Victoria&Albert&Königsdackel-Wandgemälde zu verzieren. Tenor: auf einem Baudenkmal? Könnt' ja jeder kommen!

Inzwischen aber strömen Handyfotografen, auch nachts noch, wenn das Ehebildnis (samt Dackel) angestrahlt wird. Und die Briten, hach, dürfen nun auch kommen nach Coburg - und müssen bei der Höhepunkte-der-Queen-in-Franken-Führung nicht mit royalem Wasserklosett Vorlieb nehmen.

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