Beichte des Schauspieldirektors von Coburg:„Nicht viele haben ihre Frau schon an einem Fahnenmast vergessen“

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Michel aus Lönneberga triebt allerlei Unfug. Er zog seine Schwester Klein-Ida mal eine Fahnenstange hinauf.  Kann man so machen. Nur: Vergessen sollte man das dann nicht. (Foto: United Archives/kpa Publicity/Imago)

Coburgs Theaterchef Matthias Straub hat zugegeben, mal seine in drei Metern Höhe baumelnde Partnerin vergessen zu haben. Na und? Geheiratet hat sie ihn trotzdem. Ein Plädoyer für mehr Nachsicht zwischen den Geschlechtern.

Glosse von Olaf Przybilla

Man muss da jetzt kein großes Fass aufmachen, das passiert halt mal. Aber erwähnenswert ist es natürlich schon. Matthias Straub, Führungskraft in Coburg, hat zugegeben, seine an einem Fahnenmast hängende Partnerin, tja nun: schlicht dort vergessen zu haben.

Straub arbeitet seit 15 Jahren in leitender Funktion an einem von Stadt und Land finanzierten Haus. Und ja, auch das gehört zur Wahrheit: Er hat seine in etwa drei Meter Höhe baumelnde Partnerin vergessen, als er gerade im Dienst war.

Daraus könnte man jetzt eine große Sache machen. Führungskraft, öffentliches Amt, Dienstvergehen. Aber erstens hat der Mann die Angelegenheit selbst öffentlich gemacht, als er neulich in der Neuen Presse auf seine anderthalb Jahrzehnte in Coburg zurückblickte. Und zweitens hat, ein schönes Jahr nach dieser misslichen Angelegenheit, jene Frau von der Fahnenstange exakt ihn, Matthias Straub, geheiratet. Was von wahrer menschlicher Größe zeugt. Und insofern das eigentliche Thema sein sollte.

Jedenfalls könnte Straub mit seiner Beobachtung richtig liegen: „Ich denke, nicht viele haben ihre Frau schon an einem Fahnenmast vergessen.“

Matthias Straub, Schauspieldirektor in Coburg. (Foto: Olaf Przybilla)

Es war so: Straub ist Schauspieldirektor am Landestheater Coburg, Inszenierung von „Michel aus Lönneberga“, gerade wird geprobt. Sandrina Nitschke spielt Klein-Ida und da gehört es qua Textvorlage dazu, einen Mast hinaufgezogen zu werden – Näheres gerne bei Astrid Lindgren nachlesen. Jedenfalls ist dann Mittagspause, das Hirn schaltet um auf Basales. Bis auf dem Weg in die Kantine alle, auch der selbst inszenierende Theaterchef, vom Fahnenmast her ein leises „Hallo?“ hören.

Matthias Straub ist noch ein paar Monate Schauspieldirektor in Coburg, wer ihn dort antrifft, bitte unbedingt um jenes „Hallo?“ bitten. Es ist ein bestimmtes, aber menschenfreundliches, nachsichtiges und unbedingt zugewandtes „Hallo?“. So möchte man auch reagieren können, wenn einen der Partner gerade am Fahnenmast hängend vergisst.

So darf diese Geschichte also als Plädoyer für mehr menschliche Nachsicht durchgehen, auch und gerade zwischen den Geschlechtern. Und wer weiß: Vielleicht hilft dabei ja der verschärfte Blick dorthin, wo seltener hingeschaut wird, an die Ränder. Nach Coburg, nördliches Franken. Oder in den Kreis Haßberge, ebenfalls Nordfranken.

Dort ist kürzlich mitten in der Begegnung des SV Friesenhausen gegen die SG Hendungen/Nordheim/Ober- und Mittelstreu – Fußballkreisliga der Frauen – ein Fendt-Traktor quer über den Platz getuckert. Oder ganz konkret, wie es die Main Post berichtet: „Von der Eckfahne mitten aufs Feld und ohne Umwege direkt darüber.“ Warum? Ja nun, genauso könnte man fragen: warum nicht?

Die üblichen Straßen sollen irgendwie blockiert gewesen sein, der Landwirt eines nahen Hofes fuhr mit seinem Bulldog also direkt am Schiedsrichter vorbei und soll ihm noch zugerufen haben: Selbst schuld, wenn man hier alles zuparke.

Konsequenzen? Keine. Lediglich allgemeines Gelächter. Sollten sich der Landwirt und eine der Fußballerinnen demnächst noch näherkommen – siehe Fall Coburg – wird nachberichtet.

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