Geschichte:Königin Victoria und Prinz Albert: Coburgs Glamour-Paar

Königin Viktoria von England und Prinz Albert, 1854

Albert und seine Gemahlin, Königin Victoria von England (auf dem Foto von 1854), soll eine innige Liebe verbunden haben.

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Das Verhältnis der oberfränkischen Stadt zu ihren Royals ist leicht getrübt. Im Jubiläumsjahr soll sich das ändern.

Von Claudia Henzler

Birgitt Jäckel-Beck kann sich noch gut daran erinnern, wie sie als Kind mit ihren Eltern aus Marburg zu Besuch war und unbedingt zu dieser Burg hoch wollte: Zur imposanten Veste aus dem Mittelalter, die 167 Meter über Coburg auf einem Plateau thront. "Und heute arbeite ich da." Sie sagt das, als staune sie noch immer ein bisschen darüber, dass sie ihr Weg über die deutsche Wiedervereinigung, das Studium der Kunstgeschichte und die Hochzeit mit einem Franken in die ehemalige Residenzstadt geführt hat.

Dabei lebt Birgitt Jäckel-Beck nun schon seit einem Vierteljahrhundert hier. Ihr Arbeitgeber ist die Coburger Landesstiftung, deren Aufgabe es ist, die verstaatlichten Kulturschätze des früheren Herzogtums zu bewahren und zu zeigen. Und seit mehr als zehn Jahren legt die Wahlcoburgerin hin und wieder im Auftrag des städtischen Tourismusbüros einen ausladenden Reifrock an und schlüpft für Gästeführungen in die Rolle der englischen Königin Victoria, die einst mit Albert, einem Coburger Herzogssohn, verheiratet war. Mit Victoria verbindet sie neben der Liebe zu Coburg auch die übersichtliche Körpergröße von wenig mehr als einem Meter fünfzig.

2019 werden Victoria und Albert in Coburg besonders ausführlich gefeiert. Die Stadt hat für das Jahr, in dem beide 200 Jahre alt geworden wären, ein umfangreiches Jubiläumsprogramm zusammengestellt. Besonders stolz sind die Coburger darauf, dass sich Königin Elisabeth II. bereit erklärt hat, aus der Ferne die Schirmherrschaft zu übernehmen.

Die Familie von Sachsen-Coburg und Gotha herrschte im 19. Jahrhundert über ein kleines Herzogtum mit Gebieten im heutigen Bayern und Thüringen und hatte nur einen überschaubarem politischen Einfluss. Durch eine geschickte Heiratspolitik erlangte das Haus aber europaweit Bedeutung. Die Kinder waren, wohl gerade wegen des geringen politischen Eigengewichts, begehrte Ehepartner und sicherten vielen Fürstenhäusern die Thronfolge.

Für Coburg, das einmal Residenzstadt war und heute nur noch eine mittelgroße bayerische Stadt von vielen ist, sind Victoria und Albert seit Langem die wichtigsten Marketingbotschafter. Die Stadt erinnert gern daran, dass Prinz Albert als jüngerer Sohn des Coburger Herzogs Ernst I. hier geboren und geprägt wurde. Und auch Victoria ist nach Coburger Lesart quasi eine Tochter der Stadt. Schließlich war ihre Mutter Herzog Ernsts Schwester - Albert und Victoria waren bekanntlich Cousin und Cousine ersten Grades.

In einer Informationsbroschüre des Stadtmarketings heißt es bedauernd über Coburgs Geschichte und die Beziehung zu Albert und Victoria: "Leider wissen die wenigsten, dass es sich hierbei um Coburger handelt - denn unter dem Druck der Ereignisse des Ersten Weltkrieges wurde das Haus ,Sachsen-Coburg und Gotha' in Großbritannien 1917 in ,Haus Windsor' umbenannt." Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Royals noch mehr Anlass, sich von der Coburger Verwandtschaft zu distanzieren, denn der letzte amtierende Herzog Carl Eduard (1884-1954) war ein großer Sympathisant von Adolf Hitler. Aus Sicht von Gästeführerin Birgitt Jäckel-Beck ist Carl Eduard der Grund, warum die Queen bis heute nie persönlich in der Heimatstadt ihres Ur-Urgroßvaters war. Zur Freude vieler Coburger wurden die Kontakte jedoch zumindest in zweiter Reihe gepflegt: 1998 war beispielsweise Prinz Andrew offiziell zu Gast in Coburg, verspeiste unter großer öffentlicher Anteilnahme eine Bratwurst und eröffnete in der Veste eine Ausstellung über Victorias und Alberts Reisen nach Deutschland.

Königin Victoria selbst war während ihres langen Lebens (1819-1901) sieben Mal in Coburg. Nur die ersten beiden Male in Begleitung von Prinz Albert (1819-1861), der mit 42 Jahren an einer Krankheit starb - an welcher, darüber ist sich die Wissenschaft nicht einig - und eine bis zu ihrem Tod trauernde Victoria zurückließ. Jäckel-Beck versucht bei ihren Führungen, den Besuchern einen Eindruck von der lebenslange Liebe der Queen zu ihrem Mann und dessen Heimatstadt vermitteln.

Ein Denkmal im Herzen der Stadt

Der Marktplatz ist ein guter Ort, um diese Spurensuche zu beginnen. Als die Coburger nach Alberts Tod den Plan fassten, ihn mit einem Denkmal zu ehren, legte die Königin Wert darauf, dass es auf diesem Platz im Herzen der Stadt aufgestellt wurde. Zur feierlichen Enthüllung im Jahr 1865 reiste Victoria sogar eigens aus London an. Sie mochte diesen Platz, auf dem das Paar zwanzig Jahre zuvor bei seinem ersten gemeinsamen Besuch jubelnd empfangen wurde. An diesem Ort mit seinen prächtigen Renaissancebauten und schmucken Bürgerhäusern kann man noch heute sehen, was der Königin in Alberts Heimatstadt ganz besonders gefiel, wie die Gästeführerin erzählt: das Flair des Spätmittelalters, in dem Coburg eine erste Blütezeit erlebt hatte.

Im Schloss Ehrenburg, dem Stadtschloss der Coburger Herzöge, fährt Gästeführerin Jäckel-Beck im Reifrock mit einem versteckten Aufzug und empfängt ihre Besucher am oberen Ende des herrschaftlichen Treppenaufgangs. Oben fällt der Blick auf ein Bild von Herzog Ernst I. (Alberts Vater), das zumindest aus Sicht einiger Besucher eine verblüffende Ähnlichkeit mit Prinz Harry aufweist, wie die Queen-Darstellerin erzählt. Sie selbst geht lieber zu einem der Söhne hinüber, die das große Gemälde als steinerne Büsten flankieren. "Er ist der schönere von den beiden Coburger Brüdern, nicht wahr?"

Geschichte: Birgitt Jäckel-Beck im Victoria-Kostüm.

Birgitt Jäckel-Beck im Victoria-Kostüm.

(Foto: Stadt Coburg)

Auch wenn Alberts Bartmode nicht dem heutigen Geschmack entsprechen mag: Das royale Vorzeigepaar des 19. Jahrhunderts hatte Starqualitäten, die William und Kate, Harry und Meghan nicht einmal zusammengenommen aufbringen. Und wenn Albert und Victoria in Coburg waren, wurde die Ehrenburg zum Schauplatz von Treffen der gekrönten Verwandtschaft auf dem Kontinent, für die Fernsehsender heute mehrstündige Sondersendungen einplanen würden. Ein bekanntes Foto, das die 75-jährige Queen bei ihrem letztem Besuch in Coburg 1894 zeigt, gibt dabei wohl nicht den wahren Charakter dieser Familientreffen wieder.

Zu sehen sind zwei Dutzend eher grimmig aussehende blaublütige Prominente in Sonntagsanzügen und Pelzen. Neben Königin Victoria sitzt ihr Enkel Wilhelm II. von Preußen, dahinter der spätere russische Zar Nikolaus II. Außerdem im Bild sind der spätere britische König Eduard VII. sowie der spätere König von Rumänien, der spätere Zar von Bulgarien und diverse Großfürsten und Prinzessinnen. Beim Rundgang durch die Ehrenburg vermittelt der sogenannte Riesensaal, ein opulent verzierter Raum, einen Eindruck davon, wie die hochgestellten Leute damals gefeiert haben mögen.

Auf andere Art ist auch Victorias Schlafgemach aussagekräftig. Neben dem Bett steht eine Kabine aus glänzendem Mahagoni, in der sich eine Toilette mit Spülung verbirgt. Womöglich die erste Wassertoilette auf dem europäischem Kontinent, sagt Gästeführerin Jäckel-Beck. Das fortschrittliche Königspaar hatte die Idee aus Großbritannien importiert "So nahm das WC seinen Siegeszug durch die deutschen Schlösser."

Für Birgitt Jäckel-Beck ist klar, dass Alberts Kulturliebe, seine Wissenschaftsbegeisterung und seine sozialen Ideen durch seine Erziehung in Coburg geprägt wurden. Schon Vater Herzog Ernst I. hatte dem Land 1821 eine recht liberale Verfassung gegeben. Auch Alberts Bruder vertrat als Herzog Ernst II. eine für damalige Verhältnisse liberale Politik. Und während Albert sich in Großbritannien für bessere Lebensverhältnisse der Arbeiter einsetzte, gründete seine Schwägerin Alexandrine in Coburg ein Mädchengymnasium, stellte Geld für ein Volksbad bereit und finanzierte den Bau von Häusern, die nach 30 Jahren in den Besitz der Mieter übergingen.

Wie sich Albert als ursprünglich ungeliebter Deutscher mit all seinen Projekten den Respekt der Briten verschaffte, darauf ist man in Coburg stolz. Die Statue am Marktplatz hält nicht zufällig Pläne des von Albert geplanten Glaspalasts für die erste Weltausstellung in der Hand. Victoria-Double Jäckel-Beck zeigt sich noch heute ergriffen: "Das ist so weltbewegend, wann man sich vorstellt, der kommt hier aus so einer kleinen Stadt."

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200.Geburtstage

Coburg feiert die 200. Geburtstage der britischen Königin Victoria (24. Mai) und ihres Prinzgemahls Albert von Sachsen-Coburg und Gotha (26. August) mit Ausstellungen, Vorträgen, Konzerten, Lesungen und Sonderprojekten (www.coburg-tourist.de). Die Bayerische Schlösserverwaltung hat Themenführungen in Schloss Ehrenburg angekündigt und lädt am 25. August zu einem Festtag in Schloss Rosenau nach Rödental bei Coburg ein. In Schloss Callenberg, dem ehemaligen Jagd- und Sommerschloss der Herzöge, das sich noch im Besitz des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha befindet, wird unter anderem eine Ausstellung über Alberts Kinder gezeigt. Auch das Landestheater Coburg hat sein Programm im Jubiläumsjahr britisch gestaltet. Das Philharmonische Orchester des Landestheaters gibt Konzerte mit der Royal Choral Society - zuerst in der Cadogan Hall in London, dann im Juli in der Morizkirche in Coburg. Die Briten feiern die Geburtstage ebenfalls groß. Die Deutsche Botschaft in London sammelt die Veranstaltungen in beiden Ländern auf einer Internetseite (uk.diplo.de). henz

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